www.Crossover-agm.de
Doom Division, Macbeth, Phantom Stars, Dayrot   04.04.2015   Leipzig, Bandhaus
von rls

Im Gegensatz zu den Konzerten vor Wochen- bzw. Dreiwochenfrist an gleicher Stelle hat diesmal aus dem Vier-Band-Package niemand abgesagt, ergo beginnt das Konzert offenbar pünktlich. Nicht pünktlich vor Ort ist dagegen der Rezensent, der somit nur noch die letzten anderthalb Songs plus die Zugabe von Dayrot mitbekommt. Diese zweieinhalb Songs bieten groovigen Thrash, die Zugabe auch mal in etwas flotteres Gepolter umschlagen lassend und generell mit ein paar Metalcoreelementen angereichert. Dazu schalten die Saitenspieler auch gerne mal auf Halbakustik runter, was in Verbindung mit den Lead Vocals an diesen Stellen einen leicht psychedelischen Eindruck hinterläßt, nicht zuletzt dann, wenn der Sänger so singt, daß er mit der Hand sein Mikrofon verdeckt. Ansonsten äußert er sich meist brüllend, gelegentlich clean und in den Ansagen eher kumpelhaft. Das Ignite-Shirt des gelegentlich eine Zweitstimme beisteuernden Bassisten hat zumindest in den gehörten zweieinhalb Songs ebensowenig musikalische Spuren hinterlassen wie die eher rock'n'rollige Optik des Drummers. Die allgemeine Stimmung im Publikum ist so gut, daß das Quartett nicht ohne eine Zugabe ziehen gelassen wird, und ein druckvoller, aber nicht überlauter und dafür schön klarer Sound rundet ein interessantes Gigfragment ab.
Bei den Phantom Stars dagegen wäre kaum jemand böse gewesen, wenn sie kurzfristig abgesagt hätten. Der 11-Song-Set besteht partiell aus Coversongs, partiell aus Eigenkompositionen und soll sowas wie Thrash Metal darstellen, der allerdings mit kellerpunkigen Mitteln umgesetzt wird. Der an eine optische Mixtur aus Lenin und Rasputin erinnernde Sänger trifft kaum einen Ton, was besonders in den Covers natürlich eher suboptimal ist, der Gitarrist zeigt sich vor allem in den Leads ebenfalls als Feind gängiger Melodik und Harmonik, der Drummer läßt nur erahnen, daß er wahrscheinlich deutlich mehr kann, als er hier zeigt/zeigen muß/zeigen darf, und der Bassist spielt eine zumeist nicht uninteressante Zwitterrolle zwischen Baß und Rhythmusgitarre, verzwittert diese aber ausgerechnet beim Opener "Ace Of Spades", wo Lemmy seinen Baß ja auch eher wie eine Rhythmusgitarre behandelt, nicht, was etwas eigenartig anmutet. Zumindest beweisen Phantom Stars einen gewissen Sinn für Originalität bei der Coverauswahl, indem sie von Metallica die eher selten gecoverten "Hit The Lights" und "Fuel" wählen - aber beispielsweise "Nothing Else Matters" oder "Master Of Puppets" hätte man angesichts der Leistungen an diesem Abend auch nicht von ihnen hören wollen. Die Eigenkompositionen geraten noch punkiger als die Covers, und wenn sie wie etwa "Devil In Me" mal spannend werden, enden sie nicht selten kurz darauf. Phantom Stars wirken zumindest an diesem Abend wie das musikalische Pendant zum Bitterfelder Weg, und das geschmackssichere Publikum stellt die Applaustätigkeit schrittweise ein und fordert auch keine Zugabe.
Macbeth haben sich in den letzten Jahren ein stabiles Following erspielt und sind im Keller des Bandhauses keine Unbekannten - bereits vor Jahresfrist hatte dort ein umjubelter Gig stattgefunden, und um es kurz zusammenzufassen: Es gibt auch anno 2015 wieder einen solchen. Als eine der wenigen alten DDR-Bands haben Macbeth mit ihrem neuen Material recht große Erfolge einfahren können - die Alben "Gotteskrieger" und "Wiedergänger" sind beim etablierten Massacre-Records-Label erschienen und sowohl presse- als auch fanseitig auf große Resonanz gestoßen, wobei das zu DDR-Zeiten erzwungene Singen in deutscher Sprache der Band heute ein gewisses Alleinstellungsmerkmal im deutschen Thrash Metal verleiht. Im Direktvergleich mit dem Gig in Gera fünf Jahre zuvor glaubt der Rezensent eine stärkere Verortung im Thrash als im Death Metal verorten zu können, denn obwohl viele Gitarrenläufe auch der massiveren Variante des melodischen Death Metals (Marke Amon Amarth) zuzuordnen sind und damit einhergehend mit Einflüssen des traditionellen Metals gespickt wurden, so ist das Gesamtbild doch eher im Thrash anzusiedeln, vor allem die Vocals haben mittlerweile so gut wie gar keinen deathmetallischen Einschlag mehr. Interessant ist auch der Setaufbau, der mit dem teils ultraschnellen "Kamikaze" beginnt, mit der Doldinger-Adaption "Das Boot" an Position 3 zum ersten Mal in schleppenden Tempi mündet und die Rußland-Trilogie aus "Kanonenfutter", "Untergang" und "Das Kreuz" ans Setende packt, letztgenannten Track mit seinem hymnischen Grundtenor sicherlich nicht ohne Grund als Schlußeffekt setzend. "Maikäfer" muß diesmal ohne kindliche Unterstützung im Refrain auskommen, aber diese Rolle übernimmt die Anhängerschaft im Raum gerne, und auch manch anderer Chorus erfährt eine vielköpfige Verstärkung. Macbeth schaffen es, ihre dominante Kriegsthematik mit teilweise fast beängstigender Intensität umzusetzen, wozu auch der deutsche Gesang (und seine deutlich erhöhte Verständlichkeit!) sein Scherflein beiträgt, da man dadurch eben detailliert versteht, wovon hier gesungen wird und was der Krieg neben der Glorifizierungsseite (die es ja noch heute gibt - im Großen wie im Kleinen, welchletzteres beispielsweise im Titeltrack von "Gotteskrieger" kritisch behandelt wird) noch so für Schattenseiten bereithält. Die musikalische Leistung Macbeths hingegen steht eindeutig auf der Lichtseite, wobei allerdings der Gesamtsound einen Tick zu laut ist und prompt die Schärfe der Rhythmusgitarren darunter zu leiden hat. Dafür kommt enorm viel Spielfreude von der Bühne, und die Langhaarfraktion der Band schüttelt fleißig die Matte, was bei Bassist Hanjo farblich bedingt einen besonderen Effekt zeitigt. Zugabeforderungen werden mit dem Titeltrack von "Wiedergänger" belohnt, weitere dagegen mit dem Hinweis abgelehnt, man müsse jetzt wieder ins Heim, die Zivis hätten nicht so lange Zeit - eine kleine Kokettierung mit dem Alter diverser Bandmitglieder. Und außerdem wollen ja auch Doom Division noch spielen ...
Setlist Macbeth:
Kamikaze
Gotteskrieger
Das Boot
Maikäfer
Gladiator
Hunde
Kanonenfutter
Untergang
Das Kreuz
---
Wiedergänger

Auch Doom Division sind keine Neulinge in Leipzig - viereinhalb Jahre zuvor hat sie der Rezensent bereits in der Moritzbastei als Support von Totenmond gesehen. Im Direktvergleich zu damals fällt zuerst die frisurtechnische Veränderung auf, denn mit dem Drummer befindet sich nun tatsächlich wieder ein Langhaariger an Bord. Wenig verändert hat sich dagegen musikalisch: Die großen Vorbilder der Schwaben heißen immer noch Crowbar, und der Sänger klingt immer noch wie eine etwas gesündere Ausgabe von Kirk Windstein. "Weight Of The World", 2010 wie 2015 im Set, entpuppt sich somit als programmatisch, und die Last hat dazu geführt, daß außer im Setcloser die früher noch gelegentlich eingestreuten schnelleren Passagen fast komplett verschwunden sind und das schleppende Midtempo deutlich dominiert, vielleicht einen Tick zu deutlich, denn ein Deut mehr Abwechslung hätte es vielleicht doch sein dürfen: Auch wenn innerhalb der Songs durchaus eine gewisse Tempovariabilität vorhanden ist, so ähnelt sich die Grundanlage vieler der neun Kompositionen dieses Abends doch ziemlich stark. Dafür gibt es aber noch ein Kuriosum: 2010 hatten Doom Division "Broken Glass" von, klar, Crowbar gecovert - 2015 stehen gleich zwei Songs im Set, in denen an exponierter Stelle ebenjene Worte vorkommen. Das schwäbische Quintett überzeugt in der Gesamtschau durchaus, wenngleich es durchaus etwas anstrengend anzuhören ist (zumal der Sound ähnlich laut ist wie bei Macbeth - allerdings kommt es bei Doom Division nicht so auf in aller Schärfe durchhörbare Rhythmusgitarren an, sondern eher auf die von diesen erzeugten Klangwälle, und an denen gibt's wenig bis nichts zu deuteln) und sich die Publikumskopfzahl schrittweise auszudünnen beginnt - massenkompatibel wird speziell diese Südstaaten-Doom-Variante wohl nie werden, auch nicht mit einer durchaus sympathischen Formation wie Doom Division (der Sänger beginnt in den Ansagen bald in seinem heimatlichen Idiom zu schwätze), die zu Recht auch noch zu einer Zugabe überredet werden.



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver