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Macbeth, Moshquito   13.02.2010   Gera, Sächsischer Bahnhof
von rls

Thrashgigs sind im südlichen Teil der neuen Bundesländer nicht eben reichlich gesät - und dann das: auf 130 km Strecke entlang der A 4 gleich drei an einem Abend. Unter der immensen Anziehungskraft von Machine Head in Dresden hat das Package Evile/Warbringer/The Fading zu leiden, dessen am gleichen Abend anstehender Chemnitz-Gig wenige Tage vorher gleich ganz abgesagt wird. Das Package Macbeth/Moshquito wiederum hat am Abend zuvor in Lugau bei Chemnitz gespielt und setzt am Folgeabend einen Gig in Gera an, wo der Sächsische Bahnhof zwar nicht wegen Überfüllung dichtgemacht werden muß, aber doch recht gut besucht ist.
Das kommt schon Moshquito zugute, die einen amtlichen Gig auf die Bretter legen und vom Publikum eine gute Resonanz ernten. Zu DDR-Zeiten noch unter dem Namen Argus unterwegs und einen Kultstatus mit sich herumschleppend, spielt man heute eine recht technische, aber tiefenlastige Form des Thrashs, die man in dieser Form auch von diversen Frühneunziger-Bands kennt - wer das zweite Sacrosanct-Album "Recesses For The Depraved" noch im Ohr oder zumindest in der Sammlung stehen hat, findet hier einen brauchbaren Vergleich. Beeindruckend wird die Leistung des Abends vor allem dadurch, daß man mit Patrick einen Ersatzgitarristen dabei hat - der fügt sich aber so gut ins Bandgefüge ein, daß der Nichtkenner der Band wohl keinen Unterschied zu einem Gig in der Normalbesetzung bemerkt haben dürfte, und der Rhythmusgitarrist hat im Material von Moshquito keineswegs leichte Arbeit zu leisten, wie man allein schon optisch feststellen kann, wenn man mal die Arbeit auf dem Griffbrett beobachtet. Das Material ist mit Breaks und Tempowechseln gespickt, allerdings nicht überladen, wenngleich die Ansage vor "If We Bleed", in der der Sänger dem Publikum viel Spaß beim Bangen wünscht, sich trotzdem als schwarzer Humor entpuppt, denn um diesen episch-vielschichtigen Song timingsicher mitbangen zu können, muß man ihn schon relativ gut kennen. Hier arbeiten Moshquito auch mit Akustikpassagen, was sie sonst eher selten tun. Gesangsseitig greift der Sacrosanct-Vergleich auch (man hat nicht selten Michael Lucarelli im Hinterkopf), wobei Bassist Rudi hier und da noch unterstützend tätig wird. Hatte man im Verlaufe des Sets den Eindruck gewonnen, Moshquito seien nicht so ganz die großen Geschwindigkeitsfanatiker, so relativiert das Setende diesen wieder: Das neue, noch unkonservierte "Kill Them" macht über weite Strecken ordentlich Tempo, und auch das den Set abschließende "New Generation" übertrifft die bisherige Durchschnittsgeschwindigkeit des Gigs deutlich. Das ergibt leider kleine Probleme beim Sound, der meist sehr klar und zudem nicht in Überlautstärke aus den Boxen schallt, aber bei höherer Snare- oder Bassdrumschlagzahl leicht zu verwässern beginnt. Macht nichts - der Gig ist gut, allerdings werden die Zugabeforderungen der Anhängerschaft nicht erfüllt: Patrick hat mit der Band nicht mehr Material einstudiert, und man kann sich nicht einigen, welchen Song man eventuell nochmal wiederholen soll. Sachen gibt's ...
Auch Macbeth waren schon zu DDR-Zeiten unterwegs, teils unter diesem Namen, teils als Caiman; die Revitalisierung hat hier deutlich später eingesetzt als bei Argus/Moshquito, aber mittlerweile ebenfalls zu einer stabilen Arbeitsphase und sogar einem Deal bei Massacre Records geführt. Die neue Scheibe "Gotteskrieger" stellt erwartungsgemäß einen guten Teil des Sets, gleich mit dem Titeltrack beginnend, dessen fundamentalismuskritische Grundhaltung mit der Umbaupausenlektüre des Rezensenten (eine Abhandlung über Dietrich Bonhoeffer und dessen geistige Beziehung zu Mahatma Gandhi) konform geht, was indes nicht auf alle Songs im Set zutreffen soll. Trotz der angerauhten Artikulation (man weiß nicht so richtig, ob man die Stimme im Thrash oder Death Metal ansiedeln soll, was übrigens auch generell auf weite Teile des Songmaterials zutrifft) versteht man die Texte relativ gut - die neue Besetzung von Macbeth ist bei der deutschen Sprache geblieben, die für eine Metalband im offiziellen Spielbetrieb der DDR ja Pflicht war. Das Wort "relativ" erklärt sich daraus, daß das sehr klare Soundbild Moshquitos bei Macbeth nicht ganz reproduziert werden kann, obwohl nach dem Herunterdrehen des im Opener noch viel zu dominanten Basses ein recht ausgeglichener Klang entsteht, der nur bei manchen Feinheiten der Leadgitarren oder des Gesanges eben noch den einen oder anderen kleinen Wunsch offenläßt (trotzdem ein erneutes Lob für die Praxis des Soundmenschen, der - eine Seltenheit im Metal - nicht der Maxime "Lautstärke ist alles" folgt). Darunter hat speziell "Das Boot" zu leiden, dessen hier von den Gitarren übernommene Harmonik man nur deshalb korrekt entschlüsseln kann, weil man halt das Original von Klaus Doldinger kennt. Der mag die Macbeth-Version im Amon Amarth-Stil übrigens, und auch das Publikum reagiert bei diesem Song am euphorischsten - Jubel brandet schon auf, als das typische Intro eingespielt wird. Auch Macbeth erweisen sich in ihrer aktuellen Inkarnation als gut eingespielte Einheit (mit Gitarrist Ralf Klein und Bassist Hanjo Papst sind noch zwei Mitglieder der Urbesetzung dabei, wobei letztgenannter mit seiner Frisur problemlos als Gandalf in "Der Herr der Ringe" hätte mitspielen können), und der offenbar in Gera wohnende Sänger Oliver hätte zwar die angerauhten Ansagen eigentlich nicht nötig gehabt, aber er beweist Humor: "Ich hatte heute den kompliziertesten Anreiseweg: Ich habe meine Straßenbahn verpaßt." Und als man sich langsam des Verdachtes nicht mehr erwehren kann, Macbeth würden ausschließlich neuere Songs spielen, wird der letzte Song angekündigt, und das ist dann doch ein alter Klassiker: "Macbeth", hier ohne die Blechglocke der Studioversion, aber trotzdem klasse - und mit der ersten Zugabe "Bomber" folgt ein weiterer Oldie fast auf dem Fuße (wäre ja auch verwunderlich gewesen, wenn man diesen Song, der seinerzeit einen positiven Einfluß auf die Arbeit der Einstufungskommission ausgeübt hat, nun gerade in der Nacht vom 13. zum 14. Februar nicht gespielt hätte ...). "April" als zweite Zugabe, ein Song über Robert Steinhäuser, hat die Band in jüngerer Vergangenheit etwas populärer gemacht, und mit einem "Song in einer Fremdsprache" schließt der Set: Motörheads "Ace Of Spades" erzeugt noch einmal Partystimmung im Publikum, und der Sänger ist darob so enthusiasmiert, daß er gleich seinen Einsatz in der A-Cappella-Passage versemmelt und "You know I'm" nicht mehr unterbringt, sondern gleich mit "Born to lose" weitermacht, woran sich aber niemand stört.



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