www.Crossover-agm.de King Diamond, Mercenary, After All   09.06.2006   Glauchau, Alte Spinnerei
von rls

Trotz WM-Auftaktes und der Tatsache, daß diesmal kein Fernseher in der hinteren Bar hing, fand sich eine erkleckliche Anzahl an Besuchern in der Alten Spinnerei, um das internationale Package zu begrüßen, das sich allein bezüglich der bühnenaktiven Personen immerhin aus fünf Nationen zusammensetzte, von denen allerdings keine an diesem Abend auf dem WM-Spielplan stand (es sind ja eh nur zwei von den fünfen dabei, nämlich Schweden und die USA). Der belgische After All-Fronter Piet nutzte natürlich trotzdem die Gelegenheit, sich beim deutschen Publikum beliebt zu machen, indem er der deutschen Mannschaft zum 4:2-Auftaktsieg gegen Costa Rica gratulierte. Seit der letzten Platte "The Vermin Breed" ist immerhin schon wieder ein reichliches Jahr ins Land gezogen, die schon seit weit mehr als einer Dekade aktiven Belgier hatten dieses Album u.a. als Support für Agent Steel betourt und präsentierten sich als homogene und gut aufeinander eingespielte Einheit, die etwas über eine halbe Stunde relativ geradlinigen Thrash ablieferte. Im Vergleich zur Platte war der Set geringfügig tempolastiger ausgefallen, was vermutlich auch daran lag, daß man von der neuen, im Sommer zu erwartenden CD eher die schnelleren Exempel herausgepickt hatte, wenngleich der Höhepunkt zweifellos vom neuen "Frozen Skin", gleich an zweiter Setposition gespielt, gestellt wurde, das geschickt zwischen Hyperspeed, einigen relaxten Elementen und einem epischen Mittelteil pendelte. Wenn's davon auf der neuen Platte noch ein paar mehr gibt, darf man sich sehr drauf freuen, und vielleicht hat Piet auch sein melodisches Vermögen darauf noch ein wenig ausgebaut - im Gig zeigte er jedenfalls ein wenig mehr davon als noch auf "The Vermin Breed", wenngleich er soundlich einen Tick zu weit im Hintergrund stand, so daß der akustische Fokus eher auf den Gitarristen lag. Die hatten den allerdings auch verdient.
Danish Dynamite zum ersten kam danach von Mercenary, wenngleich die auf "11 Dreams" den Metalfaktor, der noch auf dem unkategorisierbaren "Everblack"-Vorgänger eine sehr markante Rolle gespielt hatte, offensichtlich ein gutes Stück gesenkt hatten. Auch die Elf Träume sind nicht mehr aus der letzten Nacht, so daß die Dänen gleichfalls die Möglichkeit nutzten, neue Stücke live anzutesten, wobei auffiel, daß diese doch einen Tick kerniger zu Werke gingen als das zwar recht hymnische, aber auch recht relaxte "11 Dreams"-Material, wobei festzuhalten bleibt, daß Mercenary noch nie (soweit ich das beurteilen kann - ich kenne ihr Debütalbum nicht) die großen Härtner waren. Allerdings hatten sie an diesem Abend ein eigenartiges soundliches Problem, nämlich einen zu klaren Sound - jawohl, kein Scherz: Es wollte sich kein Gesamtklang einstellen, alles hörte sich ein wenig nach klinischem Nebeneinander an, und der Baß fehlte über weite Strecken gleich mal ganz, auch von den Keyboards war nicht so sehr viel zu vernehmen. Für Mikkels extrem hohen Schreigesang ist mit dem Sänger von Avenged Sevenfold mittlerweile ein passendes Vergleichsobjekt aufgetaucht, aber Duettpassagen mit Bassist Kral endeten meist mit dessen akustischem Sieg, obwohl oder gerade weil der sich auch vom wilderen Geschrei und Gegrunze wegbewegt hatte. So richtig zünden wollte die Mercenary-Mischung aus Power Metal, Gothic, Göteborg und noch diversen anderen Elementen an diesem Abend nicht, auch Mikkels Anfeuerungsrufe blieben meist erfolglos, und mit dem Titeltrack zu "11 Dreams" verabschiedete sich das Sextett unter freundlichem Applaus in die Kabinen, ohne "Seize The Night", den ultimativen Track von "Everblack", gespielt zu haben.
Danish Dynamite zum zweiten lieferte der King, und diesmal gab es eher den gewünschten Wumms, auch in soundlicher Hinsicht, wenngleich man es mit der Lautstärke, die bei den beiden Supports noch angenehm zu hören war, diesmal gleich wieder etwas übertrieb, aber wenigstens die mulmigen Gefahren hoher Lautstärke umgehen konnte. Unterstützt von einer internationalen Mannschaft, die king-untypisch hohe Stabilität besitzt und auch schon anno 2001 in Zwickau auf der Bühne gestanden hatte, setzte der König aller Diamanten im ersten Setteil alles auf die "Abigail"-Karte, wie schon die Bühnendekoration deutlich machte, die mit dem schmiedeeisernen Friedhofszaun zwischen Publikum und Bühne allerdings auch eine gewisse Distanz wahrte, was einer der Gründe gewesen sein könnte, daß der Funke trotz bekannter Klassikersongs einige Zeit zum Überspringen brauchte. Falls jemand gehofft haben sollte, beide "Abigail"-Teile am Stück oder auch in durchmischter Suitenform dargeboten zu bekommen, wurde er allerdings enttäuscht, als mit "Come To The Sabbath" die Mercyful Fate-Schachtel geöffnet wurde; über die damit verbundene Symbolik enthalte ich mich eines jeden Kommentars, ansonsten ließ der King zumindest im zweiten Teil aber mehr als beim Gig von vor fünf Jahren die Musik sprechen und reduzierte die Rolle der floridanischen Tänzerin und Schauspielerin, über deren Bewegungen man nach wie vor geteilter Meinung sein darf, wenngleich offensichtliche choreographische Lapsi wie damals in "Voodoo" diesmal ausblieben. Die Band präsentierte sich jedenfalls ausgezeichnet aufeinander eingespielt, und über die Klasse der beiden schwedischen Gitarristen Mikael Vikström und Anders Allhage, besser bekannt als Mike Wead und Andy LaRocque, braucht man wohl keine Worte mehr zu verlieren; sie spielten sich die akustischen Bälle praktisch in blindem Verständnis zu. Nur die ungarische Backingvokalistin hatte einen undankbaren Job erwischt, denn außer in zwei, drei ruhigeren Passagen hörte man sie im Prinzip überhaupt nicht, im Gegensatz zum King natürlich, der sich gekonnt durch sein gesamtes Spektrum vom Grollen bis zum Falsett jonglierte, woran ihn auch sein zunehmendes Alter nicht zu hindern scheint. Trotz eines durchaus eingeschränkten musikalischen Spielraums, den man heute bei einer gleich klingenden Nachwuchsband im Progressive Power Metal-Fach verorten würde (wer würde vom King eine Metalcore- oder Death Metal-Scheibe erwarten?), gelang es, einen knapp zweistündigen historischen Streifzug zusammenzustellen, der an keiner Stelle zum Gähnen animierte und beispielsweise bewies, daß der King auf "The Eye" von 1990 schon die schrägen und beim Headbangen höchste Rhythmusnot hervorrufenden Taktverschiebungen eingebastelt hatte, die Jörg Michael ab dem 1996er "Episode"-Werk bei Stratovarius einzuführen begann. Klarer Fall, daß es ohne Zugaben nicht abging, und nach "Halloween" wähnte mancher schon das Gigende gekommen, aber frenetische "Diamond, Diamond"-Rufe ließen den Gerufenen abschließend doch noch einmal in die Mercyful Fate-Schachtel greifen.



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