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Grave Digger, Orden Ogan   01.04.2011   Glauchau, Alte Spinnerei
von rls und mst

Gemäß einem alten Scherzwort sind Planungen dazu da, um geändert zu werden, was bisweilen auch auf Tourplanungen zutrifft. Daß allerdings auf einer Drei-Band-Tour gleich beide Supportbands ausfallen, hat dann doch Seltenheitswert: Der Schlagzeuger von Grand Magus konnte krankheitsbedingt nicht antreten, und seine Bandkollegen verpflichteten keinen Ersatzmann, sondern sagten die Tour ganz ab, während die ebenfalls eingeplanten Sister Sin aus unbekannten Gründen fehlten. Statt dessen traten relativ pünktlich Orden Ogan vor die versammelte Metallermenge (die Spinnerei war ausverkauft!) und machten deutlich, daß man auch mit einer Ersatzmannschaft eine Klasseleistung bieten kann - die Rhythmusabteilung war neu im Bandkontext, erledigte trotz sehr überschaubarer Einarbeitungszeit auf diesem neunten Gig der Tour aber einen tadelsfreien Job. Die sonstige Provenienz des Bassisten ist nicht bekannt, der Drummer spielt ansonsten bei Van Canto. Die Hauptlast lag indes auf den Schultern der beiden Gitarristen und partiell des Keyboarders - vom Hauptinstrument des letztgenannten freilich hörte man auch nach Herstellung eines durchaus annehmbaren Klangbildes (was nach dem ersten Song "To New Shores Of Sadness" der Fall war, als die bis dahin zu dominanten Drums deutlich heruntergepegelt worden waren - kurioserweise war zuvor das Orchesterintro so leise, daß man es auch noch für einen Ausläufer der Umbaupausenmusik hätte halten können, wäre die Bühne nicht schon verdunkelt gewesen) lange Zeit nur in den ruhigeren Passagen etwas, bis dann gegen Setende hin auch die klavierdominierten Tastensounds ihren Weg ins Publikum fanden. Und das war auch gut so, denn gerade im überlangen Closer "Angels' War" entfalteten sie einiges an stilprägender Wirkung. Interessante Randnotiz: Der Song ist noch gar nicht veröffentlicht (was die Frage aufwirft, ob die teilweise sehr gewagten Tonart- und Rhythmuswechsel in seiner finalen Gestalt erhalten bleiben werden), und die Band rief ferner dazu auf, ihn mit Handycams mitzufilmen, was eines Tages zu einem offiziellen Video zusammengeschnipselt werden soll - eine coole Idee, die Bodenständigkeit beweist und zudem zeigt, daß Orden Ogan die Selbstinszenierung als vom Publikum zu beschimpfende Band eigentlich nicht nötig hätten. Das Gros des Sets stammte vom aktuellen Album "Easton Hope", und in der knappen Dreiviertelstunde Spielzeit brachte das Quintett auch ohne große Zeitschindung gerade mal sechs Songs unter. Spieltechnisch wußten alle Beteiligten (soweit man sie hören konnte) zu überzeugen, hervorgehoben werden muß allerdings der Dualgesang des einen Gitarristen und des Keyboarders - ein Stilmittel, das die Band oft und gern einsetzte. Dem Publikum gefiel der melodische Power/Speed Metal, den es da hörte, so gut, daß es Orden Ogan mit Sprechchören und viel Applaus bedachte und begeistert an den entsprechenden Stellen im entsprechenden Song die Schlagworte "We are pirates" einwarf, und die Stimmung war so gut, wie es der Rezensent selten bei einem Supportgig erlebt hat. Auch eine Zugabe wurde eingefordert, allerdings erlahmten die Rufe bald, als scheinbar klar wurde, daß es keine solche geben würde. Trotzdem legten Orden Ogan die Latte so hoch, daß Grave Digger sich schon Gedanken machen mußten, wie sie diese überqueren könnten. Mario, taten sie das erfolgreich? (bis hierher: rls)

Ja, Roland, das taten sie. Allerdings bedurfte es schon einer beeindruckenden Mannschaftsleistung, um den in der Tat überdurchschnittlichen Auftritt von Orden Ogan zu toppen. Indes gleich zu Beginn ein paar Worte zu meinem Selbstverständnis von Grave Digger: Grave Digger sind METAL! Chris Boltendahl und seine Mannen definieren sich bei mir über Riffs, Pathos und Leidenschaft. All das konnte man der Band bei ihrem Auftritt in Glauchau keinesfalls absprechen. Zwar schwächelte die Stimme von Chris zu Anfang etwas, jedoch hielt dies nicht lange genug vor, um negativ ins Gesamtbild einzufließen. Die Meute vor der Bühne zeigte sich feierwütig und textsicher, so dass einem Triumphzug der deutschen Metalinstitution nichts im Wege stand. Zudem hielt ich bereits "Ballads Of A Hangman" und hier vor allem den grandiosen Titeltrack für einen Klassiker der Band, muss dies aber auch uneingeschränkt dem neuesten Machwerk der Band, "The Clans Will Rise Again", attestieren. Gerade das nach dem Intro regelrecht herausgefeuerte "Paid In Blood" ist ein kommender Klassiker. Großartig! Ich musste mir zwar ein kurzes Schmunzeln unterdrücken, als Chris im Highlanderoutfit die Bühne enterte, aber egal, so komisch es klingen mag, ab diesem Moment war die (Metal-)Welt in Ordnung. Und noch schöner: Als sich hinter meinem Rücken (ich stand in der zweiten Reihe) ein Moshpit bildete und die ersten angerempelten Damen zu uns flüchteten (man hilft ja gern), unterbrach Chris das Konzert und sprach sich für Headbanging und Feiern, aber gegen Selbstdarstellung und Pitgerempel aus. Mag sein, dass manche Anwesende davon nicht angetan waren, ist doch die Spinnerei Haltepunkt für viele "härtere" Konzerte (einen Tag später baten Six Feet Under zum Stelldichein) - ich und viele andere dankten es dem Uncle Reaper mit einem Extraheadbang-Exzess! Axel Ritt zeigte als der "Neue" eine tadellose Leistung. Hatte ich aufgrund seiner von mir durchaus geschätzten Band Domain vorher Bedenken, ob er diesen Metal authentisch an den Mann/die Frau bringen kann, gibt es hier ganz klar Entwarnung. Mit seinem Vorgänger Manni Schmidt hat er das mimische Durchleiden der Songs gemeinsam, ansonsten tadellose und spielfreudige Vorstellung, die bei der Zugabe für alle Damen mit freiem Oberkörper zelebriert wurde. Bestimmt sehr hübsch, da durchtrainiert, von mir aber trotzdem nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Der erste Teil des Konzerts stand ganz im Zeichen Schottlands (siehe Setlist), während der zweite Teil den Klassikern vorbehalten war. Stimmung war immer super, absolute Höhepunkte gab es verschiedene. "Heavy Metal Breakdown" als finale Zugabe gehörte zwar dazu, allerdings gab es einige, zumindest ebenbürtige Titel zu nennen. "Paid In Blood" und "Hammer Of The Scots" vom neuen Langeisen gehörten schon mal dazu und empfahlen sich nachhaltig für weitere Tourneen. "Ballad Of A Hangman" als Opener für den zweiten Teil geriet im vorderen Drittel zur puren Raserei und für mich gab es noch ein besonderes Schmankerl: Danke, ihr Schlachtenbummler und Metalheroes, für "Yesterday" - dass ich das noch erleben durfte! Bereits bei der Comebacktour zu "The Reaper" in Markneukirchen befand es sich im Set und diesmal in Glauchau war es das Sahnehäubchen auf einer Edelstahltorte. Heiser, durchgeschwitzt und abgekämpft verließ man die Spinnerei, in der Gewissheit, die richtige Musik zu hören. Man konnte mit Sicherheit Fehler und Schwachpunkte finden, aber man konnte auch diese greifbare Authentizität anerkennen und einen grandiosen Abend verbringen.
And the clans will rise again! (mst)

Setlist Grave Digger:
Intro: Days Of Revenge
Paid In Black
The Dark Of The Sun
Hammer Of The Scots
The Bruce
The Ballad Of Mary
Highland Farewell
Killing Time
Whom The Gods Love Die Young
Rebellion
Intro: Hangman
Ballad Of A Hangman
Morgane Le Fay
Keyboard-Solo (basierend auf Bachs Toccata d-Moll BWV 565)
Medley: Twilight Of The Gods - Circle Of Witches - The Grave Dancer
The Last Supper
Excalibur
Knights Of The Cross
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Yesterday (die gedruckte Fassung weist aus, daß an dieser Stelle ursprünglich "Hell Of Disillusion" geplant war)
The Round Table
Heavy Metal Breakdown



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