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Münchener Freiheit   02.06.2007   Leipzig, Markt
von rls

Das 16. Leipziger Stadtfest stand auf dem Programm, und nachdem Alphaville den ersten Abend auf der größten der vier in der Innenstadt verteilten Bühnen, nämlich der auf dem nach langzeitigen Einschränkungen wegen des Citytunnel-Baus endlich wieder begehbaren Markt, geheadlint hatten, fiel diese Aufgabe am zweiten Abend der Münchener Freiheit zu. Die strukturelle Lage glich prinzipiell der im Review zum Gig beim Radeberger Brauereifest anno 2005 beschriebenen, wenngleich mit dem Unterschied, daß die Präsenz der aktuellen CD "XVII" in den einschlägigen Tonträgergeschäften der Elektromärkte deutlich ubiquitärer anmutet als die der damals aktuellen CD "Geile Zeit", die man offenbar nur unter gewissen Schwierigkeiten auftreiben konnte - zumindest sah sie der Rezensent nur sehr selten dort stehen. Auch die Tour zu besagtem Album hatte er verpaßt und konnte daher nur vage Vermutungen über die Unterschiede des regulären Toursets zum Radeberger-Set anstellen. Das war diesmal anders - zum Grundsätzlichen kann der geneigte Leser also auch das Review zum "XVII"-Tourauftakt im März 2007 in Chemnitz nachlesen.
Aber der Reihe nach: Nachdem der vorherige Act, ein recht cooles Rock'n'Roll-Trio namens Tom Twist, das u.a. kompetent Repertoire pflegte, welches man vor 35 Jahren von Led Zeppelin geboten bekam, die Bühne verlassen hatte, wurde die Umbaupause, wie das bei solchen Veranstaltungen leider Usus geworden ist, mehr schlecht als recht von den pseudowitzigen Moderatoren eines Radiosenders überbrückt, wobei dankenswerterweise der Nervfaktor diesmal ein Stück niedriger lag als bei der endlosen Leidensgeschichte beim Radeberger-Fest, aber immer noch hoch genug, um aufzuatmen, als dieses Trio die Bühne für den Headliner räumte. Die Münchener Freiheit machte dem Terminus "kam, sah und siegte" diesmal alle Ehre, denn während das unspezialisierte Radeberg-Publikum noch phasenweise durch Lethargie geglänzt hatte, fraßen die Leipziger und ihre Gäste den fünf Bajuwaren schon beim Eröffnungstripel "Tausendmal Du", "Geile Zeit" und "Herzschlag ist der Takt" aus der Hand. Der aufmerksame Leser bemerkt, daß das auch das Eröffnungstripel der regulären Tour gewesen war, und knappe anderthalb Stunden später hatte man die Erkenntnis gewonnen, daß sich auch der restliche Set kaum vom normalen Tourprogramm unterschied, wenn man von drei Streichungen absieht, die vermutlich aufgrund einer Spielzeitbeschränkung notwendig geworden waren (man hatte schon etwas verspätet begonnen, hernach sollte noch eine Robbie Williams-Coverband spielen, und ein Curfew war angesichts der innerstädtischen Lage sicherlich auch einzuhalten). Daß von den neuen Songs nun ausgerechnet "Ich will dich nie wieder verliern" gekickt wurde, erscheint zwar bei näherer Analyse logisch (die beiden Singles "Nichts ist wie du" und "Bis ans Ende der Welt" - langsam gewöhnt man sich an die Liveversion des letzteren, wenngleich bis zum Highlight immer noch was fehlt, vor allem mehr Mut zur Variation in der endlosschleifigen Keyboardlinie - konnte man schlecht streichen, den Blues-Farbtupfer "Sorry" wollte man wohl nicht opfern, und damit blieb nur noch die Wahl zwischen "Ich will dich nie wieder verliern" und "Mein schwerster Fall", wobei die für den Rezensenten wohl annehmbarste Lösung die Opferung von "Du bist nicht allein", einem der Studioboni von der 2006er Best Of, gewesen wäre, denn der andere Bonus "Kleine Wunder" bestach diesmal vor allem durch die feine Satzgesangpassage nach dem Solo), beglückte aber nicht sonderlich; außerdem fiel "Land der Fantasie" heraus, das es nach einiger Zeit der Abstinenz gerade erst wieder ins Liveprogramm geschafft hatte (zur dritten Streichung siehe weiter unten im Text). Dagegen ehrt es die Band, daß sie auch vorm nichtspezialisierten Publikum weiterhin an der ausgewalzt-musikantischen Version von "Sommernachtstraum" (erneut versagen Worte bei seiner Beschreibung, sowohl beim regulären Teil als auch beim bombastrockenden Soloeinschub, der meinetwegen auch doppelt oder dreimal so lang ausfallen darf) festhält, wobei sich diese langsam zum Liverenner entwickelt, wenn man die Publikumsreaktionen der bisher vier vom Rezensenten miterlebten Aufführungen als Maßstab nimmt - hier lief es gar darauf hinaus, daß das Stimmungsbarometer im Publikum nach dem Zentralblock neuerer Songs an dieser Stelle wieder ein gutes Stück nach oben stieg. Ansonsten herrschte eine anderthalbe Stunde business as usual auf hohem bis höchstem poprockigem Niveau (daß die nicht schlechte, aber recht langweilige Ohne-Orchesterkonserve-Version von "So lang man Träume noch leben kann" das Lowlight des Sets bildete, spricht Bände ob der allgemeinen Qualität), dargeboten von fünf nahezu perfekten Musikern (zwei, drei kleine Aussetzer bei Keys und Vocals, etwa in "Ich will dich nochmal", sollte man nicht überbewerten) bei sehr gutem Sound, der nur gegen Ende hin, als auch der Soundmensch dieses Abends von der alten Soundmensch-Versuchung befallen wurde, die Regler schrittweise nach oben zu schieben, einige Verwaschungen erlitt. Entertainerqualitäten bewies Stefan zudem, als er vor "Ihr kommt zu spät" eine Schlagzeugreparaturpause überbrücken mußte und daraufhin spontan bayrisches Liedgut am Keyboard intonierte. Der erste Zugabenblock bestand wie schon auf der regulären Tour aus den zwei Classics, die noch fehlten, nämlich "Oh Baby" und "Bis wir uns wiedersehn", und als man sich danach schon auf das übliche Coverspecial als letzte Zugabe freute, betrat der Radiomoderator wieder die Bühne und erstickte die Zugabeforderungen im Keim, so daß es also zwangsweise zur dritten Streichung gegenüber dem Tourset kam. Trotzdem ein schöner Gig und ein erneuter Beweis, daß die Truppe noch lange nicht zum alten Eisen gehört (huch, das war ja in ähnlicher Form auch schon das Fazit des Tourreviews ...).



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