www.Crossover-agm.de CATHARSIS: Indigo
von rls

CATHARSIS: Indigo   (Irond Records)

"Swetlij Album", der 2010er Albumvorgänger, hat im Gegensatz zur vorgelagerten "Inoi"-EP bisher noch nicht den Weg in die heiligen Hallen des Rezensenten gefunden, beim aktuellen 2014er Album "Indigo" ist es nun umgekehrt - selbiges läuft hier gerade während des Reviewschreibens, aber Vergleiche mit der bereits Anfang 2013 erschienenen Vorab-EP "Ostrowa Wo Snje" sind mangels deren Besitzes bisher nur in der Theorie möglich. Kurioserweise dauert die EP mit 60 Minuten fast anderthalbmal so lange wie das Studioalbum, aber das liegt daran, daß den zweieinhalb EP-Studiotracks noch ein ganzer Schwung Liveaufnahmen beigefügt wurde. "Nje Sarekaisja", der eine der Studiotracks, steht in einer um fünf Sekunden längeren Version auch auf dem Album, während man den EP-Titeltrack in einer orchestrierten Fassung aufs Album gepackt hat. EP-exklusiv bleiben somit nur der "halbe" Track "Polyxena", ein relativ kurzes Instrumentalstück, sowie die Liveaufnahmen, was mit der reichlichen Stunde Gesamtspielzeit freilich immer noch einen beträchtlichen Gegenwert fürs Geld ergibt, wenn man die auch optisch ansprechende Scheibe denn noch irgendwo erwischen sollte - sie ist nämlich auf 500 Exemplare limitiert, und da der Release mittlerweile fast zwei Jahre zurückliegt, könnte die Beschaffung schon Schwierigkeiten bereiten ...
Konzentrieren wir uns also aufs justament erschienene "Indigo"-Album, von dem es noch ausreichende Stückzahlen zu kaufen geben sollte. Ein erster Durchlauf genügt hier bereits, um erstens festzustellen, daß Catharsis keinen Deut von ihrem typischen neoklassischen Metal-Kurs abgewichen sind, und zweitens zu ahnen, daß den Russen hier wieder ein Meisterwerk geglückt ist, das sich zweifellos unter den stärksten Scheiben des Jahrgangs 2014 einreihen wird. Gewiß, die ganz ergreifende Entrücktheit von "Dea" erreichen sie heutzutage nicht mehr, aber sie haben reichlich andere Qualitäten. Schon das dramatische Intro "Indigo Theme" führt den Hörer perfekt in den Kosmos der 41:41 Minuten Musik ein, bevor mit "Ostaw Nasche Njebo" gleich der erste Hit folgt: enorm eingängiger, aber nie flacher Melodic Metal, gekonnt arrangiert, spielfreudig und gekrönt von Oleg Schiljakows typischem, leicht nasalem, aber nie nervigem Gesang. "Gonki Sa Metschtoi" schraubt das Tempo ins Speedlager hoch und bläst mit ansteckender Frische alles weg, was sich ihm in den Weg stellt, bleibt mit dieser Geschwindigkeit allerdings eine Ausnahme auf "Indigo". Pure Speedbolzer waren Catharsis im Gegensatz zu diversen Stilkollegen freilich noch nie, was der Hörer wahlweise als Vor- wie Nachteil empfinden kann: Sie beweisen immer wieder, daß sie mitreißende Speedsongs schreiben können, und sie wären problemlos auch in der Lage, mehr davon auf einem Album unterzubringen - aber sie wollen das eben offenbar nicht, und solange sie statt dessen Midtempo-Hits wie das folgende "Nje Sarekaisja" fabrizieren, soll zumindest dem Rezensenten das mehr als recht sein. Wie auf der EP folgt auch auf dem Album "Ostrowa Wo Snje", hier also mit Hintergrundorchester, aber die Flöte Oleg Mischins hat sicher auch in der EP-Version nicht gefehlt und drückt dieser Halbballade anfangs deutlich ihren Stempel auf, während der harte Teil zumindest nach den bisherigen Durchläufen nicht restlos überzeugen kann, da er ein wenig zu beliebig geraten ist. Daß solch ein Song bei Hunderten anderen Bands trotzdem ein reizvolles Glanzlicht abgeben würde, steht natürlich außer Frage, und die Moskowiter wetzen die kleine Scharte zudem mit "Sparta (Son Is Proschlowo)" gleich wieder aus - Mischin flötet diesmal sogar zentral im Hauptthema, und die im treibenden Midtempo galoppierenden Drums von Anatoli Lewitin machen auch diesen Song förmlich unwiderstehlich. Lewitin ist übrigens mittlerweile festes Bandmitglied - für die EP führt ihn die Encyclopedia Metallum noch als Gastmusiker, ansonsten hat sich die Besetzung nicht verändert und ist damit in den vier Hauptpositionen Gesang, zwei Gitarren und Keyboard schon weit über eine Dekade stabil, was offenbar blindes Verständnis unter den Beteiligten erzeugt und ein enorm schnelles Arbeitstempo ermöglicht hat: Erst im August 2014 wurden die Drums eingespielt, im September und Oktober dann die restlichen Instrumente und der Gesang aufgenommen, Mix und Mastering (wieder von Jewgeni Winogradow im Daij-Studio) erledigt - und Anfang November ist die CD bereits erschienen! Keine Ahnung, wieso die Band derart auf die Tube gedrückt hat - aber immerhin liegt der Release der Vorab-EP schon geraume Zeit zurück, so daß es in der Tat Zeit wurde, daß auch das Hauptwerk fertiggestellt wird. Selbiges setzt sich fort mit "Ditja Schtormow", einem eher unauffälligen Midtempotrack, der aber mit einem überraschenden Break doch noch spannend wird: Weiblichen Gastgesang ist man von Catharsis an der Leadfront nicht gewöhnt (Keyboarderin Julia "Red" Jegorowa singt nur Backings), aber hier greift Juliana Sawtschenko ins Geschehen ein und gibt dem Song eine unerwartete, aber interessante Wendung. Von Anfang an weiß dagegen "Nasch Rok" zu überzeugen, wieder einer dieser unwiderstehlichen Tracks im vorwärtsdrängenden Midtempo, der zudem einen Live-Mitshout-Teil vorangelegt hat, in dem die Band von einem "Chor der Aktionäre" unterstützt wird. "Schiwuschtschij Po Solnzu" gerät dann etwas entspannter und zeigt Julias Neigung für typische Achtziger-Synthie-Sounds, sowohl in den Hauptteilen als auch im zum Gastgitarrensolo von Wladimir Lizow hinführenden Instrumentalpart - vielleicht spielt hier aber auch Gastkeyboarder Alexander Dronow, den der Rußland-Metal-Experte u.a. noch von Valkyria kennt. Noch "schmalziger" ist der halbballadeske Albumcloser "Doroga Grjos" - aber auch er fällt wieder so ergreifend aus, daß man den Moskowitern darob keineswegs böse sein kann, sondern im Gegenteil davon überzeugt ist, hier ein weiteres Highlight vor sich zu haben, das zudem mit einem interessanten Vokalduett Schiljakows mit Sergej Abramow (letztgenannter Mann gehört schnellstens ans Mikrofon einer starken Epic-Metal-Kapelle gestellt, falls er nicht schon längst ein solches bekleidet!) punkten kann und "Indigo" auf dem schwindelerregend hohen Niveau abschließt, für das man Catharsis kennt und liebt. Auch wenn sich einige "nur" gute Passagen eingeschlichen haben, bleibt dieses Album Pflicht für jeden qualitätsbewußten Freund neoklassischen Metals.
Kontakt: www.catharsis.ru, www.irond.ru

Tracklist:
Indigo Theme
Ostaw Nasche Njebo
Gonki Sa Metschtoi
Nja Sarekaisja
Ostrowa Wo Snje
Sparta (Son Is Proschlowo)
Ditja Schtormow
Nasch Rok
Schiwuschtschij Na Solnze
Doroga Grjos
 




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