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Blossom   19.12.2008   Leipzig, Anker
von rls

150 Konzerte haben Blossom in den fünfeinhalb Jahren ihrer Bandexistenz gegeben, ein Dreißigstel davon hat der Rezensent selbst miterlebt und sich von den Livequalitäten der Leipziger Ska-Truppe nachdrücklich überzeugen können. Jetzt ziehen Blossom einen Schlußstrich unter ihre Bandexistenz, natürlich nicht ohne ein großes Abschiedskonzert im Leipziger Anker, nicht ausverkauft, aber doch sehr ordentlich gefüllt (vor einer Konzerthalle eine Viertelstunde Schlange zu stehen ist man ja mittlerweile kaum noch gewöhnt, erst recht nicht im "Underground"). Ein Phänomen wird deutlich: Blossom ziehen ein zu nicht geringen Teilen sehr junges Publikum, das sich von unten heraus offensichtlich auch immer wieder erneuert hat. Und dieses Publikum ist trotz (oder gerade wegen) des Anlasses in Feierstimmung - noch nicht so richtig allerdings während des Vorprogramms, in dem zwei Ex-Bandmitglieder eine Quizshow mit vier weiteren Ex-Bandmitgliedern und einem Publikumskandidaten inszenieren, die einen in gewisser Weise grenzwertigen Charakter aufweist. Begeisterten Applaus dagegen erhält der hernach eingespielte Videofilm mit einem Zusammenschnitt denkwürdiger und/oder lustiger Szenen aus der Bandgeschichte, komprimiert in etwa fünf Minuten. Dann fällt der Vorhang, ein ausgedehntes Intro ertönt, und die sechs Mitglieder der Finalbesetzung entern in zwei Stufen (erst die Rock-, dann die Bläserfraktion) die Bühne, die sie die nächsten zwei Stunden souverän beherrschen werden. Blossom sind über die Jahre hinweg trotz zahlloser Besetzungswechsel (insgesamt haben 20 Leute innerhalb der fünfeinhalb Jahre mal zur festen Besetzung gehört) einerseits äußerst routiniert geworden, andererseits aber immer noch spontan genug, um diese Routine nicht zur Erstarrung werden zu lassen. "Ein Blossom-Konzert ohne technische Pannen ist kein Blossom-Konzert", meint Chefdenker Tobias, und siehe da, diesmal fällt gleich zu Beginn eines der Saxophonmikrofone aus. Hier tritt dann die Routine zutage, denn die fünfminütige Reparaturphase überbrückt die Rockfraktion mit einer Jamsession über "Rucki zucki". Bis dahin hat man "Tonight We Fall For You" und das Cover von "Down By The Riverside" schon hinter sich, und der Rest des Sets besteht aus einer bunten Querschau des Bandschaffens, hauptsächlich Eigenkompositionen, gewürzt mit ein paar Covers, etwa von a-has "Take On Me", das in der Version mit Bläsersatz anstelle von Keyboards einen ganz eigenartigen Reiz gewinnt. Gestützt wird das bunte Feierprogramm übrigens von einem erstklassigen Sound in annehmbarer Lautstärke - selbst die gelegentlich eingestreuten Keyboardpassagen gehen nicht im Gesamtklang unter, und einen akustisch schweren Stand hat lediglich Gastpercussionist Robert von Den Tornados, der in "Karibik" einige titelgemäße perkussive Klänge einstreut. Mit Marcus von Last Chapter ist ein weiterer externer Gastmusiker dabei, der den Uraltpunkrocker "Go Against The Flow" mit einer herben zweiten Stimme ausstaffiert. Und apropos Punkrock: Blossom graben noch ein zweites Exempel dieser ihrer Embroynalstilistik aus und unterbieten dessen Geschwindigkeitsrekord von bisher 53 Sekunden um zwei Sekunden. (Surreal anmutendes Element: Auf die Wand rechts oberhalb der Bühne wird per Beamer eine Stoppuhr projiziert, und im nächsten Song erlaubt sich die dafür zuständige Technikfraktion einen Scherz und beginnt auf dem zugehörigen Rechner Tetris zu spielen.) Diese beiden Songs kommen ohne das Bläsertrio aus, der überwiegende Rest aber nicht, und die Kombination aus zwei Saxophonen verschiedener Stimmlagen sowie einer Trompete erweist sich ein letztes Mal als schlagkräftige strukturelle Unterstützung. Klar, Ska ohne Bläser ist irgendwie nix, aber so organisch wie Blossom muß man die Kombination auch erstmal hinkriegen. Daneben bricht sich immer wieder der Humor der Band Bahn, etwa wenn man in "Lid'l Ska Band" plötzlich einen Techno-Part einbaut (daran sind ideentechnisch doch garantiert diverse Nitrolyt-Kreise schuld ...) oder einen als Weihnachtsmann verkleideten Posaunisten auf die Bühne holt, der schräge Weihnachtsliedmelodien intoniert. Das Tempo im Set liegt zumeist weit oben, aber im richtigen Moment nehmen Songs wie "Independent" etwas Geschwindigkeit heraus, wird mal ein Bluesbreak eingestreut oder mit anderen geschickten Schachzügen dafür gesorgt, daß auch das Interesse des nur stehenden und lauschenden Zuhörers (wenngleich der gegenüber dem pogenden an diesem Abend in der Minderheit war) nicht erlahmt. Und der reguläre Setschluß gerät dann mit zwei Akustiksongs doch ein wenig melancholisch - "So Take Me Home" als Closer, veredelt durch ein gefühlvolles Hauptsolo von Ex-Gitarrist Sebastian, erfüllt ungefähr die gleiche Funktion wie "Unsre Zeit ist vorbei" auf der Schulze-Abschiedstour anno 2002. Da aber Tobias den Feiercharakter dieses letzten Gigs in den Vordergrund stellt und keine Beerdigung inszenieren will, gibt es natürlich noch sechs Songs als Zugabe, davon einen mit weiterer Verstärkung von zwei der Ex-Bläserinnen, und hier regiert dann wieder der Frohsinn, für den man diese Band so liebengelernt hat - wenngleich mit Untertönen: Der endgültige Schlußstrich, das Five Iron Frenzy-Cover "Every Single Day", scheint geringfügig langsam-epischer gespielt worden zu sein als sonst, auch wenn das wohl kaum jemand gemerkt haben mag. Endgültiger Schlußstrich? Naja, nicht ganz. Die fertig eingespielte neue CD wird im Spätwinter 2009 noch herauskommen, und anno 2014 kann man dann ja schon mal mit der Reunion rechnen :-) Bis dahin: War schön mit Euch, und ohne Euch wird was fehlen.



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