www.Crossover-agm.de ADRIAN: One Step Into The Uncertain
von rls

ADRIAN: One Step Into The Uncertain   (Karthago Records)

Wer die britische Band Battleaxe allein aufgrund des Coverartworks für ihre Debütscheibe "Burn This Town" ins Herz geschlossen hat, der dürfte auch das Frontbild von Adrians Albumeinzling "One Step Into The Uncertain" zu schätzen wissen. Ein wie in die Szenerie hineinkopiert wirkender und räumlich irgendwie gar nicht zum Bildrest passender Metaller mit Bluejeans, Turnschuhen, neutralem schwarzem T-Shirt, offenkundig blondiertem Haupthaar und einer Pistole in der Hand (nix Schwert oder Kriegshammer) steht unschlüssig da, während sich von hinten eine Art Kreuzung aus Spinne und Hydra nähert, die den Metaller offensichtlich an ihren Nachwuchs zu verfüttern gedenkt, der, wie man bei näherer Betrachtung feststellt, gerade aus dem grünlichen Gegenstand, das also, wie man nunmehr erkennt, offensichtlich ein Gelege darstellen soll, schlüpft, zu verfüttern gedenkt. Das Ganze ist zeichnerisch so aberwitzig umgesetzt worden, wie das Motiv als klischeehaft einzusortieren ist - wer das als Qualitätsmerkmal begreift, hat die Chance, zum Coverzeichner Kontakt aufzunehmen, denn seine Adresse ist im Booklet vermerkt. Einziges mögliches Problem: Vielleicht stimmt die Adresse nicht mehr, denn "One Step Into The Uncertain" stammt aus dem Jahr 1987 und liegt, nachdem die originale LP eine Zeitlang noch recht günstig zu bekommen war, aber mittlerweile längst vom Markt verschwunden ist, nunmehr als Re-Release in der "Heavy Metal Classics"-Serie des Karthago-Labels vor, ausgestattet mit einer Einleitung von Stefan Riermaier, allen Songtexten des originalen Albums und einem Reprint des Backcovers der LP, woselbst sich dann die erwähnte Adresse des Coverzeichners befindet.
Während der künstlerischen Betrachtungen ist die CD schon zu einem gewissen Teil durchgelaufen - aber auch wenn man sie von Anfang an mit gleichbleibender Aufmerksamkeit hört, bleibt das Urteil im wesentlichen identisch. Adrian spielten melodischen Speed Metal und standen damit 1987 rein stilistisch noch nicht so weit im Abseits, daß sie, hätten sie es geschafft, einen vernünftigen Plattenvertrag zu ergattern, nicht die Chance auf ein größeres Following gehabt hätten - im Gegenteil: Sie versahen ihre Songs mit interessanten Breaks und Tempowechseln und schielten damit ein ganz kleines Stück in Richtung dessen, was man später Progressive Metal nennen sollte. Und ein Song wie "Never Again" hätte bedenkenlos auch auf dem Blind-Guardian-Debütalbum stehen können, ohne negativ aufzufallen, wobei die Krefelder aber die zündenderen Melodien zu bieten hatten - was Leadgitarrist/Hauptkomponist Haye Graf und seine Mitstreiter in den sieben Songs (plus "Prelude" für die B-Seite) auffuhren, hatte melodischerseits immer einen gewissen abweisend-kalten Gestus, wie man ihn später auch bei Fates Warning (ab "No Exit") oder Crimson Glory finden konnte (man höre mal den Midtempoteil in "South Africa" ab Minute 2!), und sonderlich eingängig waren die Melodiebögen auch nicht gehalten, so daß es kaum eingängige Refrains zu finden gibt, vielleicht mit Ausnahme von "Love Dies In A Painful Way". Und hier und da wollten Adrian offensichtlich auch kompositorisch zuviel - warum sich dem Speedbrecher "Never Again" noch ein unmotiviert wirkender Midtempo-Ausklang anschließt, weiß wohl nur Graf allein. Apropos Midtempo: "The King Is Born Again" und außerhalb des Refrains auch "Love Dies In A Painful Way" demonstrieren, daß die Stärken Adrians klar nicht in diesem Sektor lagen, sondern der Speed ihnen deutlich besser lag und die begeisternde Geschwindigkeit zudem auch half, über die eine oder andere songwriterische Merkwürdigkeit und auch die limitierte Stimme von Sänger Oliver Wende hinwegzusehen. Sicher, Wende ist kein schlechter Sänger, aber eben auch kein großer, und eines solchen hätte es bedurft, wenn Adrian auf Basis dieses Debütalbums weiter nach oben hätten klettern wollen. Mit Marcus Böhringer ist auch ein fester Keyboarder in der Besetzung (da Wende noch Gitarre spielt, ergibt sich die 1987 noch seltene Besetzung mit zwei Gitarristen plus Keyboarder), aber der setzt eher selten Akzente. In den verharrenden Breaks von "South Africa" freilich ist er für die Atmosphäreerzeugung ebenso unentbehrlich wie in der Halbballade "Dreamer" (kein Europe-Cover!), auch der Hymnenfaktor des Refrains von "Love Dies In A Painful Way" wird durch ihn maßgeblich befördert, aber ansonsten liegt die instrumentale Dominanz klar bei den Gitarren. Leider konnte für den Re-Release offenbar nur eine mangelhafte Vorlage aufgetrieben werden; gerade bei "Never Again" schwanken Klangbild und Lautstärke doch hier und da ziemlich, so als ob das Mastertape geleiert hätte - da konnte auch das Remastering nichts mehr herausholen. So bleibt ein in gewisser Hinsicht merkwürdiger Eindruck zurück: Die Musik von "One Step Into The Uncertain" könnte heute, da man im Metal eher unzugängliche Melodik längst nicht mehr als grundsätzliches Problem begreift, höher punkten als in den Achtzigern, aber ob der Re-Release genau die Zielgruppe erreicht, bleibt unsicher. Immerhin hätten auch Adrian ihre Zukunft eher im Progmetal gesehen, schließt man aus dem über achtminütigen Bonustrack "Rainbow Warrior": 1988 geschrieben, wurde er erst 2012 eingespielt (wo und in welcher Besetzung, verrät das Booklet nicht - lediglich Wendes Gesang glaubt man identifizieren zu können und ist erstaunt, daß er gar nicht so sehr viel "älter" klingt als ein Vierteljahrhundert zuvor), und er führt die Linie des relativ komplexen Teils des Materials weiter und gehört definitiv zum Stärksten, was die Nordniedersachsen kompositorisch jemals erdacht haben, während auf dem regulären Album die Speedies "The White Death" und eben "Never Again" am meisten zu überzeugen wissen. Aber mit dieser gewissen Unzugänglichkeit muß man auch in "Rainbow Warrior" zurechtkommen, was sich am langen Gitarrensolo ab Minute 5 festmachen läßt: Das hätte man "schön" gestalten können, aber genau das wollten (oder konnten?) Adrian eben nicht, und so bleibt man interessiert, aber unberührt zurück, was in gewisser Weise auch für die gesamte reichliche Dreiviertelstunde Musik zutrifft. Notiz am Rande: An erster Stelle der Thankslist stehen bei den Bands Torchure - sollte es sich dabei wirklich um die niedersächsischen Landsleute handeln, die später die Death und Doom Metal vereinenden Alben "Beyond The Veil" (1992) und "The Essence" (1993) veröffentlichten, aber 1987 noch ganz am Anfang gestanden haben müssen?
Kontakt: www.karthagorecords.de

Tracklist:
Reach The Sun
The King Is Born Again
Love Dies In A Painful Way
The White Death
Prelude
Never Again
South Africa
Dreamer
Rainbow Warrior
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver