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Klogr, Timecut   26.03.2013   Chemnitz, Subway To Peter
von rls

Der Bandname Klogr mutet zunächst etwas skurril an, aber er hat einen konkreten wissenschaftlichen Hintergrund: K log R ist ein Teil einer Logarithmusfunktion, die zum sogenannten Weber-Fechner-Gesetz gehört. Dessen beide namensgebende Herren lebten und wirkten im 19. Jahrhundert, waren deutsche Psychologen und befaßten sich mit der Frage, bei welcher Veränderung bestimmter Umweltparameter, also beispielsweise der Temperatur, die Sinnesorgane des Menschen eine Veränderung melden und bei welcher noch nicht - also quasi die Berechnung der Sinneswahrnehmungsschwelle. Daraus freilich einen Bandnamen zu basteln setzt ein gewisses Maß an Fachwissen und an Freakigkeit gleichermaßen voraus, und beide Eigenschaften besitzt Bandkopf Gabriele Rusticelli, kurz Rusty, offensichtlich. So kommt es also, daß eine italienische Band einen solchen Namen trägt und sich durchaus auch inhaltlich mit eher komplexem Stoff auseinandersetzt - Parallelen zu Neverdream sind zwar augenfällig, dürften aber einem Zufall entspringen, zumal auch die musikalische Herangehensweise deutlich unterschiedlich ist.
Selbige Klogr, die anno 2012 auch schon eine US-Westküstentour gefahren sind (keineswegs alltäglich für eine italienische Undergroundband), sind im theoretischen Frühjahr, aber praktischen Spätwinter 2013 nun auf dem Weg durch die mittel- und nordeuropäische Clublandschaft, wobei sie allerdings auch auf dem Sweden-Rock-Festival zu erleben sein werden. Der Gig an diesem Abend im Chemnitzer Kellerclub Subway To Peter steht mit der dort zu erwartenden Zuschauerzahl im fast reziproken Verhältnis: 22.30 Uhr, als Timecut zu spielen beginnen, sind insgesamt gerade mal 15 Besucher anwesend, und von denen widmen sich sieben nur dem Barbetrieb. Immerhin stoßen gegen 23 Uhr noch 10 weitere Zuschauer dazu, von denen sich der größere Teil ebenfalls für die Band interessiert. Den Gig von Timecut hat diese Truppe allerdings schon verpaßt: Das italienische Trio spielt fünf Songs, die irgendwo auf halbem Wege zwischen Nu Metal und Postrock liegen, dabei recht kompakt inszeniert sind, bisweilen ein paar grungige Elemente einfließen lassen und irgendwie etwas dem entsprechen, was man in den 90ern als Alternative Rock bezeichnete, wobei darunter nicht etwa trauerklößiges Geschrammel zu verstehen ist, sondern durchaus kraftvolle, lebenspralle wie sehnsuchtsvolle Musik, wozu auch die leicht entrückt wirkende Stimme des auch Gitarre spielenden Sängers Gian Paolo Viesti perfekt paßt. Zwar fehlt hier noch etwas die Eingängigkeit, aber das ist vielleicht auch den etwas schwierigen Soundverhältnissen geschuldet, die den Gitarren etwas die Markanz nehmen, so daß sich einige Ideen nicht so entfalten können wie eigentlich gedacht. Aber das Trio macht seine Sache gut und sollte derjenigen alten Alternativfraktion, die heute noch in der Szene vertreten ist, durchaus einen Check wert sein.
Danach passiert ein kleiner, aber markanter Wechsel: Rusty kommt als vierter Musiker auf die (praktisch nicht vorhandene) Bühne, übernimmt Leadgesang und Leadgitarre - und schon stehen Klogr vor dem Publikum. Strukturelle Rätsellösung: Die drei Musiker, die neben Rusty das Klogr-Debütalbum "Till You Decay" eingespielt hatten, sind nicht mehr dabei, und Rusty, der bei einer Jamsession die Mitglieder von Timecut kennenlernte, holte dieses Trio kurzerhand komplett zu Klogr. Daß die erst seit Ende 2012 so bestehende Konstellation bereits bestens aufeinander eingespielt ist, wird an diesem Abend sehr deutlich - teilweise in den Gitarrenparts, obwohl diese immer noch etwas zu weit im akustischen Hintergrund stehen, aber vor allem im Gesang, der etliche sehr schöne zweistimmige Passagen bereithält. Und daß das Timecut-Trio untereinander prima harmoniert, hat man ja schon in den ersten Songs festgestellt. Klogr spielen etliche Songs ihres erwähnten Debütalbums, aber der Neuling, eine EP namens "Till You Turn", steht natürlich im Fokus des Abends. Große stilistische Veränderungen sind nicht zu erkennen: Klogr sind gar nicht so weit entfernt von Timecut anzusiedeln, rücken den Gesamtmix aber doch deutlich weiter in Richtung Postrock, arbeiten stärker mit Laut-Leise-Dynamik und bauen immer wieder betörende Akustikparts ein, die mit entsprechend schmachtenden Gesangslinien versehen werden, und das Attribut "schmachtend" ist hier ausdrücklich als Kompliment gemeint. Ja, selbst vor ein paar traditionsmetallisch anmutenden Gitarrensoli schrecken sie nicht zurück, und der höhere Bereich von Rustys Stimme erinnert kurioserweise in der Stimmfärbung etwas an die der mittleren Lagen von Edguy-/Avantasia-Sänger Tobias Sammet. Positiverweise paßt das alles aber prima zusammen, und auch das Publikum findet Gefallen an der Mixtur Klogrs, so daß das mächtige Häuflein in den Katakomben fleißig applaudiert und das Quartett ohne zwei Zugaben, u.a. den Albumopener "Live Dying", auch nicht gehen läßt. So kommen beide Bands summiert auf 75 Minuten Spielzeit, und wenn sich Klogr weiter stetig aufwärtsentwickeln, wird man die sympathischen Italiener wohl nach dem nächsten Album nicht mehr in solchen Kellerclubs zu sehen bekommen. www.klogr.net informiert den Interessenten über die nächsten Schritte.



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