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Blind Guardian, Van Canto, Steelwing   03.10.2010   Langen, Stadthalle
von gl

Zunächst ein lokal eingefärbter Klagegesang, auch wenn es klar ist, dass es Gegenden in Deutschland gibt, wo die Leute noch weiter fahren müssen. Aber wenn ich an Dutzenden von PKWs mit Kennzeichen MA, LU, HD, SP, RP und DÜW vorbeilaufe, hat sich wohl wieder einmal aus dem Rhein-Neckar-Raum eine Karawane in Bewegung gesetzt, die einmal mehr beweist, daß die Nachfrage hier sehr wohl vorhanden wäre, auch wenn die Region seit Jahren speziell von Bookern dieses Spektrums gemieden wird. Erst vor Ort erfahren einige, dass Enforcer heute - entgegen dem Aufdruck auf der Eintrittskarte - nicht spielen. Beschwerden haben die mir sehr gut gefallenden Schweden selbst entgegenzunehmen, niemand anders. Denn die Rechenkünstler haben reichlich spät gemerkt, daß sie sich die lange Tour nicht leisten können, was vor Ort noch einmal durch eine Bemerkung ihrer Landsleute Steelwing im Gespräch nach dem Auftritt ein sogenanntes Buy On (= eine Bezahlung durch die Vorbands) indirekt bestätigt.

Rockin' in the twilight: STEELWING
Steelwing haben in extrem kurzer Zeit mehr erreicht als anderen Bands in dreifacher Zeit: Noch keine zwei Jahre existiert die Truppe und hat nun schon zum 2. Mal die Gelegenheit, ihren britisch eingefärbten Frühachtziger Metal-Sound in der Tradition von Priest und Maiden unter die Leute zu bringen. Das tut der Fünfer mehr als ordentlich, passend dazu eingekleidet in enge Spandex-Hosen und metallische Accessoires. Obwohl sie kaum Spots auf sich gerichtet haben, musizieren die Jungs um den kleinen, an Midnight erinnernden Sänger Riley tapfer durch ihren kurzen Set. Dessen Höhepunkte sind "Roadkill Or Be Killed" und das wunderbar eingängige heroische "Illusion" mit seinen Gitarrenläufen und dem galoppierenden Rhythmus. Die eng gepressten ersten Reihen nehmen diese Bemühungen keineswegs teilnahmslos entgegen sondern nutzen die tolle Mucke, um sich warmzubangen.

Es wird nicht heller bei VAN CANTO  Zog alle Blicke auf sich: Inga von Van Canto
Dann kommt eine Band, die ich nicht auf dem Schirm hatte und bis zur Show kaum kannte: Van Canto. Ihr Motto lautet "We sing some Metal-Songs", das ist wörtlich zu nehmen: 5 Sänger und ein Schlagzeuger! Die A-Cappella-Metaller aus Bingen am Rhein haben heute mit der nächstgelegenen Show zu ihrer Heimat ein Heimspiel, was man an zwei Dutzend Leuten mit sog. "Support-Shirts" sieht (auch für die andere Band vom Drummer, In Legend), die hernach den Merch-Stand umschwirren. Dort wie auch zuvor auf der Bühne ist das weibliche Mitglied, die attraktive Inga, natürlich der Blickfang, während der Rest der Band wie wild durcheinanderläuft. Klar, ohne Instrumente geht das schneller, aber das wilde Bäumchen-wechsel-Dich-Spiel fand ich gewöhnungsbedürftig. Verblüfft muss man jedoch konstatieren, daß die Darbietung der Coverversionen von Iron Maiden, Gamma Ray oder Nightwish fast schon abgefeiert wird und der Mob extrem gut mitgeht, und laut Auskunft des freundlichen Mädchens am Merch war das bei den beiden Gigs zuvor ebenfalls so.

Na, was steht denn heute auf dem Menü ...? (Man beachte die Regieanweisung bei Lied 9!)
Wird es gelingen, das bombastische neue Werk auf die Bühne zu hieven? Das Intro des Orchesters zu "Sacred Worlds" kam (natürlich) vom Band zu großem Jubel und nach und nach betreten die Mitglieder von Blind Guardian die Bühne. Als letzter kommt Sänger Hansi Kürsch und wie er da fast schon beschwichtigend die Jubelstürme keineswegs auskostet und sich darin badet sondern zur Kenntnis nimmt, muss ich kurz an den Sommer 2009 denken, als einige keine wichtigeren Themen hatten, als sich über den Kurzhaarschnitt und die angeblich unmetallische Lederjacke ("Sieht aus wie ein Versicherungsvertreter") auszulassen. Diese traurigen Gestalten sitzen vermutlich gerade daheim am PC und posten in Foren ihre Mäkeleien ... Vor Ort sind sie nicht, denn die nächsten 2 Stunden sollten zu einem regelrechten Triumphzug der Krefelder werden. "Welcome To Dying" schließt an und die Band scheint nach der zu langen Tour-Pause stark motiviert zu sein, bewegt sich viel, dies gilt auch für Basser Oliver Holzwarth, der mitunter auch von seinem Hintergrund-Platz hervortritt an die Front. Links: Andre Olbrichs Gesicht sieht man vor lauter Gebange kaum und rechts: Marcus Siepen - dem scheinen die eigenen neuen Songs so gut zu gefallen, daß er auch ohne Mikrokontakt mitsingt! "Born In A Mourning Hall" und "Nightfall" sind zwei der Gründe, die die Band zu dem machten, was sie heute ist: nach wie vor eine Macht und ein Leader in ihrem Geschäft! So geht das weiter im Konzert, welches fast jede Phase der Karriere abdeckt und durch eine ausgeklügelte Lighshow nebst großer Videoleinwände ergänzt wird. "Valhalla" wird zum "We're Not Gonna Take It" von Blind Guardian - die nicht-enden-wollenden Fangesänge geben der Band zunächst keine Chance zum Weitermachen und beim "Bard's Song" hätte Hansi eigentlich backstage 'n Stück Kuchen essen können, denn nur die Fans singen - Gänsehaut! Das erhabene "Wheel Of Time" erfährt seine Live-Premiere und kommt klasse rüber, bevor mit "Imaginations From The Other Side" dem Mob der Rest gegeben wird. Daß die Kapazität der Halle bei ca. 2000 Zuschauern erschöpft bzw. überschritten wurde, freut sicher den Veranstalter und die Bands, Leute unter 2 Meter hatten's aber etwas schwer mit der Sicht in der verwinkelten Stadthalle der hessischen Metal-Hochburg. Als ältester Zuschauer mit fast 70 (!) Jahren zugegen übrigens Ex-Speedgickerl-Fanzine-Schreiberling Dieter Oschanitzky. Respekt, Dieter: Rock Til You Drop!

Hansi Kürsch  Andre Olbrich

Hansi Kürsch  Marcus Siepen

Frederik Ehmke  Scream for me, Langen!

Licht gut, Sound ok, Stimmung ekstatisch  Strahlende Gesichter in der 1. Reihe (PS: Blind Guardian-Shirt-Quote im Publikum: 64%!!!)

Fotos: Georg Loegler






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