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Grave Digger, Majesty, Wizard, Gun Barrel   02.02.2013   Glauchau, Alte Spinnerei
von rls

Die diesjährige Grave-Digger-Tour steht unter dem Motto "German Metal Attack" - alle Bands entstammen der heimischen Szene, und zudem sind diesmal nicht zwei wie sonst bei Grave Digger in letzter Zeit üblich, sondern drei Supportacts am Start. Das führt unter ungünstigeren Bedingungen zu einem schwierigen Zeitmanagement, aber an diesem Abend klappt alles wie am Schnürchen, der vorab postulierte Beginn 20.30 Uhr wird nicht nach vorn überschritten, wie das bei Grave-Digger-Gigs in Glauchau schon mehrfach der Fall gewesen war, und da alle drei Supportacts weitgehend über die gleiche Technik spielen, halten sich die Umbaupausen in äußerst verträglichen Längen.

Den Auftakt bestreiten Gun Barrel. Von denen liegen ein oder zwei frühe Alben auf dem großen Stapel noch nicht angehörter Privat-CD-Käufe des Rezensenten, somit stellt der Abend seine erste akustische Begegnung mit der Truppe dar, von irgendeinem Samplerbeitrag mal abgesehen, der aber auch nicht mehr im aktiv reproduzierfähigen Bereich des Hirns lagert. Jedenfalls spielen die Kölner sieben Songs traditionellen Metals, dem man seine Herkunft aus dem Hardrock und dessen Wurzeln im Rock'n'Roll deutlich anhört - da hätte es eines verräterischen Songtitels wie "Rock'n'Roll Torpedoes" gar nicht erst bedurft. Nach zwei schnellen Openern, darunter der Nicht-Motörhead-Coverversion "Bomber" (obwohl eine solche im Set auch keineswegs deplaziert gewesen wäre), markiert das Torpedolied, in dem sich der oft und gern headbangende Drummer Toni ein paar Kabinettstückchen gönnt, den Wechsel zu einem gemischteren Set aus schnellen und midtempolastigen Kompositionen. Das kommt beim Publikum offensichtlich bestens an, wohingegen die merkwürdigen Soundverhältnisse weniger zu stören scheinen: Gitarre und Drums sind gut aufeinander abgestimmt, der Baß hingegen wirkt wie ein akustischer Fremdkörper, was besonders während der Gitarrensoli auffällt. Jüngster Neuzugang der Truppe ist Sänger Patrick, der das aktuelle Album "Brace For Impact" schon mit eingesungen hat und auch weiß, wie man ein Publikum, das zwar prinzipiell positiv eingestellt und feierfreudig ist, die Band aber überwiegend noch nicht kennen dürfte, um den Finger wickelt. Nur bei manchen hohen Schreien liegt er noch ein wenig daneben, wie besonders beim Schlußschrei im Setcloser "Lonely Rider" deutlich wird. Das tut einer prinzipiell guten Gesamtleistung aber keinen Abbruch, und nach Ablauf der 30 Minuten werden Gun Barrel einige neue Anhänger gewonnen haben.

Wizard krebsen auch schon ewig durch die deutsche Metallandschaft und gehörten zu den wenigen Aufrechten, die ihre echtmetallischen Überzeugungen auch in den für solche Klänge eher ungünstig gestimmten Neunzigern mit Stolz vertraten und ihre ersten beiden Alben sogar in Eigenregie herausbrachten, weil kein Label sie veröffentlichen wollte. Damals zu viert in klassischer Manowar-Aufgabenverteilung, haben die Niederrheinbewohner seit geraumer Zeit zwei Gitarristen in der Besetzung, was ihrem Songmaterial live auch sehr gut tut, wie an diesem Abend deutlich wird, zumal sich die Truppe auch über ein ziemlich klares, aber trotzdem druckvolles Gesamtklangbild freuen darf, das Hymnen wie "Children Of The Night" gut zur Geltung bringt. "Messenger Of Death" besticht durch das große intensive Akustikbreak in der Mitte, während die Anhängerschaft bei "Hammer, Bow, Axe And Sword", dem Opener des dritten Albums "Bound By Metal", besonders stark jubelt und diesen Song sogar im markanten Rhythmus der vier Titelworte einklatscht. Es ist der älteste Beitrag im Set, zudem auch der einzige, bei dem Ur-Gitarrist Michael die Leads übernimmt, während dieser Job ansonsten seinem Kompagnon zufällt, der diese Verantwortung allerdings auch voll und ganz rechtfertigt. Zudem ist Sänger Sven sowohl exzellent bei Stimme als auch wie sein Vorgänger mit kommunikativem Talent ausgestattet, so daß manch ausgedehnter Mitsingpart inszeniert werden kann. Den Schluß der 40 Minuten markiert "Defenders Of Metal" vom 2001er Album "Head Of The Deceiver", das die Stimmung problemlos weit oben hält. Zwar hätte sich der Rezensent noch über seinen Wizard-Lieblingssong, nämlich "Dragon Lords" vom Zweitling "Battle Metal", gefreut (mit der formidablen Halbballade "Pain" vom gleichen Album war ja nicht wirklich zu rechnen gewesen), aber bei acht Songs und neun Alben in der Hinterhand müssen zwangsläufig Wünsche offenbleiben ...
Setlist Wizard:
Midgard's Guardian
Betrayer
Hall Of Odin
Messenger Of Death
Bluotvarwes
Children Of The Night
Hammer, Bow, Axe And Sword
Defenders Of Metal

Majesty polarisieren seit ihrer Gründung nachhaltig, und das nicht etwa, weil sie sich den alten Namen von Dream Theater angeeignet haben: Beinharten Anhängern stehen Menschen gegenüber, welche die Truppe als "Manowar für Arme" abqualifizieren. An diesem Abend ist erstgenannte Fraktion im Publikum deutlich in der Mehrzahl, wie man den "Hail, Hail, Majesty"-Rufen zu Beginn des Intros entnehmen kann. Fest steht aber auch, daß Majesty zumindest zeitweise in der Vergangenheit exzellente Vertreter der Praxis des Anwendens von Schlagerkompositionsprinzipien im metallischen Kontext waren, was ihre Alben schwer ohne Gähnanfälle durchhörbar macht. Live sieht das etwas anders aus - da entfaltet selbst das bemühte "Into The Stadiums" einen gewissen Unterhaltungswert, und auch der Opener "Metal Law" ist durchaus nicht als deplaziert zu werten. Daß selbst Majesty aber zu mehr in der Lage sind, verdeutlichen das hymnische "Thunder Rider", der Titeltrack der neuen Scheibe, oder "Fields Of War", dessen zwei Hauptbestandteile, also der metallische Rahmen und das Akustikbreak, für sich betrachtet durchaus Qualitätsware darstellen. Nur bezüglich der Verknüpfung haben sich Majesty zumindest in der Livesituation große Mühe gegeben, diese so unlogisch und holprig wie nur irgend möglich zu arrangieren, was übrigens auch auf den Übergang vom durchaus stimmungsvollen Akustikintro in den Hauptteil von "Metal Union" zutrifft. Freilich haben Majesty auch mit dem problematischsten Sound des Abends zu kämpfen: Drums, Vocals und rechte Gitarre sind deutlich vernehmbar, die linke Gitarre und der Baß aber beginnen sich erst im letzten Setdrittel ein wenig stärker durchzusetzen, wobei das schöne Doppel-Tapping in "Fields Of War" möglicherweise den Wendepunkt darstellt. Da ansonsten aber Tristan an der rechten Gitarre alle Leads spielt, geht wenigstens von denen nichts akustisch verloren, und der Mann ist enorm flink bei der Sache. Sänger Tarek verzichtet diesmal auf seine ledernen Schulterstücke und paßt sich ansonsten dem zwiespältigen Gesamtbild an - weniger gesanglich, wo er durchaus eine gute Figur macht, aber in der Kommunikation mit dem Publikum, das trotz überwiegenden Anhängertums nicht alle Kröten schluckt. Bei der stolzen Ansage, das neue Album sei in den deutschen Albumcharts auf Platz 55 eingestiegen, weiß das Publikum nicht so richtig, ob es jetzt jubeln oder buhen soll. Noch kurioser geht's vor "Fields Of War" zu. Tarek: "Seid ihr bereit, uns in die Schlacht zu folgen?" Verhaltener Jubel. Tarek (mit riesigem Pathos): "Follow us to the fields of war!" Danach herrscht peinliche Stille im Publikum, zumal Drummer Jan nicht gleich einzählt, womit er diesen Moment vielleicht hätte überbrücken können. Der Saitenfraktion sei zudem gesagt, daß es außer mehr oder weniger synchronem Gitarrenschwenken, das an diesem Abend in Überdosis praktiziert wird, auch noch andere Bewegungsabläufe gibt. Die 40 Minuten enden mit "Metal Union" und dem Bau einer Pyramide aus Saiteninstrumenten, was wenigstens optisch einen versöhnlichen Abschluß unter einen zwiespältigen, aber vom Publikum überwiegend positiv aufgenommenen und sogar mit Zugabeforderungen quittierten Gig setzt.
Setlist Majesty:
Metal Law
Make Some Noise
Into The Stadiums
Thunder Rider
Fields Of War
Sword And Sorcery
Metal Union

Grave Digger konnten nicht auf allen Touren der letzten Jahre richtig überzeugen, woran oftmals merkwürdige Soundverhältnisse eine Mitschuld trugen. Das ist an diesem Abend zumindest weitgehend anders: Die enorme Lautstärke läßt trotzdem nicht alle Strukturen zu Brei zerfließen, und auch das alte Problem der organischen Einbindung des tieferen Teils der Baßarbeit kann diesmal besser gelöst werden, wenngleich Jens Becker gegen die Doublebassarbeit von Stefan Arnold an diesem Abend wenig Chancen hat. Und von den Keyboards hört man den ganzen Gig über herzlich wenig - wenn man sie aber mal hört, dann sind sie wichtig, etwa im Soloteil von "Excalibur". Ansonsten stimmt die Klangqualität nach ein wenig Anpassungsarbeit aber - für diese Arbeit dienen neben dem Intro "Charon", zu dem der Reaper akkordeonspielend über die Bühne schleicht, im wesentlichen die ebenfalls zum neuen Album gehörenden beiden Setopener "Clash Of The Gods" und "Death Angel & The Grave Digger", zweiterer flott, ersterer aber fast doomig. Mit einem derart schleppenden Werk muß man sich als Traditionsmetalband einen Gig erstmal zu eröffnen trauen - Grave Digger tun es, und sie gewinnen, denn die Stimmung im Saal ist von Anfang an auf Feiern ausgerichtet und bleibt das auch bis kurz vor Ende der Geisterstunde, als "Heavy Metal Breakdown" den umjubelten Schlußpunkt setzt. Dazwischen lagert eine große Portion traditionellen Metals, kompetent gespielt (Gitarren-Neuzugang Axel Ritt hat sich mittlerweile gut eingelebt) und mitreißend inszeniert, zudem von Chris Boltendahl erstklassig vokalisiert (man hat ihn in den letzten Jahren schon in schwächerer Verfassung erlebt, aber diesmal ist er wieder in Topform). Nur am Arrangieren von Medleys müssen Grave Digger noch arbeiten, denn auch das Exempel dieses Abends holpert von den Übergängen her viel zu stark: "Baphomet" paßt noch einigermaßen an "The Reaper", aber "We Wanna Rock You" an "Baphomet" irgendwie gar nicht. Aber Moment mal - "We Wanna Rock You"? Wann hat man das zum letzten Mal live gehört? Gab's das überhaupt in diesem Jahrtausend schon mal live zu hören? Eine interessante Ausgrabung vom fast 30 Jahre (!) alten Debütalbum, der übrigens im Zugabenteil noch eine weitere folgt: die umjubelte Ballade "Yesterday", über die sich nicht nur Kollege Mario schon vor knapp zwei Jahren an gleicher Stelle sehr gefreut hatte und die Chris mit den launigen Worten ankündigt, man sei schon so alt, daß man jetzt nur noch auf Barhockern sitzend spielen könne. Der Rezensent hat da freilich seinen ganz persönlichen Höhepunkt schon hinter sich: Grave Digger graben doch tatsächlich "The House" vom 2001er Album "The Grave Digger" wieder aus und spielen diese Halbballade in einer absoluten Gänsehautversion. Danach hätte meinetwegen auch Schluß sein können, aber natürlich ist dem nicht so, und man freut sich über manche weitere Perle überwiegend aus den Neunzigern - wer die "Rheingold"-/"The Last Supper"-Phase am meisten schätzt, wird an diesem Abend kaum glücklich, aber dieser Personenkreis scheint in der nahezu gefüllten Spinnerei nur sehr spärlich vertreten zu sein. Die Stimmung ist prima, sowohl die allgemeine im Publikum als auch die spezielle des Rezensenten, und so können Grave Digger einen nahezu vollen Erfolg verbuchen.
Setlist Grave Digger:
Charon (Fährmann des Todes)
Clash Of The Gods
Death Angel & The Grave Digger
Hammer Of The Scots
Ballad Of A Hangman
The House
Killing Time
Medusa
Excalibur
Medley: The Reaper/Baphomet/We Wanna Rock You/Twilight Of The Gods
Knights Of The Cross
The Round Table (Forever)
The Dark Of The Sun
Home At Last
Rebellion (The Clans Are Marching)
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Yesterday
Highland Farewell
Heavy Metal Breakdown



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