www.Crossover-agm.de COLOSSEUM: Chapter 3: Parasomnia
von ta

COLOSSEUM: Chapter 3: Parasomnia   (Firebox)

Düstere Vorzeichen gingen der Veröffentlichung des dritten und letzten Albums der finnischen Funeral-Doomster von Colosseum voraus. Am Samstag, dem 15. Mai 2010 wurde der 32jährige Sänger, Gitarrist, Alleinkomponist und Alleintexter Juhani Palomäki tot aufgefunden, was zur sofortigen Auflösung der Band führte. Die Produktion des Albums war zu diesem Zeitpunkt gerade abgeschlossen, so dass "Parasomnia" nach fast einem weiteren Jahr Verzögerung erscheinen konnte und als doppeltes Vermächtnis noch vor allen musikalischen Aspekten einen Ehrenplatz in der Discographie der Band erhält: Es ist das letzte Kapitel der musikalischen Reise einer Band und einer Person zugleich - ein dunkles Kapitel freilich. Schon die Texte sind sehr nihilistisch und depressiv ausgefallen und wirken darin verstörend angesichts des Todes dessen, der sie verfasst hat.
Als ich anno 2009 einen kurz angebundenen Palomäki für ein Special zum Funeral Doom befragte, kündigte er an, dass "Parasomnia" extremer werden würde als seine zwei Vorgänger. Mit Vorliegen des Albums erhält diese Behauptung ihre anschauliche bzw. anhörliche Bestätigung. Gleich der Opener "Dilapidation And Death" reserviert mit 22 Minuten Länge ein Drittel der Laufzeit des gesamten Albums für sich - ein Koloss von Song, der den "Numquam"-Doom ebenso weiterführt wie entwickelt: Die romantisch-schwelgerischen Elemente wurden gekappt, die Atmosphäre noch mehr verdüstert, Dissonanzen und atonale Tonfolgen haben zugenommen (der komplette Mittelteil baut auf einem Tritonus auf), das Tempo ist noch etwas runtergeschraubt worden. Kurz: Den Death-Doom-Anteil im Funeral Doom von Colosseum muss man in diesem Track mit der Lupe suchen. "Numquam" lebte davon, dass die Songs nicht nur finster, sondern in den richtigen Momenten auch schön und erhaben waren, "Dilapidation And Death" ist niederschmetternder. Eine Begleiterscheinung dieses Phänomens ist, dass das Endergebnis weniger eingängig und etwas monotoner ausfällt. Klar, eine Stelle wie der Themenwechsel nach zweieinhalb Minuten Laufzeit, dieser brillante Übersprung in feinstes Breitwandriffing, ist einfach typisch Colosseum, strukturiert den Track und bildet eine emotionale Entwicklung nach, aber sie ist feiner gezeichnet und nicht so dick aufgetragen wie noch zuletzt. Apropos Feinzeichnung: Abermals haben sich Colosseum ein kammermusikalisches Ensemble aus Cello, Violine und Trompete ins Boot geholt, welches die ansonsten durch die omnipräsenten Keyboards verantwortete orchestrale Ebene der Musik nicht nur passend bereichert, sondern passagenweise absolut unverzichtbar ist und das akustische Erlebnis unverwechselbar macht.
Stück Nummer zwei, "Questioning Existence", mit knapp vier Minuten der kürzeste Song des Albums, ist purer, wunderbarer Dark Ambient, ehe "Passage To Eternity" den zweiten Teil des Albums einleitet, der sich aus eben "Passage To Eternity", "On The Strand Of Nightmares" und "Parasomnia" zusammensetzt, drei jeweils um die Zehnminutengrenze herum komponierten Stücken, die das Niveau nahezu durchweg halten. "Passage Of Eternity" selbst ist eine Seelenwanderung in düsterste Untiefen, reiner Funeral Doom, schwerfällig und dabei detailreich, voller gelungener Auflösungen und von der ersten bis zur letzten Sekunde perfekt arrangiert - der Vergleich mit den Göttern Esoteric, den ich mir bereits in der Rezension zu "Numquam" nicht verkneifen konnte, ist auch hier angebracht.
Die anderen beiden Tracks nehmen die bis zu dieser Stelle angeschlagene arg finstere Stoßrichtung partiell zurück, was insbesondere das Schlussthema von "Parasomnia" und die sehr schwelgerischen, mir zu süßlichen ersten zwei Drittel von "On The Strand Of Nightmares" verdeutlichen. "On The Strand ..." erinnert rhythmisch und melodisch stark an die Romantik-Doomer Shape Of Despair, wird gegen Ende aber noch mal richtig finster und böse und mündet in ein kleines Schmuckstück musikalischen Wahnsinns, welches einmal mehr verdeutlicht, was für ein begnadeter Arrangeur Palomäki für diese Art von Musik gewesen ist ...
... und da ist er wieder, der unter diesen Umständen unvermeidbare Bezug zum Komponisten - "Parasomnia" ist ein sehr gutes, streckenweise brillantes Album des Funeral Doom, das sich qualitativ auf einem Level mit dem Vorgänger einpegelt; ein Album, das die Grundelemente des Genres konsequent und bruchlos aufbereitet, darin aber zu einer eigenen und unverwechselbaren musikalischen Sprache findet; ein Album, das jedem Fan dieser Sparte unbedingt empfohlen sei. "Parasomnia" ist aber eben auch ein Album, dessen Nachhören auch mit einem Jahr Abstand noch vom frühen Tod seines Schöpfers überschattet wird. Und die bittere Ironie dieses Umstandes muss erst abklingen, bevor dieses Album nur als das, was es ist, nämlich Musik, gewürdigt werden kann.
Kontakt: www.colosseumdoom.com, www.firebox.fi

Tracklist:
1. Dilapidation And Death
2. Questioning Existence
3. Passage To Eternity
4. On The Strand Of Nightmares
5. Parasomnia



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver