www.Crossover-agm.de
RPWL   03.09.2005   Reichenbach, Peter-Paul-Kirche
von rls

"Prog At Church" hieß das Projekt, das sich der extrem rührige Chef des legendären Bergkellers in Reichenbach (DER Prog-Geheimtip in den neuen Bundesländern!) hatte einfallen lassen. Konkret: Eine Progband, die eigentlich nicht zum christlichen Spektrum zählt (aber trotzdem hochgradig spirituelle Musik macht!), wurde eingeladen, in einer barocken Kirche zu spielen. Was in der Theorie von hunderterlei Gefahren bedroht war (angefangen bei sturen Kirchenoberen über Sound mit viel zu viel Hallhallhallhallhall bis hin zu publikumsseitigen Mißerfolg), entwickelte sich in der Praxis zu einem einzigartigen Konzerterlebnis. Der Pfarrer hatte sich konsequent hinter den Gig gestellt, die Soundtüftler arbeiteten in der Nähe des Optimums, und das Publikum eilte in Scharen herzu, ließ sich nicht stören, daß das komplette Kirchenumfeld eine gigantische Baustelle war und man bis zu den nächsten nutzbaren Parkplätzen ein gewisses Stück zu Fuß zurücklegen mußte. Hier zeigte sich ein weiteres Mal der verbundene Charakter der Progszene: "Altgediente", die vermutlich noch die Stern-Combo Meißen oder Pink Floyd zu Gründungszeiten live gesehen haben, hatten nicht selten ihren Nachwuchs der nächsten oder auch übernächsten Generation mitgebracht, und in den Smalltalks nach dem Gig fielen Sätze wie "Der Gig in Großburgwedel war richtig klasse" - "Der in Freising letztens war aber auch gut", den überregionalen Zusammenhalt verdeutlichend. So war schlußendlich der Kirchenraum (ohne die Emporen allerdings) fast bis auf den letzten Platz gefüllt, was etwa 500 Besuchern entspricht - eine fast schwindelerregend hohe Zahl.
RPWL hatten angekündigt, einen speziellen Set zu spielen, und sie setzten dieses Versprechen auch in die Tat um - zur Freude der Altfans im Publikum, von denen es durchaus nicht wenige zu geben schien. Äußeren Anlaß dafür bildete die Tatsache, daß Ur-Drummer Pablo wieder eingestiegen ist und man deshalb back to the roots ging. Die heißen im Falle von RPWL einerseits Violet District (diese Vorgängerband blieb allerdings in der Setlist unberücksichtigt, wenn ich nicht völlig neben der Spur liege), andererseits aber Pink Floyd, als deren Coverband RPWL mal agiert hatten. Soll heißen: Neben Material der ersten RPWL-Alben standen auch diverse Floyd-Covers im Set - nicht "Dogs", das die Band am Abend zuvor in Aschaffenburg noch gespielt hatte, aber beispielsweise "Remember A Day", das Pink Floyd nie selbst live aufgeführt hatten, und das erstaunlicherweise den Tiefpunkt (!) des Sets bildende "Set The Controls For The Heart Of The Sun", das im Mittelteil das Heliumteilchenbombardement etwas zu sehr intensivierte und deshalb nicht so richtig vorwärtskam, wenngleich das Bildermalen mit Musik auch bei diesem Song eine gewisse Omnipräsenz aufwies. Überhaupt potenzierten sich die Atmosphäre der prächtigen Kirche, die Atmosphäre der Musik und die Atmosphäre der an eine Leinwand geworfenen Bilder gegenseitig, so daß selbst eine auf einer simplen grünen Wiese weidende Kuh noch problemlos ins Bild paßte; den einzigen atmosphärisch störenden Faktor bildeten einige der Scheinwerfer, die, rechts und links im Altarraum aufgestellt, zu stark blendeten, während andere wunderbare Lichtspiele in den Raum warfen, der Schlagzeuger beispielsweise auch mal von schräg hinten unten angeleuchtet wurde und dann als Schattenbild in der linken Empore sein Werk verrichtete. Problemfall bei Rockkonzerten in Kirchenräumen ist nicht selten der Sound, aber mit einem ansatzweise quadrophonischen Konzept und einer guten Ausbalancierung blieb allenfalls phasenweise der eine oder andere Gitarrenrhythmuspart auf der Strecke, während Karlheinz Wallners bisweilen ekstatische Soloarbeit gestochen scharf hervortrat. Balladeskes wie "Crazy Lane" brachte die Freisinger Band mit genau der gleichen Intensität auf die Bühne wie epische Songmonster der Marke "Farewell" (selbiges der erste in der RPWL-Konstellation geschriebene Song und aufgrund seines Titels wohl nicht umsonst als zweite und planmäßig letzte Zugabe plaziert). Von der neuen Scheibe "World Through My Eyes" hatten die sympathischen und trotz bisweilen ausladend-schwebender Werke sehr bodenständigen Bayern um Sänger/Keyboarder Yogi Lang (auch der bot eine gute Leistung, ging auch auf die Bedeutung des Veranstaltungsortes ein, verschluckte lediglich an manchen Stellen einzelne Worte oder gar halbe Zeilen) eigentlich lediglich den Epic "3 Lights" und das eher verträumte, auf Konserve fast ein wenig zu relaxte "Day On My Pillow" (live noch mit einem von Yes fremdkomponierten Schlußteil) in die Setlist gehievt, ließen sich aber schlußendlich noch zu einer außerplanmäßigen weiteren Zugabe überreden und intonierten statt des von einigen Anwesenden stürmisch gewünschten King Crimson-Covers "In The Court Of The Crimson King" noch das recht geradlinige "Start The Fire", auf dem neuen Album an Position 2 plaziert (womit man die Ray Wilson-Kollaboration "Roses" außen vor ließ). Rein netto kamen RPWL an diesem Abend auf eine Spielzeit von knapp drei Stunden (viele sowohl ihrer eigenen als auch der Floydschen Werke brauchen eben Zeit, einige wurden zudem noch durch Liveimprovisationen ausgedehnt) und markierten damit hoffentlich den Auftakt für eine Veranstaltungsreihe gleicher Bauart (wie wär's mit einem jährlichen oder halbjährlichen Rhythmus, als nächste Gäste dann Neal Morse und Sunblaze, wenn letztere endlich mal mit ihrem Album fertig sind?). Ein über weite Strecken hochklassiger Abend, an dem die Künstler genauso ihren Anteil hatten wie die Rahmenbedingungen.

Setlist:
Let There Be More Light
Hole With Sky
Remember A Day
Set The Controls For The Heart Of The Sun
Cymbaline
Spring Of Freedom
Crazy Lane
Waiting For A Smile
Grandchester Meadows
Fat Old Sun
3 Lights
Biding My Time
Day On My Pillow
Welcome
Narrow Way
Farewell
Start The Fire



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver