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Lortzing-Wettbewerb 2007, Finalrunde   01.02.2007   Leipzig, Hochschule für Musik und Theater
von rls

Zum sechsten Mal lobte der LionsClub Leipzig den Lortzing-Preis für den singenden Nachwuchs an der Leipziger Musikhochschule aus, und nachdem die erneut hochkarätig besetzte Jury (mit maßgeblichen Entscheidungsträgern der großen Leipziger Musikinstitutionen) in der Vorrunde ein immer konsequenteres Zusammenrücken der Leistungsgrenzen konstatiert hatte, schafften es diesmal nicht vier, sondern gleich sieben jugendliche Sängerinnen und Sänger ins Finale. Wie schon bekannt, war in der Finalrunde jeweils einmal Mozart und einmal Bach zu singen, allerdings kam es anno 2007 gleich mehrere Male zur Situation, daß Angehörige des gleichen Stimmfaches auch denselben Finalbeitrag sangen. Das hatte den Vorteil, daß man so hervorragende Direktvergleiche anstellen konnte, allerdings auch den Nachteil, daß man als Hörer beim dritten "Batti, Batti" oder gar beim vierten "Ich folge dir gleichfalls" irgendwann zu ermüden begann.
Paradoxerweise hatten es ausschließlich Protagonisten der hohen Stimmlagen ins Finale geschafft, nämlich fünf Sopranistinnen und zwei Tenöre. Einer der letzteren eröffnete den Reigen, und zwar Martin Lattke. Was der kann, weiß der Kenner aus seiner Zeit bei Calmus oder seinem jetzigen Engagement bei Amarcord; allerdings schaffte er es an diesem Abend nicht ganz, sein Können adäquat zu transportieren. Er verfügt über eine sehr schöne, eher weiche Stimme, hatte aber in der Tamino-Arie "Dies Bildnis ist bezaubernd schön" aus der "Zauberflöte" ein paar Schwierigkeiten mit den "schleifenden" Tönen und bekam in Bachs "Erbarme dich" auch noch leichte Luftprobleme, was sich in einer sehr ruckartigen Atmung äußerte. Rein stimmlich wie gesagt sehr schön, technisch aber noch ausbaufähig.
Jennifer Porto war die erste Kandidatin mit dem oben erwähnten "Standardprogramm". "Batti, Batti" aus "Don Giovanni" offenbarte allerdings noch Reserven, was die Eleganz der schnellen Läufe besonders in Höhenlagen anging; zudem besaß ihre Stimme noch relativ wenig Durchsetzungskraft und wurde daher in manchen Passagen vom als Begleitung gedachten Klavier zu sehr in den Hintergrund verbannt. Zudem merkte man ihr in Bachs "Ich folge dir gleichfalls" aus der Johannespassion noch leichte Probleme in der Gestaltung der Zischlaute an, was sie mit einer eher instrumentenhaften Anlage der Gesangslinie zu kompensieren trachtete. Allerdings ließ die gewählte hohe Geschwindigkeit der Bach-Arie unterm Strich gar nicht mehr so viele Gestaltungsmöglichkeiten.
Victoria (Eun Hyun) Kang setzte den "Zauberflöten"-Reigen mit "Ach, ich fühl's" fort und wußte besonders in den sehr emotionalen Passagen zu punkten, setzte aber vergleichsweise rabiate Breaks, die eine etwaige eskapistische Stimmung erfolgreich torpedierten. In "Ich folge dir gleichfalls" übertraf sie temposeitig ihre Vorgängerin gar noch, schaffte es aber dennoch, irgendwie souveräner zu wirken, wenngleich es auch hier mit der Gestaltung schwierig wurde.
Paul Kaufmann hatte es als zweiter Tenor ins Finale geschafft und nahm sich die Freiheit, die Komponistenfolge zu vertauschen. Er begann also mit Bachs "Erbarme dich" und versuchte damit den Beweis anzutreten, daß Bach ein Protagonist der italienischen Oper gewesen sein müsse, was ihn bei der Jury ein paar Punkte im Hinblick auf Stilsicherheit gekostet haben dürfte. Volumen hat seine Stimme jedenfalls, Gestaltungsfähigkeit war auch da, sogar in recht intensivem Maße ausgelebt - aber ob das alles so richtig in die Bachkantate paßte? Eher wohl nicht, aber im größeren Maße auf jeden Fall in Mozarts "Frisch zum Kampfe" aus der "Entführung aus dem Serail", denn hier saß fast alles, und diese starke Leistung, die das Publikum mit besonders lautem Applaus würdigte, hätte die Kastanien aus dem Feuer holen können, wenn diese nicht zuvor schon verbrannt gewesen wären.
Nadja Mchantaf setzte dem aber noch eins drauf, denn sie stellte in "Batti, Batti" unter Beweis, daß sie mit ihrer Stimme Bilder malen kann. Da steckte Harmonie dahinter, da saßen die Übergänge wie eine Eins, da war nötigenfalls Power, da war eine einfach nur schöne Stimme. Genau diese Harmonie war aber das Problem in der Bach-Arie "Aus Liebe will mein Heiland sterben" aus der Matthäuspassion, denn die war schlicht und einfach zu schön angelegt, um hier Hintergründe zu offenbaren, und verklebte somit ein wenig den Blick auf das Wesentliche (wobei, wie wir aus "Hilfe, Hilfe, die Globolinks!" wissen, die Halbsyrerin prinzipiell aber auch im energisch-zupackenden Fach zu bestehen vermag). Trotz der Einschränkung hätte hier angehörs der hervorragenden stimmlichen Leistung durchaus der erste Preis fallen können.
Daß auch Tina Hermann prinzipiell zu den Fähigen ihrer Zunft gehört, weiß man seit "Mozart Null-Sechs". Sie legte denn auch große Eleganz in "Batti, Batti", hätte allerdings noch einen Tick mehr Durchsetzungsvermögen mit der entscheidenden Powersteigerung an den richtigen Stellen benötigt und wirkte insgesamt zu angespannt, was man besonders in "Ich folge dir gleichfalls" bemerkte, das ebenfalls im Hyperspeed daherkam und einen überhasteten Eindruck hinterließ.
Den Schlußpunkt setzte Julia Sophie Wagner, die sich unlängst bereits ein Stipendium des Hochschul-Freundeskreises ersungen hatte. "Ach, ich fühl's" eröffnete gleich die zentralen Stärken ihrer Stimme: große Leichtigkeit, auch in den Höhen nicht grell, sondern immer leicht gedeckt klingend, und die Fähigkeit zum pianissimo in der Höhe (wenngleich kein schmelzendes aufgrund der erwähnten Gedecktheit), dazu eine selbstvertrauende Souveränität, die allerdings an manchen Stellen einen schon fast routinemäßigen Charakter anzunehmen drohte (was aber auch ein subjektiver Eindruck angesichts der eingangs erwähnten Ermüdungserscheinungen gewesen sein könnte). Von den vier Damen mit "Ich folge dir gleichfalls" war Julia die "langsamste" (wenngleich immer noch so schnell, daß Bach wohl unwillig im Grabe rotiert haben mag) und daher auch diejenige, die am meisten Gestaltungsspielraum hatte und diesen auch nutzte, wenngleich die gedeckte Stimme hier gerade nicht von Vorteil war. Trotzdem eine gute Gesamtleistung, und die wurde von der Jury unterm Strich auch mit dem 1. Preis belohnt (die anderen Plätze werden bei diesem Wettbewerb nicht vergeben), zudem erhielt Takahiro Nagasaki den Begleiterpreis, und damit auch Namenspatron Lortzing zu seinem Recht kam, durfte sein reichhaltiger Schaffenskanon neben Vorrundenbeiträgen auch wieder die Siegerarie stellen. Das diagnostizierte homogene Niveau aus der Vorrunde bestätigte sich im Finale also tatsächlich, und obwohl noch Arbeit vor allen Finalisten liegt, dürfen sie ausnahmslos diesen Wettbewerb als Erfolg werten.



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