www.Crossover-agm.de ARCH ENEMY: War Eternal
von rls

ARCH ENEMY: War Eternal   (Century Media Records)

Wer gehofft hatte, mit dem Wechsel am Arch-Enemy-Frontmikrofon würde auch etwas mehr Farbe in diese Position kommen, sieht sich zumindest partiell getäuscht: Alissa White-Gluz trägt im Gegensatz zu Angela Gossow zwar tatsächlich buntes Haupthaar, aber gesanglich bleibt "War Eternal" melodiefreie Zone, obwohl White-Gluz durchaus auch andere stimmliche Talente besitzt, wie man von ihren Vertretungsjobs bei Kamelot und Nightwish weiß. Aber Arch-Enemy-Kopf Michael Amott hat sich entschlossen, diese für seine Band nicht zu nutzen - vielleicht durchaus mit dem Gedanken im Hinterkopf, den letzten Death-Metal-Knochen aus dem Bandgerüst Arch Enemys nicht auch noch zu entfernen. Vom Gesang abgesehen (der einen Deut weniger kreischig ausgefallen ist und dafür mehr in Richtung Thrash-Shouting tendiert) ist "War Eternal" nämlich im Prinzip reinrassiger Melodic Metal mit nur sehr marginaler Thrashkante, auch wenn "Never Forgive, Never Forget" nach dem klassischen Intro "Tempore Nihil Sanat (Prelude In F Minor)" den Hörer erstmal mit einer Ladung Blastspeed niederwirft. Aber das ist nach einer Minute schon wieder Geschichte, und danach drückt Drummer Daniel Erlandsson das Gaspedal nicht wieder bis zum Bodenblech durch, auch wenn er hier und da durchaus im Speedtempo um die Ecken flitzt und gelegentlich auch schnellere Stakkati einwirft. Geprägt werden die 47 Minuten aber eindeutig von den Gitarren, die mit enormer Spielfreude, Spaß am Demonstrieren von Technikskalen, aber bedarfsweise auch viel Gefühl und einem goldenen Händchen für wahlweise große oder verspielte Melodiebögen die Haupttrümpfe der Band darstellen. Neben Michael Amott agiert dabei an diesem Instrument wieder einmal nicht mehr sein Bruder Christopher, der zum zweiten Mal die Band verlassen hat, sondern Neuzugang Nick Cordle von Arsis, und der ist zugleich so umfangreich ins Songwriting eingebunden gewesen (sieben der dreizehn Tracks stammen partiell aus seiner Feder), daß man vermutet hätte, Amott habe hier einen kongenialen und dauerhaften Partner gefunden. Daß dem nicht so war, hat sich in der seit dem Einspielen des Albums vergangenen Zwischenzeit gezeigt: Cordle ist kein Bandmitglied mehr, und statt dessen spielt nun Jeff Loomis bei Arch Enemy, den der Anspruchsmetaller von Nevermore ja noch in guter Erinnerung hat. Wie sich dessen Stil und der Amotts in Einklang bringen lassen, bleibt gespannt abzuwarten - auch Cordle kam allerdings durchaus aus einer anderen Tradition und harmoniert spielerisch mit Amott trotzdem perfekt, wie die zahlreichen doppelläufigen Passagen unter Beweis stellen. Aber das ist Zukunftsmusik - derweil erfreut sich der Freund filigranen melodischen Metals an dem, was Amott und Cordle in diese 47 Minuten Musik gepackt haben. Gelegentlich bereichern sie den Sound noch mit Streicherklängen zumeist echter Herkunft, wohingegen der kurze Streichereinwurf in "You Will Know My Name" wohl keyboarderzeugt sein dürfte, aber ein verstecktes Licht auf die Herkunft der Band wirft, denn es gibt ihn in nicht ganz so extrem komprimierter Form auch bei ABBA zu hören. Wie die großen Landsleute versteht es auch Amott, "Hits" zu schreiben, freilich in den Grenzen seines Genres. Daß er White-Gluz' Stimmpotential dabei nicht nutzt, um die Grenzen des besagten Genres, also des melodischen (Death) Metals, aufzubrechen und zu erweitern, mag mancher Hörer als positiv (Fokussierung, Nicht-"Auswimpen"), mancher andere Hörer als negativ (Nichtausreizung des Potentials) empfinden, je nach persönlicher Sichtweise. Aber "War Eternal" ist nun mal in vorliegender Form erschienen, und so muß jeder entscheiden, wie er sich der Musik nähert. Wer kompromißlose Härte sucht, wird hier sicherlich weniger glücklich und sollte älteren Werken der Schweden den Vorzug geben, aber ein Gitarrenfeuerwerk wie in "On And On" sollte auch verwöhntesten Ansprüchen genügen, während das Instrumentalstück "Graveyard Of Dreams" trotz seiner Kürze einen ganzen Emotionskosmos eröffnet (es basiert hauptsächlich auf Ideen von Daniel Erlandsson) und zugleich eine dramaturgische Funktion im Albumaufbau erfüllt, was mit den drei Instrumentals hier überhaupt sehr gelungen ist - das erwähnte klassische Stück als Einführung, "Graveyard Of Dreams" in der Albummitte als gliedernder Ruhepol und das düster-doomige, aber dank seiner Hauptmelodie und deren harmonischer Auflösung trotzdem ein Gefühl des Optimismus transportierende "Not Long For This World" (und wenn man genau hinhört, bemerkt man, daß der abschließende Herzschlag zwar endet, aber der Dauerton der Maschine fehlt) als Finale. So bietet "War Eternal" musikalisch eine enorme Fülle von Entdeckungen, und auch über die Symbolik des Albumcovers, das den Widerstreit zwischen Religion und organisierter Religion spiegelt, darf man lange und intensiv nachdenken.
Kontakt: www.archenemy.net, www.centurymedia.com

Tracklist:
Tempore Nihil Sanat (Prelude In F Minor)
Never Forgive, Never Forget
War Eternal
As The Pages Burn
No More Regrets
You Will Know My Name
Graveyard Of Dreams
Stolen Life
Time Is Black
On And On
Avalanche
Down To Nothing
Not Long For This World
 




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