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Lynyrd Skynyrd, Lake   27.02.2010   Leipzig, Haus Auensee
von rls

Ein Ausverkauft-Status des Hauses Auensee bringt oftmals zwei Problemfälle mit sich: erstens ein gewisses Verkehrschaos auf der Nordzufahrt in das Areal um das Haus, zweitens eine riesige Schlange vor dem Haus. Drinnen beginnt pünktlich um 20 Uhr die Vorband zu spielen, der Rezensent aber steht noch gemütlich in der Schlange, deren Abfertigungstempo im weiteren Verlaufe dann allerdings etwas beschleunigt wird. Als der Rezensent dann in der Halle angekommen ist, sagt der Sänger der Vorband (nirgendwo war angekündigt, wer die Tour mitfahren würde) gerade den vorletzten Song an, einen eher hymnisch-getragenen namens "When Jesus Came Down" in der Schnittmenge zwischen Melodic und Southern Rock, vom Sänger all den Verblichenen der Rockszene gewidmet (damit kennen sich ja vor allem Lynyrd Skynyrd bestens aus). Dann der letzte Song, ein recht flotter namens "Say You Will", kein Foreigner-Cover, aber Moment mal, den kennt man doch trotzdem irgendwoher ... und den Gitarristen doch auch ... Der Sänger, in "Say You Will" auch Zweitgitarre spielend, stellt während dieses Songs die Bandmitglieder vor, aber dummerweise im Hauptsolo, als alle ekstatisch Gas geben und man ihn daher akustisch nicht versteht. Er spricht jedenfalls Englisch, aber der Gitarrist Deutsch ... Bis der Groschen fällt, dauert es noch eine Weile, aber dann hört man es klimpern: Das müssen Lake sein, und eine Nachfrage beim Tontechniker ergibt die Richtigkeit der Identifizierung. Gitarrist Alex Conti scheint mal wieder eine Nahezu-Komplett-Umbesetzung hinter sich zu haben - zumindest der Sänger/Zweitgitarrist und der wie ein junger Jon Lord aussehende und fleißig sein Haupthaar schüttelnde Keyboarder waren beim 2006er Lake-Gig in Plauen definitiv nicht dabei, an den damaligen Bassisten kann sich der Rezensent nicht mehr erinnern, und der Drummer müßte identisch gewesen sein. Aber die neue Besetzung funktioniert, hat Spielspaß, und nur der etwas zu schrile Sound der Gitarrenleads trübt den positiven Eindruck leicht.
Dann die Miterfinder des Southern Rock (gemeinsam mit den Allman Brothers): Lynyrd Skynyrd sind eine der Bands, deren Reputation sich im wesentlichen auf die Vergangenheit stützt, obwohl auch die neueren, seit der 1987er Reunion entstandenen Alben noch mancherlei Klassesongs enthalten (man widme sich beispielsweise mal dem völlig unterschätzten "The Last Rebel"-Album von 1993!). Als eine solche Band den Set mit einem neuen Song, nämlich "Skynyrd Nation" vom 2009er Album "God & Guns", zu beginnen, muß man sich auch erstmal trauen - das Nonett wagt es und gewinnt, denn das Publikum im brechend vollen Haus Auensee feiert den Song ab, als wäre er von einem der Siebziger-Alben der Band. Aber neben dem eindringlichen Titeltrack (der einzige mit umfangreicherer Herunterschaltung auf Akustikgitarren) soll "Skynyrd Nation" die Ausnahme bleiben - weite Teile des restlichen Sets stammen tatsächlich aus den Siebzigern und beinhalten für den regelmäßigen Skynyrd-Konzertgänger wenig Überraschungen, wohingegen für einen Menschen wie den Rezensenten, der die Band an diesem Abend zum ersten Male live sieht, natürlich erstmal alles neu ist und vielleicht sein allgemeines Begeisterungslevel etwas höher ausfällt als das des "Stammpublikums". Die Amis treten wie gewohnt mit ihrer Drei-Gitarren-Mannschaft an, wobei sich die beiden Gründungsmitglieder Gary Rossington und Ricky Medlocke (der damals allerdings noch trommelte und erst seit seinem 1996er Wiedereinstieg an vorderster Front agiert) die Soloarbeit brüderlich mit dem neuen Jungspund Mark Matejka (der 2006 Hughie Thomasson ersetzte, welchselbiger unlängst verstorben ist) teilen. Immense Spielfreude versprühen allerdings alle drei, und das trifft auch auf Peter Keys an, natürlich, den Keyboards zu, wenngleich der vom Tontechniker bisweilen etwas zu weit in den Hintergrund gestellt wird (zumindest in seinen Solopassagen ist er aber gut zu hören) und auch die rechtwinklige Anordnung seiner Keyboards kurios anmutet, denn der Aufbau führt dazu, daß er den halben Set mit dem Rücken zum Publikum spielen muß. Viel zu hören ist auch von Dale Krantz Rossington und Carol Chase an den Backingmikros nicht, die sowieso nur den halben Set auf der Bühne stehen und auch in dieser Zeit mehr mit Mitklatschaufforderungen und Sich-im-Wind-Wiegen beschäftigt sind. Der Gesamtsound ist etwas zu laut (obwohl die Drums des fast androgyn wirkenden Michael Cartellone dankenswerterweise nicht alles andere niederknüppeln) und zu höhenlastig, vor allem das übersteuerte Frontmikrofon sorgt für manch schmerzverzerrtes Gesicht im Publikum. Dessen Inhaber ist nach wie vor Johnny van Zant, nachdem man sich zunächst die Augen gerieben hat, ob Lynyrd Skynyrd neuerdings Iced Earths Jon Schaffer engagiert hätten. Van Zant singt sich mit beeindruckender Stimmkraft durch den Set, kann aber mit seinem Bühnenverhalten nicht so richtig überzeugen. Das Publikum geht ihm offensichtlich nicht enthusiastisch genug mit (obwohl die Stimmung sehr gut ist - aber hierzulande herrscht eben auch die Sitte, sich einen Song anzuhören und erst danach zu applaudieren), und so startet er immer wieder Animationsversuche, leider aber meist in strategisch unpassenden Momenten. Keine Ahnung, was er erwartet hat - vielleicht geht in den USA der Mob auf LS-Konzerten auch steiler ab als in good old Germany, aber das ist anhand der in der Umbaupause eingespielten Ansage, das Konzert beginne jetzt gleich, und man solle seinen Sitzplatz (!) aufsuchen, eher zu bezweifeln. Sei's drum: Das Konzert macht Spaß, und die Setlist wimmelt wie erwähnt von Klassikern. Einen Dreierblock ab "Whiskey Rock A Roller" faßt man gar als Medley zusammen, obwohl das angesichts einer Gesamtspielzeit von weniger als anderthalb Stunden nun eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Den stärksten Eindruck hinterlassen das epische "Simple Man" im Hauptset, das all den Verstorbenen der Bandgeschichte und ganz besonders dem erst im Vorjahr die ewigen Jagdgründe aufgesucht habenden langjährigen Keyboarder Billy Powell gewidmet wird, und die Zugabe "Free Bird", sich aus einem episch-breiten Hauptteil in ein furioses Speedinferno steigernd. Noch Fragen? Ach ja, "Sweet Home Alabama" wird auch gespielt, als letzter Song des regulären Sets - aber irgendwie gerät er so unauffällig, daß man auch auf ihn hätte verzeichten können ...

Setlist (ist die vom Berlin-Gig des Vorabends, müßte aber mit dem Leipzig-Gig übereingestimmt haben):
Skynyrd Nation
What's Your Name
Gimme Back My Bullets
I Know A Little
That Smell
Simple Man
Whiskey Rock A Roller
Down South Jukin'
The Needle And The Spoon
Tuesday's Gone
God & Guns
Gimme Three Steps
Call Me The Breeze
Sweet Home Alabama
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Free Bird



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