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Winterstorm, Evertale 28.05.2016 Markneukirchen, Framus & Warwick Hall
von rls
Zweimal Metalunderground gibt's an diesem Abend in Markneukirchen - aber die lokalen Metalundergroundanhänger glänzen überwiegend durch Abwesenheit, und so erreicht die Anwesendenzahl in der gemütlichen kleinen Halle die Halbhundertmarke nicht. Trotzdem sorgt das Häuflein für gehörig Stimmung und versetzt auch die Bands in überwiegend prima Laune. Den Auftakt bilden Evertale aus dem äußersten Südwesten der Republik, die beim Rezensenten zunächst für ein Deja-vu sorgen: Just vor Aufbruch zum Konzert hat er eine DVD mit Ausschnitten des Gigs von Seventh Avenue bei der letzten Lord'sParty anno 2008 im wenige Kilometer weiter westlich gelegenenen Adorf gesehen - und nun musiziert da eine Band, die man mit geschlossenen Augen phasenweise fast für Seventh Avenue halten könnte, jedenfalls dann, wenn sie aufs Tempo drücken und richtig hochklassiger melodischer Speed Metal herauskommt. Gut, die Süddeutschen sind sozusagen näher an Italien dran als die Niedersachsen, und folgerichtig mixen sie auch noch einen Deut Italometal mit ein, agieren ein wenig breaklastiger und progressiver als SA, und Sänger Matthias läßt sich vor allem in den tieferen Lagen auch problemlos von Herbie Langhans unterscheiden - aber die Ähnlichkeiten sind groß genug, daß der Anhänger der einen Band keine Probleme haben wird, auch die andere zu lieben. Und wenn Evertale wie im an zweiter Position gespielten "The Dragon's Lair" Dampf machen und zaubern, dann hat man das Gefühl, sie überholen die ebenfalls vergleichbaren Orden Ogan quasi aus dem Stand, während der ebenfalls anwesende Kollege Mario sich an frühe Blind Guardian (passenderweise kommt dann in der Umbaupause auch gleich "Valhalla" als erste Nummer aus der Konserve), Rhapsody zu "Emerald Sword"-Zeiten und Ensiferum erinnert fühlt. Daß sie auch in der gegenläufigen Temporichtung Erstklassiges leisten können, zeigt das viertplazierte "Tale Of The Everman": Nach einem Akustikgitarrenintro (vom Band) entwickelt sich Quasi-Doom oder sehr schleppender Power Metal, der allerdings durch ein mitreißendes Speedsolo gekrönt wird, das mit einem blitzsauberen Quasi-A-Cappella-Satzgesang eingeleitet worden ist. Leadsänger Matthias weiß hier mit dem anderen Matthias (Leadgitarre) und Marco (Baß) zwei weitere Könner neben sich, und diese Möglichkeiten nutzen Evertale dann auch konsequent, wobei Marco auch blitzartig von Growls zu Klargesang umschaltet (erstgenannte dienen in einigen Songs zur weiteren Dramatisierung). Nur schade, daß erstens der Soundmensch ab Song 5, "As Tarsis Falls", die Lautstärke hochjagt und damit vor allem die Gitarrenarbeit verunklärt, zweitens die Band aber mit besagtem Song und den folgenden "Brothers In War (Forever Damned)" und "The Crownguard's Quest" drei ziemlich komplexe und midtempolastige Nummern aneinanderreiht, die etwas die Dramaturgie verpuffen lassen. An ihren pädagogischen Qualitäten müssen die Musiker auch noch feilen: Wenn man einem Publikum, das bis auf einen Menschen noch gar nicht mit dem Material vertrau ist, schon nicht ganz unkompliziert strukturierte Vierzeiler beibringen will, sollte man erstens vernünftige Einsätze geben, damit alle zur gleichen Zeit beginnen und kein fürchterliches Kauderwelsch entsteht, und zweitens nicht gleich nach einem Durchgang die Flinte ins Korn werfen. Wenigstens packen Evertale zum Schluß noch "Firestorm" aus, das sich zum Glück nicht als Rage-Cover entpuppt, sondern nochmal den feinen Komplexspeed bietet, der die wohl größte Stärke der Band markiert und einen exzellenten Abschluß eines insgesamt recht starken, aber noch Steigerungspotential bereithaltenden Gigs hergibt.
Winterstorm spielen keinen grimmigen Black Metal, wie man anhand ihres Bandnamens vermuten könnte, sondern eine originelle Sorte Power Metal mit starken Folkeinflüssen. Diese Beschreibung liest sich schon mal unterhaltsam, und das findet seine Bestätigung im Gig dann auch. Schon die beiden Opener "Kings Will Fall" (flott) und "The Stormsons" (Midtempo) markieren zwei Eckpunkte des Schaffens der Franken, ohne damit aber ein Korsett darzustellen, wie sich später noch herausstellen wird. Erstes Anzeichen dafür ist bereits das drittplazierte "Windkeepers", welches das Tempo des Openers noch einen Deut weiter in den Speed Metal verschiebt und von einem Solo auf einer Art Triola, die allerdings mit einem Schlauch angeblasen wird, gekrönt wird. Auch in den langsameren Nummern herrscht generell eine Art Partystimmung, auf der Bühne ist trotz wenig Platz viel Bewegung, und hätte der Sänger es nicht angesagt, es wäre niemandem aufgefallen, daß der zweite Gitarrist und der Drummer neu an Bord und eigentlich noch nicht wirklich eingespielt sind - sie machen auf den außenstehenden Betrachter, der die Band an diesem Abend zum ersten Mal live erlebt, einen souveränen Eindruck, und gerade der Gitarrist ist nicht nur bereits an den Leads beteiligt, sondern fügt sich auch prima in die Riege der Backingsänger ein, die alle drei Saitenspieler umfaßt und eine wirkungsvolle Flankierung für den Leadgesang abgibt, der geschickt zwischen angerauhten Passagen und epischem Klargesang changiert, durchaus auch innerhalb einer Nummer, wie etwa "A Wizzard's War" verdeutlicht. Winterstorm machen auch nicht vor Humppa-Einflüssen halt, ohne die zugehörige Nummer "Winterhumppa" aber in den Klamauk abgleiten zu lassen, wenngleich das gut gelaunte Publikum es sich nicht nehmen läßt, zum Schifferklavier-Intro ausgiebig zu schunkeln. Nur ein Wermutstropfen fällt in die Bierflasche: Während "Metalavial" bekommt sich eine kleine Publikumsgruppe aus einem eher nichtigen Anlaß in die Haare, so daß die Band den Song abbricht und, als die Streithähne sich gar nicht wieder beruhigen wollen, sogar die Bühne verläßt, bis das Problem geklärt ist. Danach ist der Feierpegel aber schnell wieder hoch, der Soundpegel indes leider auch, was wieder zur schon von Evertale bekannten Verunklärung vor allem der Gitarrenarbeit führt und im Zugabenteil leider nochmals gesteigert wird. So muß man sich etwas mehr anstrengen, um "Cube Of Infinity" zu analysieren, einen Song vom im August erscheinenden vierten Winterstorm-Album, der seine Livepremiere erlebt (die der Sänger das Publikum nicht mitzufilmen und vorab auf Youtube zu veröffentlichen bittet) und klarmacht, daß die Franken die eingangs genannten Grenzen wieder ein wenig nach außen verschoben haben: Bis auf Intro und Outro gibt es hier praktisch keine Folkelemente, dafür ein fast progressiv strukturiertes zweites Intro sowie in den Strophen relativ geradlinigen Power Metal, der aber durch diverse Beimengungen von hymnisch (der Refrain!) bis speedig sein spezielles Kolorit erhält. Der eingängige Mini-Hit "Into The Light" beendet den regulären Set, aber das Publikum will mehr und bekommt als erstes in der erwähnten Überlautstärke "Call Of Darkness", dessen orchestrale Elemente man eher erahnen als hören kann, während "Dragonriders" zum Abschluß nochmal den traditionellen Folk Power Metal in speedigem Tempo auffährt und einen insgesamt starken Gig auf hohem Niveau abschließt - zudem pünktlich wie eine Henlein-Taschenuhr: Kurze Zeit später beginnt auf dem Monitor über der Bar das Elfmeterschießen des Champions-League-Finales zwischen Real Madrid und dem Ortsrivalen Atletico, das die Königlichen gewinnen und im Publikum Sprüche wie "Madrid gegen Madrid, das ist wie Siebenbrunn gegen Siebenbrunn" (für die Nicht-Ortskundigen: Siebenbrunn ist eine dörfliche Siedlung am Westrand Markneukirchens) ernten.
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