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Leveleleven   24.05.2016   Leipzig, Gewandhaus
von rls

Man stelle sich vor, Metallica und Slayer schlössen sich zusammen und gingen gemeinsam auf Tour - und zwar bei den Konzerten nicht etwa nacheinander, sondern zu acht auf der Bühne. Undenkbar? So etwas Ähnliches gibt es seit 2013 in der A-Cappella-Welt: Die fünf Musiker von The Real Group (aus Schweden) und die sechs von Rajaton (aus Finnland) tun sich, wenn mal Zeit in den Terminkalendern ist, zusammen und gehen zu elft unter dem Namen Leveleleven ins Studio oder auch auf Tour. Beide Formationen sind einzeln schon je zweimal beim A-Cappella-Festival in Leipzig zu Gast gewesen, und so erscheint es nur logisch, daß jetzt auch ihre Kombination, deren Bandname übrigens tatsächlich aus dem Film "Spinal Tap" entlehnt ist, zum Festivalprogramm gehört, wobei die Veranstalter unter der korrekten Annahme, daß mit reichlich Publikumszuspruch zu rechnen sei, das Gewandhaus als Veranstaltungsort ausgewählt haben, wo sonst einerseits immer das Abschlußkonzert des Festivals stattfindet, andererseits aber auch schon andere Zugpferde wie Bobby McFerrin aufgetreten sind und somit gleich auch noch die Vokalkonzertreihe des Gewandhauses bereichern. Ausverkauft ist der reichlich 1900 Plätze umfassende Musentempel zwar nicht, aber doch ziemlich gut gefüllt.
Nun war mit Spannung zu erwarten, welches Programm die Elfer auf die Bühne bringen würden - die Ankündigung versprach, es werde exklusiv auf die Riesenbesetzung zugeschnittenes Material zu hören geben und nicht etwa "aufgeplusterte" Versionen von üblichem Real- oder Rajaton-Repertoire. Das trifft dann auch ein - mit einer Einschränkung: Von den insgesamt achtzehn Nummern kommen nur elf in der Vollbesetzung, dazu treten vier, die The Real Group in ihrer Stammbesetzung singt, und drei, auf die das Gleiche in bezug auf Rajaton zutrifft. Das bringt einerseits zwar etwas Abwechslung in den Set, aber da mit "All Creatures" und "Half A World Away" zwei ganz dicke Elfer den Abend eröffnen, sinkt die Spannungskurve mit den "Ensemblesolonummern" danach etwas ab - man ist von den vielschichtigen Möglichkeiten im Hinblick auf Komplexität und Dynamik (remember: "Eleven is one louder!") noch so geplättet, aber auch zugleich so beeindruckt, daß man sich dieser Plättung gern auch weiterhin unterzogen hätte. Aber im Sinne der Vielfalt ist die Entscheidung sicherlich nachvollziehbar - und natürlich sind auch in den jeweiligen Quintett- bzw. Sextettbesetzungen absolute Könner am Werk, die etwa im lettischen Volkslied "Tumsa Nakte", das der lettische Bassist Janis Strazdins bei The Real Group eingebracht hat, auch zu fünft eine brillante nordische Melodienvielfalt zustandebekommen, während Rajaton mit "Eleanor Rigby" unter Beweis stellen, daß sie auch das mittlerweile totgesungene Beatles-Repertoire noch mitreißend auf die Bühne bekommen. Aber wenn wir in der Betrachtung nochmal zum Setanfang zurückkehren, stellen wir fest, daß diese beiden ersten Nummern schon das Elfer-Repertoire quasi rahmen: "All Creatures" ist ein extrem sphärischer Halleluja-Gesang auf einen Text Franz von Assisis, erst ziemlich flächig gehalten, später leicht rhythmusbetonter und mit wechselnden Leadaufgaben innerhalb der Großbesetzung, während das vom Rajaton-Bassisten Jussi Chydenius komponierte "Half A World Away" quasi den aktuellen Stand von A-Cappella-Pop markiert, mit dem Komponisten selbst sowie Real-Chefdenker Anders Edenroth als "Rhythmusgruppe", vielschichtig und modern agierend, ohne in die allfällige Beliebigkeit abzugleiten. Die Leadgesangsfunktion, meist auch mit der Anmoderation des jeweiligen Liedes verbunden, wechselt zwischen zehn der elf Bühnenaktiven, lediglich die Rajaton-Ersatzaltistin Saima Hyökki, die die in der Babypause weilende Stammkraft Soila Sariola vertritt, bekommt keine Ansage zugewiesen, ist aber in die Leadstimmen trotzdem eingebunden. Soila bekommt das Publikum indirekt aber auch zu hören, denn aus ihrer Feder stammen diverse Kompositionen und Arrangements, etwa "Surma", das Rajaton-Tenor Hannu Lepola launig als "finnischen Sommerhit" ankündigt, der sich um das Thema Tod drehe. Die Vielfalt des Bühnengeschehens steigt nach der Pause noch, indem "Fever" allein von den sechs männlichen Mitgliedern bestritten wird, die hier coolen Vocal Swing produzieren, während die fünf Damen danach mit dem vokalisendominierten "One Finnished Swedisch Moment" kontern. Zu den absoluten Highlights geraten allerdings die Closer der jeweiligen Sets: "Trololo", das Janis die Rolle eines Orchesterbändigers zuweist, der die an fünf Instrumentenpulten verteilten zehn anderen Sänger im Zaum halten muß, und "Nordic Polska", eine schwedische und eine finnische Polka zu einem großen Ganzen, einem sich immer weiter verdichtenden polyphonen Geflecht vereinend. Das den Zugabenblock eröffnende Quasi-Medley "Battle Of Bothnia" sieht die beiden Formationen sich gegenseitig bekriegen und endet in einer Versöhnungspolonaise - ein schönes Sinnbild, das man sich auch an anderen Stellen der Welt wünschen würde. Der lappländische Choral "Mu Ruoktu" beschließt den Abend auf besinnlich-berührende Weise, zumal der eingesampelte Intro-Sprechpart ein wenig an Nightwishs "Dead Boy's Poem" erinnert. Und obwohl sich einige zwar gute, aber recht unauffällige Nummern in den Set gemischt haben, so wird das Ganze doch auf schwindelerregend hohem Niveau dargeboten, und Leveleleven dürfen sich am Ende über stehende Ovationen des Publikums freuen.

Setlist:
All Creatures
Half A World Away
Villihanhen Laulu
Eleanor Rigby
Water
Commonly Unique
Crazy
Trololo
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Fever
One Finnished Swedish Moment
I've Been Traveling
Since You've Been Gone
Tumsa Nakte
Surma
We Walk In A Fog
Nordic Polska
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Battle Of Bothnia
Mu Ruoktu



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