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The Machine   01.11.2005   Chemnitz, Stadthalle
von rls

Es gibt ja generell vier Sorten von Coverbands. Die eine spielt sich quer durch die komplette Musikwelt von Johann Strauß bis Nu Pagadi, die zweite konzentriert sich zumindest auf das Schaffen eines Stils (da fiele also beispielsweise eine Metal-Coverband mit Songs von Guns'n'Roses bis Cannibal Corpse drunter, wobei sich natürlich noch Subgruppen ergeben, wenn man sich beispielsweise auf Italometal zu fokussieren gedenkt), die dritte beschränkt sich auf das Liedgut einer Band (mit eventueller Erweiterung um Sideprojects dieser Band; Demons Eye als Deep Purple-Coverband beispielsweise spielen auch Songs von den "Ablegern" Whitesnake und Rainbow), und die vierte schließlich erschafft nur eine ganz bestimmte Phase der gecoverten Band neu (The Musical Box gehen beispielsweise mit dem Set der Genesis-Tour zu "The Lamb Lies Down On Broadway" auf die Bretter). The Machine gehören zur dritten Kategorie, wobei der Bandname noch alle Möglichkeiten offenläßt, um wen es sich bei der gecoverten Band denn handelt (der Terminus "Machine" kommt ja nun in Song- und Plattentiteln aus allen möglichen und unmöglichen Genres vor). Die Lösung liegt auf "Wish You Were Here" verborgen, einem der Mittsiebziger-Alben von Pink Floyd, denn dort steht der Song "Welcome To The Machine", welchselbiger als Inspirationsquelle für die Namensgebung eines australischen Quartetts diente. Nun habe ich den strukturellen Nachteil, den von anderen Kollegen bescheinigten sehr hohen Authentizitätsgrad des Nachschaffens der Pink Floyd-Werke durch The Machine nicht beurteilen zu können - ich besitze schlicht und einfach kein Livealbum von Pink Floyd (derer es ja mehrere gibt, beispielsweise das originell in einer Box mit batteriebetriebenen Lichtpunkten verpackte "Pulse"), und ich habe es auch noch nie fertiggebracht, Pink Floyd live zu sehen (was meinem noch verhältnismäßig jugendlichen Alter geschuldet ist - die letzten Liveaktivitäten Pink Floyds in räumlich erreichbaren Gefilden liegen ja schon Äonen zurück). Sollte also jemand in diesem Text Analysen der Marke "Gilmour hat aber beim Gig am 16. Mai 1976 in Buxtehude in der vierten Minute von 'Pigs' im Break e statt es gespielt - warum ist das heute anders gewesen?" erwarten, muß ich ihn oder sie leider enttäuschen.
Zur Sache: Die Stadthalle in Chemnitz, die einen Tag zuvor noch das Grande Finale eines großen Gospelfestivals gesehen hatte, war ordentlich gefüllt, allerdings ein gutes Stück vom "Ausverkauft"-Status entfernt, und der Rezensent stellte bei einem Blick ins Publikum schnell fest, daß er zum jüngsten Prozent im Rund gehört haben dürfte. Nahezu pünktlich betraten The Machine ohne pompöses Intro die Bühne, Gilmour (natürlich nicht Gilmour, sondern sein Vertreter - ich setze angesichts des Anspruchs von The Machine zur möglichst authentischen Reproduktion in diesem Review kurzerhand die Originalnamen ein, was aufgrund der fast anderthalb Jahrzehnte konstanten Besetzung ja auch kein strukturelles Problem aufwirft; bei sagen wir mal Rainbow wäre das schon schwieriger ...) begrüßte das Publikum mit einem freundlichen simplen "Good evening", und in den nächsten Minuten baute das Quartett einen unglaublichen instrumentalen Spannungsbogen auf, der bis zur Pause nach knapp einer Stunde auch nicht mehr abflaute, sondern lediglich auf verschiedenen Levels durchgehalten wurde. Was passierte da songtechnisch? Ganz einfach: The Machine spielten das "Animals"-Album komplett durch. Selbiges stellt bekanntlich Kunstrock auf höchstem Niveau dar, geht gar als Programmusik durch, was in diesem Zusammenhang als Kompliment zu begreifen ist (in der sogenannten E-Musik des späten 20. Jahrhunderts war der Terminus ja eher verpönt). Von den behandelten Tieren durften sich zwei auch selbst zu Wort melden - die Schafe (aufmerksamen Beobachtern dürfte aufgefallen sein, daß in der eingesampelten Weideszene im Outro gegenüber der analogen Passage im Intro eine der zwitschernden Vogelstimmen zu fehlen scheint) und die Schweine (diese allerdings nur indirekt, nämlich durch Gilmour mittels einer Talkbox auf der Gitarre simuliert, was völlig verzweifelt anmutende Laute ergab - eine bedrückende wie beeindruckende Passage). Spätestens an dieser Stelle wurde deutlich, wie sehr solche "sprechende" Musik eines klaren Soundbildes bedarf - in diesem Punkt gab es gottlob nahezu nichts auszusetzen, lediglich die Durchhörbarkeit der mehrstimmigen Passagen ließ ein wenig zu wünschen übrig, waren Wrights und Waters' Mikros ein wenig zu stiefmütterlich behandelt worden. Ansonsten konnte man sich über ein kristallklares Soundgewand freuen, das zudem unter Beweis stellte, daß man Rockmusik auch ohne völlig überlautes Schlagzeug live darbieten kann (hätte man das vorher gewußt, hätte der diesbezüglich oftmals geplagte Rezensent den Gig zur Pflichtveranstaltung für alle lokal ansässigen Livemischer von Rock- und Metalbands deklariert). An Showelementen beschränkten sich The Machine auf das Plastikschwein, das während "Pigs" im Publikumsraum von links nach rechts schwebte und dort auch bis zur Pause hängenblieb - es war allein schon aus Platzgründen natürlich kleiner als bei Pink Floyd, die bei Open Airs schon mal 17 Meter große Figuren dabeihatten, und es stellte eine interessante biologische Mischung dar: die rosa Färbung stammte vom Hausschwein, die vorstehenden Eckzähne dagegen eher vom Wildschwein, und der Körperhabitus erinnerte teilweise an ein indisches Panzernashorn. Ansonsten ließen The Machine hauptsächlich die Musik für sich sprechen, denn erstaunlicherweise hielt sich auch die Lichtshow eher in Grenzen und konzentrierte sich auf den Lichtkreis links hinten an der Bühne, den man übrigens auch im Bandlogo von The Machine wiederfindet (die Scheinwerfer auf der rechten Bühnenseite dagegen brachten es fertig, mich teilweise rapide zu bleinden - und ich saß im Parkett in der hintersten Reihe!). Nicht reproduzieren konnten The Machine die Düsternis, die die Passage mit dem abgewandelten 23. Psalm in "Sheep" original ausgestrahlt haben dürfte - das liegt aber einfach an den seit 1977 drastisch gewandelten Hörgewohnheiten; man ist da heutzutage ganz andere Sachen gewöhnt, seien es Pseudofinsterlinge wie Marilyn Manson oder tatsächliche Apokalyptiker wie die legendären Amis Winter. Dafür packte Wright in "Pigs" eines jener tragbaren Keyboards aus, die seit Modern Talking eigentlich allenfalls noch von Spocksbärtler Ryo Okumoto benutzt werden dürfen, und hopste damit über die geräumige Bühne, wenn er nicht gerade mit der einen Hand das tragbare Keyboard und mit der anderen auf einem der stationären Manuale spielte. Immerhin sorgte er damit für die nahezu einzige Bewegung auf der Bühne, denn Gilmours Bewegungsradius blieb auch in den zahlreichen Instrumentalpassagen eher klein, Mason war ja sowieso an seinen Platz hinter den Drums gebunden, Waters beschränkte sich auf ein paar Schritte vor und zurück, und der Gastsaxophonist sorgte erwartungsgemäß auch nicht für große Bühnenaction, dafür aber für etliche phantastische Solopassagen, für die er zu Recht donnernden Applaus erhielt.
Nach der Pause ging's dann quer durch den von Pink Floyd bestellten Gemüsegarten, wobei natürlich der eine oder andere Wunsch offenbleiben mußte. "Shine On You Crazy Diamond" eröffnete den zweiten Teil, wobei diese Darbietung aber nicht ganz an die brillante Studioumsetzung von Transatlantic heranreichte. Die Sonneneffekte im Lichtkreis ließen danach "Set The Controls For The Heart Of The Sun" erwarten - aber falsch gedacht, aus den Blubbersounds entwickelte sich der Bandnamensgeber "Welcome To The Machine". Überhaupt nahm das "Wish You Were Here"-Album (dessen Titelzeile der Rezensent an diesem Abend mal wieder in wörtliche Sinnzusammenhänge hätte stellen können) einen breiten Raum in der Setlist ein, "Set The Controls ..." dagegen fehlte ganz, und falls sich im Publikum Nightwish-Fans befunden haben sollten, die erst aufgrund deren "High Hopes"-Cover auf Pink Floyd gestoßen sind, gingen diese auf der Suche nach dem "Original" ebenfalls leer aus. Dafür wurde selbst das Debüt "Piper At The Gates Of Dawn", auf dem Gilmour damals noch gar nicht zu hören gewesen war, bedacht, und zudem - das dürfte die eigentliche Überraschung gewesen sein - stellte das nach dem Ultra-Erfolg "The Wall" etwas hinten runter gefallene Folgealbum "The Final Cut" (dort fehlte im Original Wright) gleich zwei Songs zur Verfügung. Zur Zugabe schließlich übertrug Gilmour dem Publikum die Aufgabe mitzusingen, was dieses in den Chorpassagen zu "Another Brick In The Wall 2" auch bravourös bewältigte (gut, die Aufgabe war ja auch nicht allzuschwer ...). Nach diesem Song und etwa drei Stunden Nettospielzeit verließen die Australier die Bühne - und das Publikum applaudierte noch kurz, begann aber ebenfalls umgehend mit der Abwanderung, noch ehe überhaupt das Hallenlicht wieder anging. Sollte eine weitere Zugabe geplant gewesen sein, ging Chemnitz dieser also auf skurrile Art verlustig. Das beeinträchtigt aber nicht das generelle Verdikt über diesen Gig, welches fast uneingeschränkt positiv ausfällt. Die Band agierte auf höchstem Niveau und hatte sichtlich Spaß am Gig, das Publikum war offensichtlich zufrieden - was will man noch?



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