AIMING HIGH: Geraldine, The Witch von rls (Karthago Records)
Das hier ist nicht etwa die von Georg vor Urzeiten mal rezensierte japanische Formation Aiming High, sondern eine deutsche Band, die sich gleichfalls nach dem Accept-Song auf der "Russian Roulette"-Scheibe benannt hat, und zwar schon relativ zeitnah nach deren Erscheinen, nämlich 1988 (und damit ein Jahr eher als die Japaner), als mit dem Einstieg von Sänger Häppl Barthel in das Trio aus Gitarrist Michael Schmackler, Bassist Thomas Lerch und Drummer Charly Barth ein leistungsfähiges Quartett beisammen war, das sich in den etwa drei Jahren seiner Bandexistenz einen exzellenten Ruf in München und Umgebung erspielte, aber sich überregional nicht etablieren konnte und wie so viele ähnliche traditionsmetallisch orientierte Bands in den Frühneunzigern aufgrund von Perspektivlosigkeit im allgemein ausgebrochenen Grunge-Wahn seine Aktivitäten einstellte. Dabei hätten Aiming High unter günstigeren strukturellen Bedingungen durchaus das Zeug zu größerer Popularität gehabt, wie man nun anhand des Re-Releases ihres 1989 erschienen einzigen Albums "Geraldine, The Witch" in der HM-Classics-Serie des Karthago-Labels feststellen kann. Aiming High setzten sich in der Tat hohe Ziele, in ihrem Fall die Verquickung des melodischen Talents einer Band wie Bonfire mit einer gewissen Dosis metallischer Härte, wie sie den Ingolstädtern zu dieser Zeit bereits mehr oder weniger abhanden gekommen war - oder auch nie vorhanden gewesen war: Speedknaller wie den eröffnenden Titeltrack hatten Bonfire niemals im Gepäck, wobei in diesem Falle allerdings auch die deutschlandweite Konkurrenz alt ausgesehen hätte, wenn sie denn Kenntnis genommen hätte. Mitreißende Melodic-Speed-Kompositionen dieser Qualität mußte man damals durchaus mit der Lupe suchen. Der Gerechtigkeit halber bleibt allerdings festzustellen, daß diese Perle auch im Schaffen Aiming Highs selbst eine Ausnahmeerscheinung darstellt und sich der Rest der insgesamt elf Tracks auf der CD eher in traditionellen Melodic-Rock-Gefilden mit nur gelegentlicher Metalkante bewegt, wobei allerdings vor allem Häppls exzellente und auch in den allerhöchsten Lagen immer noch urwüchsige Kraft verratende Stimme (man höre das leider irgendwie unmotiviert endende "Give Us A Chance"!) dafür sorgt, daß auch die ausgefeilten Vokalarrangements (meist mit Thomas als Backingsänger) trotz einschmeichelnder Melodik nie ins süßliche Fach abgleiten. Das bedeutet freilich nicht, daß Aiming High nichts fürs Herz im Programm gehabt hätten: "Empty Eyes" entpuppt sich als hübsche Ballade mit viel Gefühl, aber ohne Schnulzigkeit. "Skol" wiederum läßt im Hauptsolo ganz leichte Blueseinflüsse erkennen und zeigt, daß Aiming High durchaus über den eigenen Tellerrand schauen konnten, ohne ihren Sound aber irgendwie zu verwässern - auch kurze verschleppte Drumeinwürfe von Charly in der Hinführung zum Hauptsolo von "Get Ready" sollten nicht als Zeichen einer schleichenden Modernisierung gewertet werden: "Modern" dagegen ist das Klanggewand - jedenfalls so modern, wie man das in den Endachtzigern verstand: Die Drums im eröffnenden Titeltrack besitzen diesen etwas künstlichen Touch, wie man ihn auch von anderen Produktionen der noch wesentlich uneingeschränkter technik- und fortschrittsgläubigen Achtziger kennt, und da "Geraldine, The Witch" gleich mit einem Drumsolo beginnt, wird der Hörer förmlich auf diesen Aspekt gestoßen, wobei sich dieser Eindruck mit dem Einsetzen der anderen Instrumente und dann vor allem in den nicht so schnellen Songs etwas relativiert und zudem der Gewöhnungseffekt deutlich schneller eintritt als etwa bei mißglückten aktuellen Produktionen wie z.B. Project Terrors "Conquistador".
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