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Schulze   06.09.2002   Annaberg-Buchholz, Silberlandhalle
von rls

Aus, Schluß, vorbei - Schulze sind nicht mehr unter den Lebenden. Analog zu Snubnose anno 2001 ließen aber auch sie es sich nicht nehmen, auf Abschiedstour zu gehen und nochmal zu verdeutlichen, daß ihr Ableben in der christlichen Jugendmusikszene doch eine gewisse Lücke hinterlassen wird, die erst einmal gefüllt werden muß. Sollte irgendjemand die Erwirtschaftung eines finanziellen Zubrots für die Post-Schulze-Zeit als Tourziel geargwöhnt haben, so bestätigte sich der Verdacht zumindest an diesem Abend in Annaberg-Buchholz nicht, denn das Konzert wurde kurzerhand zum Benefiz für die Hochwasseropfer umfunktioniert (eine Woche später standen Schulze dann auch noch in Wüstenrot beim Himmelfahrt-Benefiz-Festival auf der Bühne); erst eine Woche zuvor war in Teilen des Mittleren Erzgebirgskreises und des Kreises Stollberg sintflutartiger Regen gefallen, der diesmal auch Gebiete überflutete, die bei der ganz großen Augustflut verschont geblieben waren.
Gegen 20.15 Uhr erklang ein kultiges Intro im Stile der Sicherheitsanweisungen in Flugzeugen, und dann legten Schulze mit "Frei", "Mehr" und dem Titeltrack der "Was Wäre Wenn"-CD erstmal los wie die Feuerwehr. Das soll nicht heißen, daß sie Speed Metal gespielt hätten - aber der etwas indielastige (Hard-)Rock bestach größtenteils durch treibende Grundtempi und eine durch und durch fröhliche Basisstimmung, die nur im inhaltlichen Sinne vom Himmel gefallen kam. Jedenfalls begann schon während dieser ersten Tracks eine Migrationsbewegung in der Silberlandhalle (bautechnisch eine typische Kultur-Sport-Mehrzweckhalle): Ständig strömten von den Traversen (von denen man eine ausgezeichnete Bühnensicht hatte, aber eben auch weit von der Bühne entfernt war) hauptsächlich jüngere Besucher auf die Freifläche vor der Bühne, um entweder kollektiv mitzuhüpfen oder in mehr oder weniger großer Synchronität anderen Bewegungen oder exzessivem Mitsingen zu frönen. Mein Song-Favorit war dennoch aus anderem Holz geschnitzt: An Setlistposition 5 (das Intro mitgerechnet) intonierten Schulze eine wunderbare Halbballade namens "Bleib bei mir", einen sehr hohen Emotionenfaktor irgendwo zwischen "himmelhochjauchzend" und "zu Tode betrübt" mitliefernd. Abgesehen von einer von Sänger Frieder im Alleingang bestrittenen Pianoballade sollte dies für den Großteil des Sets aber der einzige stilistische Schlenker bleiben - das Gros der Setlist gehörte Rockern der abgehenderen Sorte, von denen allerdings einige für meinen Geschmack zu sehr nach einem gleichartigen Strickmuster zusammengeschraubt worden waren, mitunter gar Verwechslungsgefahr hervorriefen, wenn es darum ging, an die richtige Strophe auch den richtigen Refrain zu setzen. Dieses kleine Manko machten Schulze mit begeisternder Spielfreude (bei klarem Sound in angenehmer Lautstärke übrigens) aber wieder wett. Ganz besondere Erwähnung verdient Schlagzeuger Ritchie, der mit sehr engagiertem, aber nicht zerfaserndem Spiel positiv auffiel, aber auch Neu-Gitarrist Tommy (den man vom Ararat abgeseilt hatte) fügte sich harmonisch ins Ensemble ein. Keyboarder Udo traute sich bei einigen Songs den Griff zum "Zerrwanst", ohne deswegen automatisch einen Seemannsliedercharakter hervorzurufen - das Konzept der letzten Schulze-CD "Erde und zurück" scheint eher auf Flugtechnik zu basieren, wobei sich die Band halbstündige Spacerockorgien aber verkniff. Frontmann Frieder (angenehmer warmer Klargesang!) hatte die vielleicht 400köpfige Menge jederzeit im Griff, konnte bedarfsweise mal ernst werden, setzte aber auch lustige Akzente, und umgekehrt dankte die Menge der Band ihr Engagement mit oben beschriebenen Verhaltensweisen - unkritisch, aber enthusiastisch. Letztgenannte Reaktionen waren besonders im Zugabenblock mehr als gerechtfertigt: Erstens gehört schon Mut dazu, ein ausgedehntes Instrumentalsolo überhaupt in den Zugabenteil zu legen, und zweitens war das, was der ansonsten relativ unauffällig agierende Bassist Benno und Drummer Ritchie da aus ihren Instrumenten zauberten, wirklich vom Allerfeinsten. Nur gegen Ende des Hauptsets sowie des Zugabenblocks kam richtige Melancholie auf: Einesteils, weil es ja ein Abschiedskonzert war (mit ungewisser Reunion, auf die man bei vielen sich auflösenden Bands heutzutage ja fast warten kann), zweitens, weil die Verbindung Schulzes zu Annaberg schon immer eine sehr emotionsgeprägte war (schließlich hatte die Band hier bereits in früheren Jahren dreimal gnadenlos abgeräumt), und drittens, weil Schulze geschickterweise sowohl ans Ende des Hauptsets als auch als allerletzte Zugabe eine angezähte, melancholische Hymne gelegt hatten. Zunächst war dies der Titeltrack der letzten CD "Erde und zurück", ein grandioser Midtemporocker mit einem dieser Schulze-typischen einprägsamen Refrains, und schließlich gingen mit dem programmatischen "Unsre Zeit ist vorbei" die Lichter endgültig aus.



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