www.Crossover-agm.de
Five Horse Johnson, Fuzz Aldrin   30.07.2013   Leipzig, Moritzbastei
von rls

Exzellentes Grill- und Badeseewetter herrscht draußen, und so bekommt der Besucher erstmal einen gehörigen Schreck, wenn er gegen 20 Uhr, was die verbriefte Anstoßzeit des Gigs, die Veranstaltungstonne der Moritzbastei betritt - bis auf ein paar vereinzelte Personen herrscht dort nämlich gähnende Leere. Aber in den verzweigten Katakomben hält sich doch eine erkleckliche Anzahl Menschen auf, die, als Fuzz Aldrin kurz nach 20 Uhr zu spielen beginnen, den Weg in die Tonne finden und sich zum überwiegenden Teil durchaus angetan von der Musik der Einheimischen zeigen, obwohl die stilistisch nicht hundertprozentig deckungsgleich mit der des Headliners ist. Aber die Siebziger-Wurzeln sind bei beiden Bands unverkennbar, nur liegen sie in unterschiedlichen Gefilden, und auch die entsprechende Weiterentwicklung ist anders. Fuzz Aldrin haben sicherlich ein paar Hawkwind-Platten in der Sammlung, und auch Monster Magnet dürften sie nicht nur vom Hörensagen kennen. Sie spielen Stoner Rock, den sie mit Spacerockeinflüssen anreichern und der selbst in Triobesetzung genügend Dichte aufweist, daß man weder einen zweiten Gitarristen noch einen Keyboarder oder auch einen Sänger ernstlich vermißt. Der Bassist hat trotzdem ein Mikrofon vor sich stehen, aber das nutzt er nur zu ein paar Ansagen, teils mit einem gewissen Augenzwinkern, etwa als er dem Publikum "politische Texte" verspricht. Wie schon 2011 auf dem No Silent Backlands-Festival in Weißenfels beginnen Fuzz Aldrin auch den Gig dieses Abends mit einer Jamsession, der sie dann noch fünf weitere Songs teils epischer Spieldauer (wohingegen das kompakte "Lost Riff" sozusagen die Singleauskopplung darstellt ...) anhängen. Die sind durchaus spannend inszeniert - die drei Leipziger wissen offensichtlich, wie man dynamische Bögen erzeugt, auch wenn sie hier und da noch ein wenig aus dem typischen metallischen Schema, bestimmte Elemente immer viermal zu spielen, ausbrechen könnten. In "Colossus" trauen sie sich da schon einiges, während "Blossom" mit ein paar fast balladesken Elementen spielt und auch der Closer "Moonwalker", der sich schrittweise zu einem immer voluminöseren Monolithen aufbaut, überzeugen kann. Und wäre da nicht das mal wieder etwas zu laut abgemischte Schlagzeug gewesen (vor allem am Anfang gellen einem bei der intensiven Beckenarbeit die Ohren, später wird's besser, aber durchaus noch nicht gut), man könnte rundum zufrieden mit dem Gig des Trios sein. Und das Publikum spendet denn auch deutlich mehr als nur Höflichkeitsapplaus.
Setlist Fuzz Aldrin:
Jam
Rise
Colossus
Lost Riff
Blossom
Moonwalker

Aber die meisten Anwesenden sind natürlich wegen Five Horse Johnson gekommen. Selbige hatten sich nach ihrem 2006er Album "The Mystery Spot" lange Zeit rar gemacht, und nach einigen ersten Gigs 2011 ist erst anno 2013 ein neues Album erschienen, betitelt "The Taking Of Black Heart". Das will auf der zugehörigen Tour natürlich vorgestellt werden, aber trotzdem erscheint der Schritt, gleich acht (!) seiner elf Songs in die Setlist zu übernehmen, prinzipiell durchaus gewagt, zumal das bedeutet, daß nur sieben der 15 gespielten Songs, also rein zahlenmäßig eine Minderheit, nicht vom neuen Album stammen (es gibt, "The Mystery Spot" mitgerechnet, sechs Vorgängeralben). Aber das stört an diesem Abend die wenigsten, zumal das Spielzeitverhältnis zu einer Umkehrung des Minderheitsstatus führt: Die meisten der neuen Songs sind nämlich recht kompakt arrangiert, und für Genreverhältnisse brechen Five Horse Johnson die Songstrukturen nur selten auf, um ausgedehnten Improvisationen Platz zu bieten. So richtig ausführlich tun sie das nur in der letzten Zugabe "Downstone Blues", wo nacheinander beide Gitarristen und schließlich auch noch Sänger Eric Oblander ausgiebig ihre Solokünste zeigen, letzterer allerdings nicht in seinem Sangesjob, sondern in seiner Zweitbeschäftigung als Mundharmonikaspieler. Und schon zuvor hat er etliche Proben seines Könnens abgeliefert, wobei ihm die Songvorlagen bisweilen einen enorm schnellen Wechsel zwischen Gesang und Mundharmonika auferlegen, was er allerdings gekonnt meistert. Sein Gesang bewegt sich überwiegend in whiskykompatiblen rauheren Gefilden, aber das paßt zur urwüchsigen Musik, die sich irgendwo im Spannungsfeld zwischen Blues- und Südstaatenrock (mit etwas mehr Nähe zu letzterem) verorten läßt. Wenn etwas klarere Artikulation gefordert wird, geht Gitarrist Brad Coffin ans Mikro, und wenn man seinen Gesang noch einen Tick durchhörbarer gestaltet hätte, so wäre das Publikum auch besser in der Lage gewesen, die später auftauchenden Duette mit Oblander nachzuvollziehen. Letzterer springt übrigens über die Bühne, als würde er in einer Hardcoreband agieren (hat die Bandfreundschaft zu Clutch etwa abgefärbt?), und befleißigt sich in den Ansagen eines barbarischen Dialekts, der es dem Publikum schwermacht, das zu verstehen, was ihm mitgeteilt werden soll. Aber jubeln und (besonders ausgiebig in "She Don't Know") mitsingen, das bekommen die Anwesenden auch so hin. Die Tonne ist anständig gefüllt, aber noch nicht so voll, daß man am Schwingen des Tanzbeins gehindert würde, und beispielsweise mit dem Doppel aus "Lightning When I Need" und "Black Heart Baby" bieten die fünf Ohio-Bewohner auch mancherlei Stoff, der zu ebensolchen Tätigkeiten animiert, angetrieben vom leichtfüßigen Drumming Eric Millers. Ein, zwei Schläfer haben sich zwar auch eingeschlichen (so überzeugt "Hangin' Tree" nach einmaligem Hören noch nicht wirklich), aber das Gros der 90 Minuten macht richtig Laune, und spätestens der reguläre Setcloser "Mississippi King" und die beiden bereits erwähnten Zugaben lassen auch bei den skeptischsten Altbluesern die Dämme brechen. Feine handgemachte Musik ist das, und passenderweise gibt's das neue Album am Merchandisestand auch auf Vinyl. Old school rules!
Setlist Five Horse Johnson:
The Job
Cherry Red
Quick On The Trigger
Mexico
Fly Back Home
Shoot My Way Out
Smash & Grab
Hangin' Tree
Lightning When I Need
Black Heart Baby
Die In The River
Gods Of Demolition
Mississippi King
---
She Don't Know
Downstone Blues



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver