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Kottak, Blowsight   11.02.2010   Mannheim, 7er
von gl

Der Flyer zur Veranstaltung
Kuriose Begebenheiten spielen sich im Mannheimer Stadtteil Jungbusch ab: Da spielen 2 namhafte Rockmusiker nahezu vor Ausschluß der Öffentlichkeit. Im Dezember 2009 war es Marco Mendoza (ex-Thin Lizzy, Whitesnake, Ted Nugent usw.), der mit seinem Straitjacket Trio mit Joey Heredia, einem der am meisten gefragten Schlagzeuger, und Renato Neto (dem aktuellen Prince-Keyboarder) vor einem Häuflein Popakademie-Studenten seinen Latin Jazz-Soul Funk darbot. Und im Februar 2010 trat Scorpions-Drummer James Kottak mit seiner Band vor einer Kulisse von (fast traut man sich nicht, es zu berichten) vielleicht 30 Nasen auf. Dabei kann man dieses Mal nicht einmal groß lamentieren: Beide Gigs wurden nachträglich in die Tourneen an freien Tagen eingefügt, so daß kaum Zeit für Werbung blieb. Trotzdem mehr als beschämend, wenn man zudem erfährt, daß eine Gruppe fünf belgischer Mädchen dem Tourtross hinterher reiste und so wenigstens die Mienen der schwedischen Opener von Blowsight (mir bis dato unbekannt) ein wenig aufmuntern konnte. Das Quartett mit Gitarrist Seb, der einen riesigen Iro auftrug, spielt eine Musik, die man erhält, wenn man Blink 182 durch Sum 41 dividiert, dazu sagt man wohl heute Pop-Punk. Im Grunde machen sie ihre Sache nicht schlecht, wenn unpassende Growls nicht das recht melodische, gar nicht punkige Material von der Qualität vermindern würden. (Denn hinterher daheim angehört, ist die Mucke nicht verkehrt.)
BLOWSIGHT-Sänger  BLOWSIGHT-Guitar

Was steht denn heute so an ...
Auch Kottak machen im Grunde ähnlich simple, unspektakuläre Musik und ich hoffe nicht zuviel zu verraten, wenn preisgegeben wird, dass die Band nie (!) probt. Ihre Selbstbeschreibung "Cheap Trick meets Green Day - on a bad day!" trifft nicht nur den Nagel auf den Kopf, sondern zeigt, daß die Band sich nicht so wichtig nimmt. James Kottak, der sich hier Jimmy Ratchitt nennt (damit's nicht so einfach ist), spielt in "seiner" Band Gitarre und singt, während seine Frau Athena Lee (Schwester von Mötley Crües Tommy Lee) am Schlagzeug sitzt! 2 CDs erschienen bereits, nur in den USA ihre 1. ("Greatist Hits") noch unter dem Namen KrunK und 2006 auch bei uns auf Escapi Music die "Therupy"-Scheibe. Mitten im kalten Winter (so könnte die Einleitung heute auch lauten ...) in diese ein wenig triste Atmosphäre platzt das Quartett mit seinem überbordenden Gute-Laune Rock'n'Roll wie ein Muntermacher herein, und das beileibe nicht nur, weil Athena trotz der eisigen Temperaturen draußen keineswegs auf ihre Hot Pants verzichtet. Nein, James Kottak entpuppt sich in seiner Nebenrolle als DER geborene Entertainer, Frontmann und Sänger und spielt nebenher noch ganz passabel Rhythmus-Gitarre. Er stellt sicher, dass jeder der Anwesenden einbezogen wird, animiert die versprengten Gestalten vor der Bühne fortwährend zum Mitmachen, wozu er auch von der kleinen Bühne runterkommt und sich diverse ihm dargereichte Utensilien wie eine alberne Krone oder ein T-Shirt anzieht. Die triste Ausgangssituation wird von der Band, der 2010 die beiden neuen Mitglieder Price Vernon am Bass und Johnny Lucas an der Gitarre angehören, in eine Rock'n'Roll-Party verwandelt. Das durch Cyndi Lauper geläufige "Money Changes Everything" (doppelt so schnell runtergerotzt) und das ebenso nach sanftem Anfang in einer beschleunigten Version dargebotene "Holiday" sind vom Album bekannt. Tribut an seine Hauptband aus einer Zeit, lange bevor er dazustieß - erinnert von der Auswahl her etwas an Ray Wilson, der alte Genesis-Songs live aufführt. Kommt aber frisch und kraftvoll rüber, und obige Anmerkung zu den nicht stattfindenden Proben soll nicht heißen, daß das schlampig oder unprofessionell gewesen wäre heute, denn das Gegenteil ist der Fall. Dabei kommen besonders die neuen Songs wie "Sunset Blvd", "Drunk Uncle Pete" und "Daddy U Are My Star" gut an. Konsequent auch, dass James eben nicht sich für einen Song als Schlagzeug setzt, sondern Athena, die schon vor 20 Jahren bei Hardly Dangerous trommelte und in L.A. mehrfach als Schlagzeugerin ausgezeichnet wurde, diesen Platz beibehält. Eine Band, die sich den Spaß nicht nehmen lassen will und auf uns überträgt. Ja, ich fühle mich bereits währenddessen sowie hinterher an den denkwürdigen Moment erinnert, als es während eines Mother Tongue-Konzertes von der Bühne runter hieß: "There is no you and us - we are all one!" - und wer auf die Bühne kommen will, möge dies bitte tun! Denn beim gemütlichen Plausch hernach herrscht eine familiäre, geradezu herzliche Atmosphäre ohne jegliche Barrieren, wo Charmebolzen James Kottak auch von sich auch wiederum auf die Anwesenden zugeht und bei meinem Kumpel Andreas zum ersten Mal in seinem Leben Weizenbier probiert. Es wird nun kein Interview mehr, wozu die Band übrigens, als ich vorm Gig ohne jegliche Absprache hingelatscht, dennoch spontan bereit gewesen wäre (schon mal bemerkenswert!), also wird danach auch der eine oder andere Kommentar ausgetauscht. Auf meine rhetorische Frage an Athena, ob sie sich öffentlich wie Lita Ford vor Publikum (und ihren Söhnen!) von ihrem Mann befummeln lassen würde, meint sie nur "Hell, No!" und hier macht sich ein weiterer Unterschied auf. Es geht mir nicht in den Kopf, daß eine Lita Ford nach zig Jahren Abstinenz nicht bereit ist, sich 20 Minuten hinzusetzen und Autogramme zu schreiben für Fans, die stundenlang alte Vinyl-Platten mit sich auf einem Festival herumtragen, und nicht ein paar Fotos mit sich machen lässt. Das Gegenteil: Weltklasse-Drummer auf ca. 130 Platten, dreifacher Familienvater, Songschreiber, Sänger, Gitarrist und All-Around Nice-Guy James Kottak: Der spielt die nächsten 2 Jahre wieder 10000er Hallen und steht hier am Tresen und tauscht mit den Leuten alte Anekdoten aus Kingdom Come-Zeiten aus. Und er hat heute bewiesen, dass "Rock'n'Roll Forever" nicht nur ein Song, T-Shirt-Motiv oder in gleicher Art auf seinem Körper tätowiert ist, sondern er strahlt das auch aus. Denkwürdiger Abend!
James Kottak live  Athena in action

Kurze Pause für Athena (man beachte das Trägerhemd ...)  Der Sänger begibt sich ins Publikum!

Struwwelpeter Jimmy Ratchitt  KOTTAK-Gitarrist Johnny Lucas

Ob James mit ...  ... oder OHNE T-Shirt: Das Ergebnis ist dasselbe!!!

KOTTAK-Basser Price Vernon  Athena und ein Fan

Fotos: Georg Loegler






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