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Overkill, Sanctuary, Methedras, Suborned   05.03.2015   Leipzig, Hellraiser
von rls

Ein Unfall blockiert stundenlang die südliche Hauptverkehrsader in Richtung Leipzig, die übliche Ausweichstrecke ist baustellenbedingt nur begrenzt durchlässig, ergo muß der Rezensent einen etwas größeren Umweg fahren und trifft daher erst 25 Minuten nach dem ungewöhnlich früh anberaumten Konzertbeginn von 19 Uhr ein. Von der ersten Band bekommt er also nur noch die Hälfte des letzten Songs mit. Wie sich herausstellt, sind das nicht etwa Methedras, sondern die nirgendwo angekündigten Schweizer Suborned, die allerdings mit besagter Songhälfte bei gutem Soundgewand durchaus Interesse wecken können: Sehr speedlastiger, aber in der Grundanlage melodisch bleibender Metal mit einem leadseitig stark beschäftigten Gitarristen (man hätte bei diesem Stil eigentlich eher zwei erwartet) wird von einer Blondine mit aggressivem Gesang versehen. Das Ganze erinnert natürlich an mittelalte Arch Enemy und sollte bei passender Gelegenheit nochmal in voller Setlänge oder auf Tonkonserve angetestet werden.
Methedras dagegen entpuppen sich als äußerst gewöhnungsbedürftig. Das leicht arabisch anmutende Gitarrenintro führt jedenfalls in die Irre, denn die Band spielt relativ technischen Death Metal, der besonders anfangs in der Gitarrenarbeit mit einigen numetallischen Quietschereien angereichert wird und beim Erstkontakt, den die meisten Anwesenden an diesem Abend haben dürften, kaum entschlüsselbar ist. In der ersten Sethälfte geht das Material trotz einiger Zäsurandeutungen direkt ineinander über, so daß nur der Kenner der bisher vier erschienenen Alben beurteilen kann, ob das nur ein urlanger Song war oder aber mehrere. Der erste angesagte Song (die Ansage lautet etwa: "The next song is called 'Aarghh Of Uaaah' from our current album") ist zugleich auch der interessanteste, wenn man mal genau auf die rhythmische Entwicklung achtet, was vom Soundmenschen unterstützt wird, denn der mischt die Drums klar, aber viel zu laut ab, so daß die anderen Beteiligten, auch der wild grunzende Sänger, eher wie akustisches Beiwerk wirken. Selbiger Sänger und der Gitarrist (dessen Extrema-Shirt beim Soundcheck schon verdächtig wirkt - und tatsächlich, Methedras kommen aus Italien) sind Neuzugänge in der bereits seit den Mittneunzigern aktiven Band, die komplett in weißen Kitteln auftritt (die Saitenfraktion trägt zudem auch noch Mundschutz), stilistisch allerdings wenig ins Package paßt und den Anwesenden somit nur wenig Applaus entlocken kann. Irgendwie ist gefühlt kaum jemand richtig böse, als "Chaos A.D." als Umbaupausenmusik eingelegt wird ...
Diverse Sanctuary-Mitglieder hat der Rezensent erst- und bisher auch letztmalig vor knapp 20 Jahren live erlebt, allerdings nicht mit besagter Band, sondern mit Nevermore, die gerade ihr selbstbetiteltes Debütalbum als Support von Blind Guardian vorstellten. Nach einer kurzen Phase der Parallelexistenz und dem letztlichen Ende von Nevermore sind Warrel Dane und Jim Sheppard nun also wieder ausschließlich unter dem Banner Sanctuary unterwegs, zumal mit Ur-Gitarrist Lenny Rutledge ein weiteres strukturell wichtiges Altmitglied wieder dabei ist. Der hat als Gitarrenpartner interessanterweise Nick Cordle an der Seite, einen Jungspund von Arsis, der einige Jahre auch bei Arch Enemy spielte und dort anno 2014 von Jeff Loomis, seines Zeichens nun wiederum Ex-Nevermore-Gitarrist, "beerbt" wurde. Cordle erweist sich als prima integriert, teilt sich mit Rutledge in die Soloarbeit und hält auch alleine die Stellung, als in "Future Tense" dessen Gitarre zum wiederholten Male ausfällt und der Fehler erst während des Hauptsolos behoben werden kann. Überhaupt wird der ganze Gig von technischen Problemen überschattet - zwar ist Rutledge der Hauptleidtragende und muß häufig ungeplant pausieren, aber generell hat der Soundmensch größte Mühe mit dem Klangbild, das durch mannigfache Soundschwankungen (mal mähen beispielsweise die Drums alles nieder, mal hört man sie nur im Hintergrund) den Hörgenuß entscheidend trübt und zudem noch deutlich lauter als das schon relativ laute von Methedras ausfällt, was auch nicht gerade zu seiner Transparenz beiträgt. Zumindest hört man Danes Gesang gut genug, um festzustellen, daß sich der Sänger anfangs hörbar quälen muß, um die vor allem im Altmaterial gelegentlich geforderten hohen Töne hinzubekommen, was er im Verlaufe des Sets kurioserweise aber immer besser hinbekommt, wenngleich seine besten Zeiten vermutlich vorbei sind und er mit dem mittellagigen Material des neuen Albums "The Year The Sun Died" deutlich besser zurechtkommt. Selbiges Album wird natürlich im Set gebührend berücksichtigt und scheint auch im Publikum durchaus bekannt und beliebt zu sein, wobei der doomige Titeltrack den stärksten Eindruck hinterläßt. Er steht interessanterweise am Ende eines Dreierblocks vom besagten Album - die Setlist ist im Vergleich zum Vorabend in Braunschweig doch etwas umstrukturiert worden. Dane, mit einem merkwürdigen Cowboyhut ausgestattet, zeigt sich bester Laune und scherzt pausenlos mit dem Publikum, das versucht, sich durch die Soundprobleme den Abend nicht verderben zu lassen. Trotzdem fordert am Ende kurioserweise niemand eine Zugabe ein (in Braunschweig hatte "Taste Revenge" zu diesem Zweck gedient).
Die Umbaupause zieht sich in die Länge, aber irgendwann scheint ein technisches Grundproblem dann mal behoben zu sein, und Overkill können mit ihrem Set beginnen, dessen Einleitung der des neuen Albums "White Devil Armory" entspricht, also "XDM" als Intro und "Armorist" als Opener. Das war es dann allerdings für den Hauptset auch schon an Material dieses Albums, zu dessen Promotion die Band ja eigentlich auf Tour ist - einzig "Bitter Pill" erklingt noch, und zwar als erste Zugabe. Gut, Overkill sind mittlerweile 35 Jahre aktiv, das Debütalbum "Feel The Fire" ist 30 Jahre alt, und beim Zählen der Alben ergibt sich, daß "White Devil Armory" immerhin schon das 18. Studiowerk der Band ist - ergo dürfte das Zusammenstellen der Setlist eine viel härtere Aufgabe gewesen sein als etwa bei Sanctuary mit ihren drei Alben (auch wenn Kollege Thorsten Kilallis Wunsch, letztere könnten einfach nur das "Into The Mirror Black"-Album durchspielen, unerfüllt geblieben ist). So kommt eine interessante Konstellation zustande: Fünf der Songs sind jüngeren Datums, wobei dem vielschichtigen "Electric Rattlesnake" vom "The Electric Age"-Album aus dem Jahre 2012 sowie dem "Ironbound"-Titeltrack von 2010 zuzutrauen ist, sich auch in künftigen Setlisten festzukrallen (der fünfte jüngere Track ist "Bring Me The Night" von "Ironbound"). In der Setmitte erklingt "Necroshine" samt zugehörigem Industrial-Intro von 1999 - und alle anderen Songs dieses Abends stammen spätestens vom "Horrorscope"-Album aus dem Jahr 1991, dessen etwas doomig angehauchter Titeltrack einen interessanten Farbtupfer im ansonsten recht speedlastigen Set markiert. Aber Overkill sind alte Hasen, wissen um die Bedeutung der Setdramaturgie und plazieren die Hymne "In Union We Stand" strategisch günstig an Setposition 5, also genau dort, wo man beginnt, sich etwas mehr Tempovariabilität zu wünschen. Die Anwesenden nehmen das dankbar auf, singen fleißig mit und verbreiten auch ansonsten eine grundpositive Stimmung. Grenzwertig ist allerdings wieder mal das Soundgewand: Zwar läßt es an Klarheit nach leichten Auftaktproblemen nichts zu wünschen übrig, dafür herrscht aber eine extreme Überlautstärke, die, wenn Bobby "Blitz" Ellsworth zu einem seiner hohen Vibratoschreie ansetzt (und das tut er durchaus nicht selten), zur akuten Gefahr für die Trommelfelle wird, wogegen selbst Ohrstöpsel nur bedingt helfen. Der Sänger macht seinem Spitznamen an diesem Abend übrigens alle Ehre, indem er in den Soloparts hinter der Bühne verschwindet und jeweils kurz vor Soloende wie der Blitz von links hinten hervorgeschossen kommt und das Mikrofon gerade so vor seinem Gesangseinsatz erreicht. Im Gegensatz zu Dane meistert er die Herausforderungen des Materials trotz seines auch schon fortgeschrittenen Alters besser, wobei der Rezensent keine Direktvergleiche zu anderen Gigs ziehen kann - er erlebt Overkill an diesem Abend zum ersten Mal live, und das "Wrecking Everything - Live"-Album liegt noch auf dem großen Stapel der Ungehörten. Der Kultfaktor der zumindest an diesem Abend eher zerfahren wirkenden Subhumans-Coverversion "Fuck You", die traditionell als letzte Zugabe erklingt, kann er auch nur bedingt nachvollziehen - die Punkwurzeln im Thrash Metal Overkills treten in etlichen Eigenkompositionen auch so deutlich genug zutage und verleihen der Band zusammen mit dem markanten Gesang Blitz' ihre eigene Note. Kuriosum am Rande: Basser Carlo "D.D." Verni beginnt sich optisch etwas an Freddie Mercury anzunähern ... Ein prinzipiell starker, wenngleich vor allem durch die extreme Lautstärke getrübter Auftritt Overkills als Abschluß eines insgesamt eher merkwürdigen Konzertabends.

Setlist Overkill:
XDM (Intro)
Armorist
Hammerhead
Electric Rattlesnake
Powersurge
In Union We Stand
Rotten To The Core
Bring Me The Night
End Of The Line
Necroshine (Intro)
Necroshine
Horrorscope
Overkill
Hello From The Gutter
Ironbound
---
Bitter Pill
Elimination
Fuck You



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