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Stonehead, Minetaur, Kalamahara, Lumo Portanto   22.04.2016   Leipzig, Bandhaus
von rls

Einen abwechslungsreichen Stoner-Rock-Abend verspricht das Bandhaus am 100. Geburtstag von Yehudi Menuhin. Zunächst gibt es diesen Sound in seiner mehr oder weniger klassischen Ausprägung, und zwar von Lumo Portanto, wobei sich das "mehr" auf die Instrumentierung bezieht: Gitarre und Baß laufen klanglich oftmals ineinander, ohne aber eine völlig vernichtende Wucht zu erzeugen, der Drummer legt verschiedenartige Rhythmen des mittleren bis schnelleren Bereichs drunter, und ganz selten verfällt das Instrumententrio auch mal in Schleichpassagen doomiger Herkunft. Das "weniger" betrifft den Gesang, denn hier steht ein weibliches Wesen am Mikrofon, und das ist für die ersten drei Songs wörtlich zu nehmen, denn außer einem gelegentlichen Hüftschwung herrscht da wenig Bewegung, während ab Song 4 die Sängerin das Mikrofon in der Hand hält und einen deutlich größeren Aktionsradius an den Tag legt. Was sie stimmlich kann, läßt sich anhand der Leistung dieses Abends nicht bewerten: Sie ist gesundheitlich offensichtlich stark angeschlagen, hustet immer wieder und kämpft sich zwar tapfer durch die sieben Songs, trifft aber die angepeilten Töne eher selten und wird vom Soundmenschen wohl vorsichtshalber auch noch etwas runtergepegelt. Von der Stimmlage her paßt sie allerdings prima zum instrumentalen Unterbau, den man sich wiederum noch deutlich packender vorstellen könnte. Der eindringliche ruhige Anfangspart des langen "Nightwalk" weist schon deutlich in die richtige Richtung, und wenn der in ein Pentagram-Leibchen gehüllte Gitarrist sich mal ein längeres Solo traut, wie er das im Setcloser "Liberation" tut, dann macht das den Sound der Querfurter gleichfalls reizvoller, auch wenn da sicher noch mehr geht und man auch auf die songinterne Dramatik achtgeben muß: Der Opener etwa endet etwas unmotiviert mit dem Gitarrensolo. Das Quartett bekommt aufmunternden Applaus und sollte bei Gelegenheit mal noch mit gesundeter Sängerin begutachtet werden.
Minetaur stehen noch im Stau, also spielen Kalamahara als nächstes, und sie wählen einen sehr originellen Setaufbau: In der Vorwoche waren sie im Studio und haben ein neues Album eingespielt - fünf von dessen sieben Songs erklingen nun live am Stück und auch in der Reihenfolge, die sie auf der Tonkonserve wahrscheinlich einnehmen werden. Nur der Setcloser ist ein älteres, von der EP "The Unmeant Wedding" stammendes Stück, und es fällt auch strukturell aus dem Rahmen, indem es ein schnelles Grundtempo an den Tag legt, während die fünf neuen Songs deutlich vielschichtiger ans Werk gehen und zusätzlich zu dem Aspekt, daß das Publikum sie noch nicht kennt (es sei denn, der eine oder andere der Songs wurde zuvor schon live angetestet), auch dahingehend also noch einen höheren Schwierigkeitsgrad aufweisen. Das stört die Anwesenden freilich nicht - sie spenden reichlich Applaus und zeigen sich vom neuen Material ziemlich angetan, obwohl das auch noch ziemlich schwer zu klassifizieren ist. Die Konzertankündigung spricht von "70s Psychedelic Rock" - Siebziger-Einflüsse sind auch wirklich drin, aber die scheinen eher von Led Zeppelin zu stammen, wozu sich einige Stoner-Elemente, ein alternativrock-nöliger Sprechgesang im Opener sowie klassische Beatles-Gesangsharmonien (alle drei Bandmitglieder singen) im Gros des Sets gesellen, so daß einem vor allem eine Referenzband einfällt: King's X. Besonders die beiden sehr langen Kompositionen am Ende des Blocks neuer Werke, die also vermutlich auch auf dem Album weit hinten stehen werden, wissen durch ihre Eindringlichkeit zu überzeugen: Nr. 4 bleibt lange ruhig und baut enorm viel Spannung auf, die sich dann in den nur zwei geshouteten Textzeilen entlädt, Nr. 5 wird zu einem Drittel in der Triobesetzung bestritten, bevor der Gitarrist die Bühne verläßt und der Rest des Songs vom Bassisten und vom Drummer bestritten wird, wobei Langeweile trotz der reduzierten Besetzung ein Fremdwort bleibt. Ob der mitreißende Livecharakter auch auf die Konserve gerettet werden konnte, bleibt gespannt abzuwarten.
Mittlerweile sind auch Minetaur eingetroffen, und schon nach den ersten der sieben Songs staunt man Bauklötze, ob man da auch die richtige Band hört. "Stoner Rock/Southern Rock" hat die Konzertankündigung versprochen, aber zu hören ist ein ruppiger Hardcore-Metal-Mix, der häufig an neuere Soulfly erinnert, allerdings ohne deren Tribal-Elemente und auch ohne die Gitarrenkünste eines Marc Rizzo - der Minetaur-Axtschwinger konzentriert sich aufs Riffbrett mit nur geringfügigen Soloausflügen, zumal er auch keinen Zweitgitarristen neben sich hat, denn der Minetaur-Brüller spielt kein Instrument, ist dafür aber häufig vor der Bühne statt auf derselben anzutreffen. Ans Instrument gebunden ist dagegen das Wesen hinter dem Schlagzeug - eine reizende Blondine, der man, würde man ihr im außermusikalischen Kontext begegnen, nie einen derart harten Punch zutrauen würde, wie man ihn hier zu hören bekommt, und das Ganze dann auch noch auf ruppig-polternde Weise, wie es bestens zum rabiaten Sound der Band paßt. Die Zusammengehörigkeit der einzelnen Instrumentallinien als Nichtkenner etwaiger Studiofassungen nachzuvollziehen fällt bisweilen etwas schwer, aber der Energietransport ins durchaus aufgeschlossene Publikum klappt gut, und so werden vereinzelte Headbanger gesichtet, was freilich auch eine günstige Körperhaltung ist, um der rechts hinten auf der Verstärkerbox stehenden fiesen grün-roten Laserlampe zu entgehen, die einen völligen Nerv- und Blendfaktor entfaltet, der es dem Nur-Hörer schwermacht, einen positiven Zugang zum Material zu finden. Offenbleiben muß die Frage, warum Song 3 ungefähr so lang ist wie fünf der anderen sechs zusammen - aber Tempovielfalt ist durchaus kein Fremdwort für das polnische Quartett, das sich x-mal für die Verspätung entschuldigt und mit "Stupid" einen Song mit einem ausgewalzten Doomoutro ans Setende stellt.
Von Stonehead sind acht Kompositionen hören, die das schon etwas ermüdete und sich langsam ausdünnende Publikum zumindest teilweise nochmal in eine feuchtfröhliche Stimmung zu versetzen imstande sind. Bandnamengemäß gibt es den Stoner Rock hier eher in seiner klassischen Variante zu hören, was freilich das eine oder andere Experiment nicht ausschließt. An den beiden markantesten ist der Sänger maßgeblich beteiligt: Zum einen spielt er während "The Game", begleitet vom Drummer, ein ausladendes Didgeridoo-Intro, und der Soundmensch schafft es auch, das Instrument hörbar zu gestalten, und zum anderen unterstreicht er, daß er nicht nur in ein Motörhead-Shirt gewandet ist, sondern, wenn ein Song ein wenig an eine Stoner-Version von Motörhead erinnert, auch einen rabiateren Gesangsstil im Geiste von Lemmy hinbekommt, während er sonst nur mäßig angerauht zur Sache geht und notfalls auch mal auf richtigen tiefen dunklen Klargesang herunterschalten kann, wenn es wiederum der Song verlangt. Kollege Dirk hatte in seinem Review zur EP "Dead Leaf" nicht umsonst "eine gute Mischung aus Gorilla Monsoon und Alice In Chains mit einer leichten Prise Motörhead" diagnostiziert, und wenn das Publikum samt dem Rezensenten noch etwas frischer gewesen wäre, so hätte die Band mit ihrem soliden Set sicherlich (und verdientermaßen!) noch stärkere Reaktionen einfahren können. Aber irgendwie ist lange nach Ende der Geisterstunde dann doch die Luft raus, und so fordert auch niemand mehr eine Zugabe ein.



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