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Bullet, Enforcer, Skull Fist   21.04.2011   Leipzig, Hellraiser
von rls

Gründonnerstag kann bisweilen ein logistisch schwieriger Tag sein: Alle Welt denkt, am Karfreitag ginge die Welt unter, so daß man sich vorher nochmal bevorraten müsse, so daß mancherlei Weg an besagtem Vortag länger dauert als an einem üblichen Donnerstag. Darunter hat auch der Rezensent zu leiden, der letztlich mit 20 Minuten Verspätung im Hellraiser eintrifft und, da Skull Fist offensichtlich pünktlich angefangen haben, mitten in deren Set landet. Der Hörverlust einiger Songs ist dahingehend schade, da sich die zweite Sethälfte als äußerst starke Traditionsmetalshow erweist, in der das Quartett die Vorschußlorbeeren, die man in den Tagen zuvor im Netz über sie ausgebreitet fand, zweifellos rechtfertigen kann. Das Gesamtpaket entpuppt sich als eine Art "Stryper meets NWoBHM" und ist daher auch noch als recht originell zu werten, wobei sich die Stryper-Vergleiche neben Teilen der Gitarrenarbeit und der Optik vor allem auf die hohe und leicht kreischige Stimme des auch gitarrespielenden Sängers beziehen, die durchaus etwas an den jungen Michael Sweet erinnert. Der nicht leadsingende Gitarrist hingegen trägt einen Afro der Marke Paul Breitner und duelliert sich musikalisch gern mit seinem Instrumentenkollegen. Die drei Frontleute sind permanent in Bewegung, die Songs selbst durchaus abwechslungsreich in einem Korridor zwischen Midtempo und Speed, von den verwendeten Mitteln her aber ziemlich geradlinig arrangiert, und sie machen vor allem jede Menge Hörspaß, zumal der Sound nicht überlaut, dafür aber glasklar ist und man dementsprechend die gitarristischen Feinheiten ohne Abstriche genießen kann. Auch beim Coverauswählen hat das Quartett Geschmack bewiesen und zockt eine gekonnte Version von "Angel Witch" der gleichnamigen Band, so daß am Setende laute Zugabeforderungen erschallen. Vor die Wahl "Neuer Song oder Cloven Hoof?" gestellt, entscheidet sich das Publikum skurrilerweise für den neuen Song, der "Fucking Night" oder so ähnlich heißt und auch so gut ankommt, daß die Enthusiasten danach auch noch das Cloven Hoof-Cover hören wollen. Aber das gibt der Zeitplan nun wirklich nicht mehr her.
Wie wichtig ein guter Sound bei dieser Sorte Musik ist, zeigt sich danach bei Enforcer. Der Soundmensch dreht etwas lauter auf - und schon beginnen die Leadgitarren zu verschwimmen, und der Leadgesang wird von vornherein etwas zu weit in den Hintergrund gemischt. Das ist schade, denn dadurch geht ein guter Teil des Reizes, den das Material ausübt, verloren. Selbiges Material erinnert bisweilen an eine speedigere Version von Iron Maiden, allerdings ohne die schwerelose Leichtigkeit, die man bisweilen von den ähnlich apostrophierten Steel Prophet zu hören bekommen hatte, sondern einen Tick bodenständiger wirkend. Einem kurzen Intro folgt ein ausgedehnter Speedblock, bevor Songs wie "High Roller" beweisen, daß die Schweden auch Midtempokompositionen durchaus mitreißend gestalten können. Ihr Meisterstück liefern sie allerdings mit dem epischen Monster "Savage" ab: Einem ausgedehnten instrumentalen Intro mit prächtigen Gitarrenduellen in Hochgeschwindigkeit folgt ein Ruhepol, bevor sich wieder die melodische Geschwindigkeitsüberschreitung Bahn bricht. Wie schon bei Skull Fist herrscht auch bei Enforcer viel Bewegung auf der Bühne, obwohl alle drei Frontleute entweder Leads oder Backings zu singen haben, und die Stimmung im Publikum ist durchaus gut, wenngleich nicht ganz so enthusiastisch wie beim ersten Support. Trotzdem fordert man natürlich nach acht Songs, die vom Speedie "Take Me To Hell" abgeschlossen werden, eine Zugabe ein, aber die kommt nicht - möglicherweise eine Folge des engen Zeitrahmens, da das Konzert wahrscheinlich behördlicherseits nicht in den Karfreitag hineinragen darf. Kuriosum: Das hinter dem Drummer (der witzigerweise fast wie der junge Mikkey Dee aussieht) aufgehängte Enforcer-Backdrop fällt regelmäßig zu Boden, wird zwar immer wieder angeklebt, aber das hält nie sonderlich lange ...
Die zeitliche Enge hat freilich den Vorteil, daß die Umbaupausen sportlich knapp gehalten werden, also auch Bullet recht zeitnah auf die Bühne steigen und mit ihrem Partymetal keine Gefangenen zu machen trachten. Was sich auf Konserve irgendwo zwischen AC/DC und Accept einpegelt, liegt in der Livesituation etwas näher an AC/DC, verpaßt diesem Einfluß aber einen Einspritzer metallischer Power und sorgt somit automatisch für gute Laune im Publikum. Nachteiligerweise hat der Soundmensch die Regler allerdings noch ein weiteres Mal nach oben geschoben, und wenn Hell Hofer zu einem seiner berüchtigten hohen Schreie ansetzt, ist man immer wieder in Sorge, ob der eigene Gehörschutz denn auch ausreichen würde. Kurioserweise führt die enorme Lautstärke hier allerdings nicht zu einer Verunklarung des Sounds, wobei sich der Sänger sowieso problemlos durchsetzen kann, allerdings auch die Leadgitarren deutlich vernehmbar sind. Apropos Sänger: Auf Konserve kann einem der relativ monotone Kreischgesang Hofers relativ schnell auf die Nerven gehen, aber live überzeugt der kleine Dicke, der langsam wie der kleinwüchsige Sohn Messiah Marcolins auszusehen beginnt, ohne Wenn und Aber, zumal er im Rahmen seiner Variationsbreite um Abwechslung bemüht ist. Ob bei der knappen Spielzeit ein Gitarren- und ein Drumsolo unbedingt sein mußten, darf diskutiert werden, aber beide werden zumindest nicht übermäßig ausgedehnt, im Gegensatz zu der überraschend früh im Set plazierten Bandmitgliedervorstellung, die, da sie vor akustisch voll aktiver "Bandkulisse" geschieht, zudem etwas an Wirkung verliert. Das macht aber nichts - große Teile des Sets machen schlicht und einfach Spaß, und mehr wollen die fünf Schweden eigentlich auch gar nicht erreichen. Zwei Zugabesongs, davon als finaler Gongschlag das begeistert aufgenommene und mitgebrüllte "Bite The Bullet", beenden den Set nahezu pünktlich um Mitternacht und entlassen ein kopfzahlmäßig überschaubares, aber dankbares, enthusiastisches und szenekenntnisreiches (da steht doch glatt jemand im Kalapács-Shirt vor dem Rezensenten - wer außer einer Handvoll Spezialisten kennt in Deutschland das Solomaterial des ehemaligen Pokolgép- und Omen-Sängers?) Publikum in die fast frühsommerlich milde Nacht.



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