www.Crossover-agm.de CHINCHILLA: The Last Millennium
von rls

CHINCHILLA: The Last Millennium   (Metal Blade Records)

Beim neuen Werk der süddeutschen Nagetiere fallen gleich ein paar interessante Punkte ins Auge. Erstens tritt eine Diskrepanz beim Albumtitel auf - während auf der CD selbst "The Last Millennium" zu lesen ist, fährt das Infoblatt "The Last Millennium?" auf. Aus dieser unterschiedlichen Betitelung jedoch einen interessanten, gar philosophischen Hintergrund stricken zu wollen, dürfte einige Schritte zu nahe an den Abgrund führen. Ausflüge in philosophische und ähnliche Gedankenwelten finden sich beim Durchlesen der Lyrics indes genug, und hier wären wir bei der zweiten Auffälligkeit: Die CD wirkt insgesamt düsterer als der Vorgänger "Madness", sowohl in der optischen Gestaltung (der Abteilungsleiter der apokalyptischen Reiter auf dem Backcover deutet schon die Richtung an) als auch phasenweise von der Melodik her, was wiederum mit den lyrischen Inhalten korrespondiert. "The Last Millennium" macht den Eindruck eines Konzeptalbums über einen salopp gesagt bösen Menschen, der tatkräftig an allerlei Schlechtigkeiten auf der Welt mitwirkt, letztlich allerdings für seine Untaten bezahlen muß und im Purgatorium landet, wo allerdings keine heiße Party auf ihn wartet, wie uns das gewisse Leute immer wieder weismachen wollen, sondern eine ewige Leere und Einsamkeit, somit "The Highest Price" bezahlt werden muß, obwohl es im Verlaufe der Zeit (bzw. der Songs) durchaus Chancen zur positiven Umkehr gegeben hätte (höre "Nighttrain Of Death" und "Father Forgive Me"). Allein aufgrund dieser Handlung könnte jeder katholische Religionslehrer das Album problemlos im Unterricht einsetzen, muß aber aufpassen, daß die Wirkung nicht ins Gegenteil umschlägt, denn das handelnde Ich könnte völlig problemlos auch ein Kirchenoberer der Vergangenheit oder Gegenwart sein, und daß sich von denen nicht alle mit Ruhm bekleckert haben, steht ja außer Frage. Aber zurück zum Album: Zum konsequenten Auswalzen eines solchen Konzeptes braucht man etwas Zeit, und so manifestiert sich die nächste Auffälligkeit darin, daß die neun regulären Songs (und auch das Intro, das der Platte den Namen verlieh) durchschnittlich eine gute Minute länger dauern als die auf "Madness". Eine Coverversion haben sich Chinchilla ebenfalls wieder in den Bau geholt - beim Blick in die Trackliste kämen allerdings spontan gleich drei Songs in Frage, und bei einer konsequenten Weiterführung der Linie von "Madness" (dort ging's "I Stole Your Love" von Kiss an den Kragen) würde mancher auf "War Machine" tippen, liegt damit aber ebenso falsch wie derjenige, der angesichts "After The War" Gary Moore herbeizitiert, mit welchem wir der Lösung aber schon sehr nahe gekommen sind, denn Moores alter Kumpan Phil Lynott hatte justament in meinem Geburtsjahr mit Thin Lizzy eine Platte namens "Jailbreak" herausgebracht, auf der ein Alltimeklassiker namens "The Boys Are Back In Town" vertreten war, und exakt diesen haben sich Udo Gerstenmayer und seine Mannschaft diesmal vorgenommen, ihn im Chinchilla-Stil nachgespielt, ohne ihn zu zerstören, und selbst die zweistimmigen Leads des legendären Duos Gorham/Robertson nachempfunden, was lediglich bei einer eventuellen livehaftigen Umsetzung zum spieltechnischen Problem avancieren würde, da Udo Gerstenmayer nach wie vor als einziger Gitarrist fungiert. Gemäß dem Goetheschen Motto "Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los" (höre dazu für die negative Ausprägung "The Demons We Call") hat sich musikalisch bis auf die erwähnte leicht düsterere Grundstimmung in den neuen Songs aber nichts Grundlegendes verändert, in der positiven Deutungsvariante der Geist des melodischen Power Metal mit konsequenter Keyboarduntermalung und eingängig-hymnischen Refrains nicht hinweggehoben, womit Chinchilla weiterhin als perfekte Ersatzdroge für alle durchgehen, denen Grave Digger ein wenig zu rauh, Edguy aber zu poliert zu Werke gehen. Mit dem eigentümlichen blechbläserartigen Keyboardsound haben Chinchilla ein weiteres, gar ein richtig originelles Element konserviert - ich habe auch in der Zwischenzeit kein weiteres Exempel für seinen Einsatz zu hören bekommen; auf "The Last Millennium" taucht es in "War Machine" in allerdings nicht ganz reiner Form wieder auf. Schlußendlich habe ich auch an der gleichzeitig sauberen und druckvollen Produktion nichts auszusetzen, so daß mir der abschließende Slogan "Support your local scene" leicht aus der Tastatur fällt.
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