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Mark Allan Powell: Encyclopedia Of Contemporary Christian Music
von tk anno 2003

Mark Allan Powell: Encyclopedia Of Contemporary Christian Music

Was für ein monumentales Nachschlagewerk, was für eine Fülle an Informationen!
Mit dieser Enzyklopädie dürfte sich der Autor Mark Allan Powell, Professor für Neues Testament (!) am Trinity Lutheran Seminary in Columbus/Ohio, sein Lebenswerk geschaffen haben. Über 1900 Musiker und Bands aller Sparten aus über 40 Jahren christlicher Musikgeschichte werden hier, alphabetisch sortiert, auf über 1000 Seiten würdigend vorgestellt. Da macht es richtig Spaß, sich einmal diese Schwarte zu schnappen, für einen Abend mit einem guten Tropfen ins heimische Wohnzimmer abzutauchen und sich auf eine Reise durch die Welt christlicher Musik zu begeben.
Der Journalist und Theologe Powell zieht im Prolog seiner Enzyklopädie persönlich Resümee, wie stark ihn die christliche Musik in seiner theologischen Beurteilungsfähigkeit geprägt hat, obwohl er sich selber eingesteht, kein Experte auf dem Gebiet der christlichen Musik zu sein: "I write as an outsider, with whatever benefits and deficits that brings. I don't actually know any of the people mentioned in this book. I am not part of the contemporary Christian music academy in any explicit way." (S. 8)
Bevor der eigentliche Lexikonteil beginnt, gibt der Autor eine ausführliche, aber dennoch kompakte Einführung in das Gebiet der Comtemporary Christian Music, die er auf die Jesus Music der 60er und 70er Jahre zurückführt, in denen Künstler wie Andraé Crouch, Phil Keaggy, Barry McGuire und Larry Norman ihre Blütezeit feierten. In einem übersichtlich gegliederten Abschnitt bespricht Powell die musikalischen Epochen und verweist ergänzend auf die charakterlichen Merkmale sowie stilistischen Veränderungen, die es in über 40 Jahren christlicher Musikgeschichte gegeben hat. Letztlich kann er sich zu folgender Definition durchringen: "Contemporary Christian music is music that appeals to self-identified fans of contemporary Christian music on account of a perceived connection to what they regard as Christanity." (S. 13)
Der Autor, der für die Recherchen zu seinem Werk extra ein Sabbatjahr einlegte, speist seinen Informationsertrag aus einer Fülle an Print- und Onlinemedien, die er - mit Internetadressen versehen - ebenfalls in seiner Introduction aufgeführt hat. Es finden sich allerdings ausnahmslos Quellen US-amerikanischer Herkunft, so daß sich zwangsläufig ein fader Beigeschmack einstellt, fehlen doch in seinem Lexikonteil ein Großteil wichtiger historischer Musiker und Bands aus Europa, inbesondere Deutschlands, die die christliche Musikszene in den 70er und 80er Jahren entscheidend mitgeprägt haben (mindestens Manfred Siebald und die deutsche Rocklegende Semaja hätten eine Würdigung verdient). Immerhin verweist Powell auf zwei Internet-Ressourcen, die er quasi als Parallel-Update zu seinem "historisch abgeschlossenen" Referenzwerk empfiehlt: www.truetunes.com und www.tollbooth.org sowie das renommierte CCM-Magazine: www.ccmmagazine.com
Unter "Key to the Entries" erläutert er die im Lexikonteil verwendeten Einzelbausteine seiner Künstlerbeschreibung:
· Name (Artist, Künstler, Band)
· Personnel (Bandmembers, Line-Up)
· Discography ("significant recordings")
· Website
· Essay (biographische Details unter Berücksichtigung rezensorischer und theologischer Reflektionen)
· Chart Hits (Chart-Platzierungen)
· Awards (besondere Auszeichnungen, z.B. Dove Award, Grammy)

Soviel zur Form, ich komme nun zur Bewertung des inhaltlichen und somit lexikalischen Gehaltes. Natürlich neige ich als Hard 'N Heavy-Liebhaber erst einmal dazu, generell nach Künstlern dieser Musiksparte zu forschen, bevor ich mich Musikern und Bands anderer Genres zuwende. Es würde aber gänzlich den Rahmen einer solchen Besprechung sprengen, noch einmal genre-differenzierend zu beurteilen und dann zu bündeln, insofern bitte ich um Nachsicht, wenn ich mich auf einige wenige Beobachtungen, vorzugsweise Rock- und Metalbands betreffend, beschränke. Es erstaunt schon, daß Powell Bands und Künstler in sein Repertoire aufnimmt, die man gemeinhin nicht in die christliche Musikecke stellen würde, obwohl sie durchaus spirituelle und christlich angehauchte (Powell bezeichnet dies als "flirtation with Christianity") Themen in ihren Songs verarbeitet haben. Dazu gehören *horch, horch* Elvis Presley, Kansas, Foreigner oder Van Halen. Die Nennung der amerikanischen Trendrocker Creed, die Powell in Folge von Unkenntnis über die gleichnamige deutsche Metallegende hier bevorzugt und sie deutlich als nicht-christlich tituliert, verwundert aber doch schon. Ferner fällt auf, daß Powell sehr unzureichende Kenntnis über christliche Metalbands besitzt. Da baut er beispielsweise die Hardcore/Thrash-Legende Martyr so geschickt in die Speed'n Thrash-Institution Betrayal ein, daß man den Eindruck bekommt, es handele sich um ein und dieselbe Band. Ebensolches Phänomen tritt dann noch einmal bei X-Sinner und Zion zu Tage, was wohl darauf zurückzuführen ist, daß Zion-Sänger Rex Scott nach Verlassen seiner ersten Band X-Sinners Zweitwerk "Peace Treaty" eingesungen hat, und Powell dies zum Anlaß nahm, beide Bands unter X-Sinner zusammen zu fassen. Besonders ernüchternd fällt sein Beitrag über die kalifornischen Powermetal-Heroes Recon aus. Powell sah sich hier gar außer Stande, das Line-Up der ersten und einzigen CD-Veröffentlichung zu benennen und tauft den Albumtitel "Behind Enemy Lines" auch noch gleich in "Beyond ..." um. Kleine auffällige Schnitzer, die aber eine große Wirkung erzielen. Immerhin finden unser aller Lieblinge Stryper eine breite und angemessene Würdigung, selbst wenn ich die Band nicht wie Powell als "the ultimate crossover metal band" bezeichnen würde, habe ich es bisher immer noch nicht geschafft, eine Stryper-Platte für CrossOver rezensorisch aufzuarbeiten. :-) (Welche auch? So neu, wie die alle sind ... - Anm. rls) Auch den wichtigsten christlichen Bands der 90er, wie beispielsweise Saviour Machine und Tourniquet, wendet sich Powell in aller Ausführlichkeit zu und unterstreicht damit, daß er durchaus das Ziel verfolgt, hohen Informationsgehalt mit dem Anspruch auf detailgenaue Hintergrundfakten zu verbinden. Darüber hinaus dürfte es wohl keinen amerikanischen Musiker außer Larry Norman geben, über den man locker eben mal achteinhalb Seiten an Informationen zusammentragen kann. Insofern verwundert es auch nicht, daß dem "Grandfather of Jesus Rock" in dieser Enzyklopädie annähernd der meiste Platz eingeräumt wird. Trotz der schon benannten Klopse - die ich auch nur exemplarisch herausgepickt habe - muß ich Powell zugute halten, daß er mit viel Liebe und Sorgfalt recherchiert hat und jede Menge Beachtung und Bewunderung für diese Meisterleistung verdient hat.
In einem abschließenden fünfseitigen glossary versucht Powell eine zielgenaue Unterscheidung zwischen den stilistischen Elementen der Musik definitorisch zu formulieren, was ihm mal mehr, mal weniger gelingt. Daß er mit der Variante "Alternative"/"Grunge" a priori Innovation verbindet, bleibt denn auch ein ewiges Geheimnis des Neutestamentlers aus Ohio. Immerhin unterscheidet er sorgsam zwischen AOR, Arena Rock, Art-Rock und Southern Rock, so daß man ihm als musikalischen Laien durchaus unterstellen kann, die stilistische Vielfalt mit all ihren Einfärbungen wohlwissend, nicht nur dem Gehör nach, unterscheiden zu können.
Zu guter Letzt gibt es im Anhang unter "Entries" eine Auflistung aller im Lexikon verhandelten Künstler in alphabetischer Reihenfolge, so daß man nicht lange blättern muß, um einen gesuchten Künstler oder eine gesuchte Band ausfindig zu machen.
Ferner ist dem Werk auch noch eine CD-Rom beigelegt, auf der sich die gesamte Enzyklopädie im Acrobat Reader-Format befindet, welche auf dem heimischen PC installiert werden kann.

Fazit: Ein außergewöhnliches wie einmaliges Werk, das sich trotz einiger Schwächen in der inhaltlichen Darstellung nicht nur vorzüglich zum Nachschlagen, sondern auch gleichermaßen zum Studieren wie Schmökern eignet. Für Freunde christlicher Musik empfehlenswert; für Musiker und Musikjournalisten ein unverzichtbares Muß!

Kontaktadresse des Autors:
Mark Allan Powell
Trinity Lutheran Seminary
2199 E. Main Street
Columbus, OH 43209-2334
USA
e-mail: mapowell@trinitylutheranseminary.edu

Mark Allan Powell: Endyclopedia Of Comtemporary Christian Music. Hendrickson Publishers, Peabody, Massachusetts. 1. Auflage 2002. 1090 Seiten. ISBN 1-56563-679-1. Erhältlich über die Stephans-Buchhandlung, EUR 34,95




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