DREARYLANDS: Heliopolis von rls (Maniac Records)
Keyboardfreier Power Metal aus Brasilien genießt eher Seltenheitsstatus, befleißigen sich doch die meisten der traditioneller und/oder epischer werkelnden metallischen Combos aus der ehemaligen portugiesischen Kolonie eines synthieerzeugten Bombastfaktors. Der fehlt nun bei Drearylands komplett und wird auch nur bedingt ersetzt, nämlich durch eine enorm lick- und fillreiche Spielweise der beiden Gitarristen, die immer wieder kleine melodische Details einstreuen, ohne die Songs aber restlos zuzukleistern. Dafür bleiben die Riffs eher wenig markant, was nicht heißt, daß es nicht immer mal doch eines der griffigen Sorte gäbe, aber die meisten sind vom Deutlichkeitsfaktor her eher schwach ausgeprägt, wozu dann die erwähnten Licks auch wieder beitragen und ein gitarrenseitiges Gesamtbild entsteht, wie man es auch auf den ersten beiden Iced Earth-Platten kennen- und liebenlernen konnte, wenngleich Jon Schaffer die Riffdeutlichkeit und -einprägsamkeit im Direktvergleich noch etwas besser hinbekommen hatte und sich auch die Gitarrensounds deutlich voneinander unterscheiden. Páris und Rafael verehren darüber hinaus wohl aber auch Iron Maiden, wie sie mit einer entsprechenden Gitarrenpassage bei Minute zweieinhalb von "The Greatest Show On Earth" beweisen, und generell scheinen ihre Einflüsse eher aus dem europäischen Metal zu stammen (was sie ja auch mit Iced Earth verbindet). Ob sie Seven kennen, bleibt arg zweifelhaft, aber deren "Break The Chains"-Album kann als Seelenverwandter von "Heliopolis" herangezogen werden, wenngleich die Schweden ein gutes Stück hymnischer zu Werke gingen als die Brasilianer dies auf ihrem vorliegenden, mindestens zweiten Album tun (das Booklet weist auf ein ebenfalls erhältliches 2000er Album namens "Some Dreary Songs ... And Other Stories From The Shadows" hin, das mir bisher aber noch nicht zu Ohren gekommen ist). Die ultimativste Vergleichsband für Drearylands kommt allerdings aus Deutschland: Wer die Harzrandbewohner Dark At Dawn kennt, sollte Drearylands dringend ein Ohr schenken, denn es könnte sein, daß er hier eine perfekte Ersatzdroge für die mittlerweile aufgelöste deutsche Truppe findet: Völlig eigenständiger angedüsterter Power Metal steht in beiden Fällen auf dem Programm, auch die beiden Sänger können eine gewisse stimmliche Ähnlichkeit nicht von der Hand weisen, wobei Leo Lion Leao (wenn das mal kein Pseudonym darstellt) im Opener "New Old Dalliance" (ein extrem sarkastisch-zyischer Text über selbsternannte Weltverbesserer, die alles außerhalb ihres eigenen Gesichtskreises der Vernichtung preisgeben - auch den hätten Dark At Dawn vermutlich gleichfalls unterschrieben) stimmlich auch mal ein wenig neben der Ideallinie landet, sich aber rasch wieder fängt und in den anderen acht gesangsbestückten Songs (hinzu tritt mit dem CD-Closer "The Temple Of The Sun" noch ein kurzes akustisches Instrumental) eine nahezu tadelsfreie Leistung im unterschiedlich intensiv angerauhten Bereich erbringt, wobei er etwa im balladesken Intro zu "Trash Man" beweist, daß er auch dunkel-sanfte Töne beherrscht. In "My Sweetest Love" und "The Greatest Show On Earth" bedient er sich zudem teilweise, in "Em Frente Ao Espelho" komplett seiner Heimatsprache Portugiesisch, wobei man den lyrischen Gehalt der erstgenannten beiden Songs anhand der umstehenden englischen Passagen auch als Portugiesischunkundiger entschlüsseln kann und dabei die beiden Seiten der Drearylands-Texte, nämlich die religiöse und die sarkastisch-kritische bis dunkelromantische, kennenlernt, wobei beide Komponenten nicht selten auch miteinander verwoben sind. Das Grundtempo bleibt zumeist im mannigfach variierten mittleren Bereich, wobei die Kunst des geschickt eingeflochtenen und absolut nicht holprigen, mitunter nicht mal vorbereitet werden müssenden Tempowechsel eine ganz große Stärke der Drearylands-Arrangement-Abteilung darstellt - man höre sich als Beispiele die kurzen Trommeltempoparts in "The Greatest Show On Earth", den Tempowechsel bei Minute fünfeinhalb in "Em Frente Ao Espelho" oder das komplette "Year Of The Monkey" (das in der durchschnittlichen Betrachtung gemeinsam mit "Someone To Lay Flowers" das schnellste der zehn Stücke sein dürfte) an. Aber das arrangementöse Können der Band beschränkt sich nicht auf das Tempo, sondern die bereits gelobte Gitarrenarbeit muß hier ebenfalls noch einmal ans Tageslicht gezerrt werden, zumal der klare, aber nicht sterile, sondern im Gegenteil schön warme Sound dafür sorgt, daß man auch alles gut nachvollziehen kann und Freude daran hat. Das geringfügig andere Soundgewand von "Someone To Lay Flowers" und "Another Stormy Night" beruht darauf, daß diese zwei Songs schon ein halbes Jahr vor den anderen acht für eine (mir ebenfalls nicht bekannte) Promo-CD namens "From The Ashes" eingespielt wurden, wobei man das aktiv wohl wirklich nur merkt, wenn man es im Booklet liest, da Song 7, "My Sweetest Love", allein schon mit seiner halbakustischen Instrumentierung etwas aus dem Rahmen fällt, man also sowieso einen Bruch zu "Someone To Lay Flowers" an Position 8 vorliegen hat; außerdem scheinen alle zehn Songs in einem Arbeitsgang gemastert worden zu sein, was etwaige Unterschiede noch einmal nivelliert. "Someone To Lay Flowers" enthält übrigens in Gestalt seines Refrains den hymnischsten Part der ganzen CD und ist zudem auch der geradlinigste Song, der daher als Anspieltip mit auf den Weg gegeben werden kann, während gute Teile des restlichen Materials erst nach einigen Durchläufen ihre wahre Pracht entfalten. Die Frage ist halt nur, ob ein Anspieltip was nützt, denn die Wahrscheinlichkeit, dieser CD in einem mitteleuropäischen Musikgeschäft zu begegnen, dürfte ungefähr der entsprechen, von einem Meteoriten erschlagen zu werden. Die Homepage www.drearylands.com war zum Reviewzeitpunkt offline, was bedeuten könnte, daß die Band zwischenzeitlich aufgelöst worden ist (die Aufnahmen der Songs datieren von 2003, die CD müßte 2004 erschienen sein). Vielleicht ergibt www.maniacrecords.com.br noch einen Hinweis, wie man an diese reichliche Dreiviertelstunde hochklassigen und garantiert trendfreien Metals herankommt, ansonsten kann man ja auch mal noch bei www.metaleros.de oder www.hellionrecords.de nachkucken.
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