www.Crossover-agm.de Lake   15.04.2006   Plauen, Ranch
von rls

Die Ranch ist einer der generell eher im Aussterben befindlichen Clubs, deren Chefs es verstanden haben, sich auf die Bedürfnisse der Ü40-Generation einzustellen, ohne gleich einen reinen Oldietreff ins Leben zu rufen. Neben allen möglichen und unmöglichen Coverbands von AC/DC bis ZZ Top spielen dort gelegentlich auch Original-Acts von Truck Stop bis hin zu eben Lake, und während es sich bei erstgenanntem Gig laut Auskunft einer aus dienstlichen Gründen dabeigewesenen Freundin aus der U30-Fraktion um eine von nahezu ausschließlich altem Publikum besuchte Veranstaltung handelte, machte der Lake-Gig auf den ersten Blick zwar auch den Eindruck fröhlicher Urständ' für die Ü40-Abteilung, auf den zweiten Blick allerdings entdeckte man doch auch eine ansehnliche Zahl Jüngere, teilweise gar Familien mit jungerwachsenen Kindern im Auditorium, das sich zu einem guten Teil auch noch untereinander zu kennen schien. Die Gesamtbesucheranzahl war praktisch unmöglich zu schätzen, da die vorderen Teile der Ranch regulären Kneipenbetrieb aufwiesen, der Gig aber im hinteren Saal stattfand und zwischen den Räumlichkeiten ein beträchtlicher Pendelverkehr herrschte.
Die verbriefte Anstoßzeit war 21.30 Uhr, der Rezensent traf aus hier nicht zu erörternden Gründen erst eine Dreiviertelstunde später ein und bekam am Einlaß die beruhigende Info, daß die Band gerade angefangen habe zu spielen. Viel verpaßt hatte ich also offenbar nicht, der Opener der neuen CD "The Blast Of Silence" namens "Let's Go To China" bildete den ersten Song, den ich komplett mitbekam, und er glänzte durch völlige Abwesenheit etwaiger asiatischer Melodieelemente, sondern gab im besten Sinne die Marschrichtung für den kompletten Gig vor: sauberer Melodic Rock mit ebensoviel Blues wie Southern Rock als würzende Zutaten, interpretiert von fünf Musikern, denen man den Spaß an der Sache mehr als deutlich ansah und anhörte. Daß Drummer Mickey eine ähnliche Frisur zur Schau stellte wie ein gewisser Limahl in den 80ern, sollte dabei nicht überbewertet werden. Allein die Gitarrensoli von Alex, die durchaus auch mal etwas länger als auf Konserve ausfallen durften, waren das Kommen schon locker wert, sie veredelten selbst den einen oder anderen von seiner Grundanlage her nicht ganz so spannenden Song so weit, daß Langeweile über die gesamte Spielzeit hinweg keine Chance hatte aufzukommen. Und weil jetzt gerade in der Metalpresse so viel auf Edguy und ihrer angeblichen Erfindung des gesungenen Gitarrensolos herumgeritten wird: Lake haben dieses Stilmittel längst schon in gesteigerter Form angewendet, nachzuhören an diesem Abend, wenn Alex ein Solo spielte und die gleiche Tonfolge parallel auf eine Dubiduba-Silbenfolge sang. Absolut strange! Zumindest in puncto solistischem Einfallsreichtum geruhte Keyboarder Adrian (der seine drei Manuale wohl aus Platzgründen übereinander und nicht burgartig um sich herum aufgebaut hatte - es ging recht eng auf der Bühne zu, so daß man auch keine große Bühnenaction erwarten konnte, selbst vom noch relativ jugendlichen Bassisten Michael nicht) dem Gitarristen allerdings nicht nachzustehen, und wie man beim gewählten Musikstil schon vermuten konnte, grub er hauptsächlich bewährte Sounds aus, mal Hammonds, auch mal einfach nur ein Piano. Zusammen mit seinen beiden Saitenkollegen sorgte er zudem für sauber arrangierte, aber nicht immer hundertprozentig sauber interpretierte Backingvocals, die den Leadgesang wirkungsvoll stützten. Apropos Leadgesang: Der offenbarte die einzigen kleinen Mängel im Soundgewand an diesem Abend, indem er einen Tick zu weit im Hintergrund stand, was als Nebeneffekt auch eine Potenzierung der Schwierigkeit, die vom schottischstämmigen Frontmann Mike in einem kuriosen Denglisch gehaltenen Ansagen zu verstehen, nach sich zog. Ansonsten verdient der Soundmensch aber ein dickes Lob für den klaren Sound und vor allem auch für die Entscheidung, es bei einer mäßigen Gesamtlautstärke zu belassen, sowohl beim Gig der Band selbst als auch in der eingebauten Pause und nach dem Gig, in welchselbiger Zeit das Publikum Gelegenheit zu Tanzvergnügungen vor dem akustischen Hintergrund von Klassikern wie "Another Brick In The Wall Part II", "Bad Medicine", "Another One Bites The Dust", "Locomotive Breath" oder "Eye Of The Tiger" bekam und diese Gelegenheit gerne wahrnahm; beim Lake-Gig beschränkte man sich im ersten Teil allerdings auf hingebungsvolles Lauschen und lautes Applaudieren, erst im zweiten Teil füllte sich dann auch die Tanzfläche. Daß Lake die Setlist von ihrem gerade erst zwei Wochen auf dem Markt befindlichen neuen Album "The Blast Of Silence" dominieren ließen, schien dabei niemanden zu stören, übrigens auch den Rezensenten nicht, der von den alten Platten aus den Siebzigern und Frühachtzigern eh nur einige wenige Tracks kennt, das neue Album aber für definitiv hörenswert hält. Ein eher bluesiger Song wie das ausgedehnte "Loving You" (von Mike "allen Verliebten im Saal" gewidmet, wozu sich der Rezensent aufgrund seiner kryptischen Situation an diesem Abend und am Folgetag jedweden Kommentars enthält) erntete beim Auditorium ähnlich positive Reaktionen wie eher rockorientierte Kompositionen Marke "Driving With Your Eyes Closed" oder "Say You Will" (kein Foreigner-Cover!), welchletzteres den netto knapp zweistündigen Set souverän beschloß und ein weiteres Mal eindrucksvoll unterstrich, daß es sich hier nicht um eine Altherrenband handelt, die mit minimalem Einsatz noch ein paar Scheinchen verdienen will. Wird Zeit, daß das auch ein noch größerer Prozentsatz der U30-Kategorie mitbekommt.



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