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Demons Eye   07.09.2002   Schlettau, Festzelt Naumannplatz
von rls

Coverbands, die entweder mit den gängigen Top 40-Hits oder, um mal im Metalbereich zu bleiben, mit einem bunten Potpourri metallischer Gassenhauer unterwegs sind, gibt's wie Sand am Meer - konsequente Tributebands sind dagegen schon seltener. Zu dieser letztgenannten Spezies gehören Demons Eye, die sich dem Schaffen einer der ganz großen, stilprägenden Hardrockbands verschrieben haben: Deep Purple. Nun weilen Deep Purple selbst ja auch noch (bzw. wieder) unter den Lebenden, auch wenn nach Jon Lords Ausstieg mit Drummer Ian Paice mittlerweile nur noch ein Mitglied der 1968er Urbesetzung an Bord ist (dafür mit Sänger Ian Gillan und Bassist Roger Glover zumindest noch zwei weitere der "klassischen" Mark II-Besetzung), aber sie werden nicht jünger, und gerade Ian Gillans doch etwas eingeschränkte Stimmkraft sorgte beispielsweise dafür, daß auf meinem ersten (und bisher auch einzigen) Deep Purple-Konzert anno 1996 in Halle mein Alltime-Favorit "Child In Time" nicht mehr in der Setlist auftauchte. Nichtsdestotrotz muß sich jede Tributeband etwas einfallen lassen, um die Leute dazu zu bewegen, sich eben nicht das Original, sondern die "Kopie" anzusehen (oder auch beide). Technische Brillanz und exaktes Einfühlungsvermögen gehören bei solchem Weltklassematerial, wie es Deep Purple über weite Strecken geschrieben haben, als Grundvoraussetzung dazu. Nach diesem Abend - das sei vorweggenommen - weiß ich aber, warum Roger Glover Demons Eye als die beste Deep Purple-Tribute-Band, die er jemals gesehen habe, adelte.
Doch der Reihe nach: Leicht verspätet eröffneten die Mannen aus dem Siegerland mit "Burn", und sobald man sich an die hohe Lautstärke gewöhnt hatte, wurde zunächst klar, daß sich die vier Instrumentalisten spieltechnisch wahrlich nicht zu verstecken brauchten. "Black Night" folgte auf dem Fuße, und dessen Schreiparts gegen Ende zerstreuten auch meine von "Burn" genährten Zweifel, ob Sänger Jens Kreikebaum eben diese Schreie auch hinbekommen würde (die speziell von Glenn Hughes in "Burn" gern eingebauten Schreipassagen hatte er nämlich in normaler Tonlage gesungen): Man hätte mit geschlossenen Augen durchaus einen jungen Ian Gillan akustisch vor sich wähnen können. Der Sänger hatte überhaupt die schwierigste Aufgabe des gesamten Abends, denn in der Setlist fand sich Material, das original von sieben verschiedenen Sängern interpretiert worden war. Damit sind wir schon beim nächsten Punkt, mit dem sich Demons Eye große Sympathien nicht nur bei mir, sondern auch beim Rest des Publikums erspielten: der Songauswahl. Einesteils ließ die Band dabei keine der Deep Purple-Besetzungen bis 1991 unberücksichtigt (was bedeutet, daß selbst ein Track vom allgemein wenig geliebten, aber im Publikum offenbar doch positiven Anklang gefunden habenden "Slaves And Masters"-Album zum besten gegeben wurde, und das auch noch gleich nach "Black Night" - im Gegensatz zum argentinischen "Suenos De Purpura"-Tribute-Sampler, der gleich zu einem Drittel aus "Stormbringer"-Material besteht, blieb dieses Album hier übrigens völlig unberücksichtigt), zum zweiten beantworteten "Stargazer", "Man On The Silver Mountain", "Since You've Been Gone" und ein paar weitere Tracks die vorab bei mir aufgekommene Frage, ob denn auch Rainbow-Material berücksichtigt werden würde (diese "Abschweifung" vom eigentlichen Sujet wurde hingegen nicht bzw. nur in einem klitzekleinen Ausnahmefall auf weitere Deep Purple-Ableger wie Whitesnake, die Ian Gillan Band oder Jon Lords Soloalben ausgedehnt), und zum dritten spielten Demons Eye neben den "Standards" (von denen im Prinzip nur "Speed King" fehlte) auch jede Menge Tracks aus der zweiten Reihe. Damit hatten Deep Purple seit 1993 live auch schon angefangen, z.B. mit "Bloodsucker", "Pictures Of Home" (beide auf der 96er Tour) oder "Anyone's Daughter" (auf Ritchie Blackmores letzter Tour anno 1993), aber Demons Eye führten dieses Konzept ein gutes Stück Weges weiter, indem sie auch Songs ausgruben, die Deep Purple selbst noch nie live gespielt haben. Ein beeindruckendes langes Instrumental gehörte dazu (sollte das "April" gewesen sein? Ich habe die zugehörige Platte nicht!), und Stücke wie "Flight Of The Rat" oder "Rat Bat Blue" dürfte man von den Purplianern auch seit Äonen nicht mehr gehört haben. Mit dem Bandnamensgeber "Demons Eye" konnte man schon rechnen, mit einer Mixtur aus "The Bird Has Flown" und "Mandrake Root" aber vielleicht weniger. "This Time Around" und "Owed To G" markierten die Verbeugung vor Tommy Bolin, "Hush" wiederum war der allererste Deep Purple-Hit aus dem Jahre 1968, zu dem "Locomotive Breath" als Titel auch irgendwie gut gepaßt hätte, und als Gegenpol saß auch das fett walzende "Perfect Strangers" (nun wieder ein unverzichtbarer Klassiker) wie eine Eins. Von Intonation und Spielanlage her gönnten sich Demons Eye nur bei den Soli umfangreichere Freiheiten (da hatten ja auch die Purplianer selbst live oft hemmungslos geradeausmusiziert), außerdem spielte Gitarrist Stephan Krause einige Eröffnungsriffs (beispielsweise in "Man On The Silver Mountain" oder "Smoke On The Water") zunächst etwas tiefer an, transponierte beim Einsatz der anderen Instrumente aber dann wieder nach oben. Einen eigenen Song namens "Walking Through The Door" gab die Band ebenfalls zum besten - der war stilistisch aber überhaupt nicht vom Rest des Sets zu unterscheiden, was hier sicherlich kein Fehler war, aber gefährlich werden könnte, wenn sich Demons Eye eines Tages mal komplett mit Eigenkompositionen ausstatten sollten, denen dann etwas mehr eigene Linie zu wünschen wäre. So gegen Ende des ersten Drittels der Show stand dann der Track an, auf den ich mich am meisten gefreut und den ich bisher noch nie live gehört hatte (Yngwie Malmsteens "Inspiration"-Tour hatte ich verpaßt, Crying Blue spielten ihn auf den drei Gigs, die ich von ihnen sehen durfte, ebenfalls nicht, und bei Purple selbst taucht er wie erwähnt auch nicht mehr auf): "Child In Time", schon im Original über 10 Minuten lang und hier mit einem weiteren Mittelteil ergänzt, der so neu aber auch nicht war, denn sein Vorbild konnte man eindeutig in der Jazzrockversion von "Child In Time" erkennen, die sich jahrelang im Repertoire der Ian Gillan Band befand. Ein brillanter Song in einer brillanten Interpretation, bei dem Sänger Jens erneut erwähnt werden muß. Wer "Child In Time" kennt, weiß, daß der zweimal vorkommende Refrain (wenn man ihn so nennen mag) sich zu einem schreienden Exzelsior steigert, das extreme Anforderungen an den Sänger stellt. Jens brachte es fertig, den ersten Teil des Refrains in der geforderten Höhe noch clean zu singen und nicht zu schreien (das hat Ian Gillan selbst nur auf der Studioversion sowie auf den ganz frühen Liveversionen geschafft - bereits auf der "klassischen" Version dieses Tracks vom 1972er "Made In Japan" nicht mehr), andererseits kippten manche der Schreie ganz leicht nach hinten ab, was aber den einzigen klitzekleinen Mangel seiner Sangesleistung darstellte. Diese wird noch beeindruckender, wenn man weiß, daß Demons Eye weit über drei Stunden (!) spielten und man es dem Sänger auch gegen Ende nicht anhörte, wie stark er beansprucht wurde. Reichlich Erfahrung hat er ja, wenn man sich mal die Liste der Bands durchliest, wo er schon gesungen hat, wobei die alldort zu findenden Brainstorm wohl kaum mit den Schwabenpowermetallern identisch sein dürften (falls doch, dann muß das in deren Embryonalphase gewesen sein), während mir die Progpowermetaller Ulan Bator auch nicht ganz unbekannt sind. Aber unabhängig von der "Vorbildung": Die Gesangsleistung an diesem Abend war Weltklasse und setzte den ebenfalls nicht zu verachtenden Instrumentalleistungen die Krone auf. Als letzte Zugabe holten Demons Eye noch ein besonderes Bonbon aus der Tasche: "Schlettau Under Water". Am 7.7.2001 hätten sie open air auf dem Schlettauer Stadtfest spielen sollen, aber ein Unwetter machte dieses Konzert zunichte, das dann am 22.9.2001 (einem Tag, an den ich mich aus anderen Gründen gern zurückerinnere - natürlich steckt nicht zuletzt eine schöne Frau dahinter) nachgeholt wurde und besagtes Bonbon ebenfalls beinhaltete: eine Version von "Smoke On The Water" mit leicht abgewandeltem Text, der die Geschehnisse des 7.7.2001 in Worte faßt und von den restlos begeisterten Anwesenden (viele hatten den Gig am 22.9.2001 offenbar auch schon miterlebt) auch diesmal so gut es ging mitgesungen wurde. Damit endete ein Konzert der ganz besonderen Art, und positiverweise werden auch alle Nichtdagewesenen die Gelegenheit haben, es nachzuerleben, denn es wurde mitgeschnitten und soll demnächst als CD veröffentlicht werden (bei der Gesamtspielzeit müßte das eine Dreifach-CD werden, aber das soll uns allen nur recht sein). Gesamturteil: Spitzenklasse!



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