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BUILDING A FORCE-Festival   20.03.2004   Widdern, Wilhelm-Frey-Halle
von gl

Gibt es noch unabhängige "kleine" Festivals, jenseits der Großveranstaltungen, mit durchaus interessantem Billing? Im Falle von diesem hervorragend organisierten und strukturierten Festival, das in der Nähe von Heilbronn in einem kleinen Kaff stattfand, sei dies gleich mit "Ja" beantwortet.

Saintsbleed
Zu der angenehmen Zeit von 16.00 h ging der Reigen los mit der deutschen Band SAINTSBLEED, die schon als Power-Metal-Hoffnung gehandelt wurde. Na ja, etwas unbeweglich waren sie schon, der starke Song "Inhabitants From Earth" jedoch weckte Interesse nach mehr. Leider völlig unnötig jedoch vom Sänger und Gitarristen sich über Mikro über die falsche Schreibweise der Band auf irgend 'nem Plakat zu beschweren.

Saintsbleed

Marcus Jürgens
PUMP aus dem Stuttgarter Raum legten zu recht früher Stunde etwas mehr Professionalität zu Tage und konnten mit ihrem erdigen Rock - sie waren die einzige Band des Tages ohne Progressiv-Elemente - positiv Aufmerksamkeit erlangen. Schade, dass sie außer einigen Kopfbewegungen und Fusswippen nur einen einzigen Durchgeknallten, der vor der Bühne alleine Stimmung machte, erreichen konnten, während das Gros der Audienz in "Sicherheitsabstand" von 20 Metern stand. Denn so eine treibende Heavy-Band wie sie (Stil in etwa DOKKEN meets BATON ROUGE meets BABYLON A.D.) lebt von der Interaktion mit dem Publikum. Was sie aber bestimmt auf der AXEL-RUDI-PELL-Tour, bei der sie den Support-Slot ergattern konnten, nachholen werden. Als letztes Stück gab's noch 'n Cover von "Breaking The Law".

Pump

Her Enchantment
Als nächste waren die Holländer von HER ENCHANTMENT an der Reihe und sie waren sicher die härteste Band des Tages, da ihre Musik, die sie zwar als Dutch Melodic Metal bezeichnen, einige Male die Grenzen zum Death Metal erreichte. Mit zwei Sängern (weiblich und männlich) stellten sie ein seltenes Line-up dar, zumal die beiden nicht nur abwechselnd, sondern auch gleichzeitig sangen - incl. der gelegentlichen Growls. Die Sängerin mit den roten Haaren verließ gegen Ende die Bühne und teilte noch mit, dass dies ihr letzter Auftritt mit der Band sei.

Dirk Stühmer
Dann kamen ETERNAL REIGN aus Bremen bei sich sehr langsam füllender Halle on stage. Eine Band, die erneut nach ihrem letztjährigen Auftritt auf dem Keep It True-Festival die lange Anreise nicht scheute, um sich (im Untergrund) einen Namen zu machen - das nenne ich Einsatz! Trotz Krankheit von Sänger Dirk Stühmer, dessen Stimmbänder angegriffen waren, was man bei hohen Tonlagen auch merkte, legte man einen überzeugenden Set hin und zeigte sehr viel Mut, denn es wurden gleich 5 neue Songs gespielt! Diese sind vom zukünftigen Album, das natürlich noch keiner kennen konnte und hoffentlich ist der anwesende Massacre-Mitarbeiter tatsächlich aufmerksam auf die Band geworden, so dass diese Platte dann ggf. dort erscheinen wird!? Von ihrem ersten Album "Crimes Of Passion" spielte das Sextett "Perfect Crime", "Dregs Of Society" und zum Abschluss das überragende "Inner Strength".

Jan Vacik
Bei DREAMSCAPE wagten sich die Anwesenden dann endlich vor die Bühne und bei den Klängen vom Intro war man verdutzt: Sollten die Münchner ihren Set tatsächlich mit dem oberlangen 20-minütigen "End Of Light" beginnen? Doch ein Ausschnitt diente als Einleitung zu "Clockwork", auch vom neuen starken Album "End Of Silence" und die Band, die ganz in Schwarz die Bühne enterte, hatte - erwartungsgemäß - einen hervorragenden Sound. Übrigens konnten man während des Festivals jederzeit problemlos ganz vorne stehen und hatte beste Sicht und multimediale Eindrücke - besser als bei jeder DVD! Und auch der Geruchssinn kam nicht zu kurz - angenehmes Parfum der Hübschen neben mir, die während des gesamten Auftritts der Band abging wie 'ne Rakete - vermutlich die Freundin des äußerst virtuosen Gitarristen Wolfgang Kerinnis. Sänger Roland Stoll hatte - wie die zwei ihm nachfolgenden Sänger übrigens auch - die Aufgabe Material vor seiner Zeit zu interpretieren, in diesem Falle z.B. vom Album "Very", was er m.E. routiniert bewältigte. Keyboarder Jan Vacik thronte auf der rechten Bühnenseite ruhig über seinen Tasten, als eine Art "Musical director" überwachte er aber sicher den gesamten Ablauf - nicht zuletzt war er ja der Produzent, im übrigen auch von der letzten LANFEAR-CD. Höhepunkt war der stärkste Song "Short-Time News" der wiederum in einen weiteren Part von "The End Of Light" überging. Massig Promo-CDs (1 Song ausgespielt, Rest angespielt) wurden von der Band in Umlauf gebracht und fanden regen Absatz - ein cleverer Schachzug.
Roland Stoll

LANFEAR hatten ein Heimspiel, was man schon an der Anzahl der Shirts der Besucher sah, wo sie klar dominierten. Sie stiegen bei lauterem Sound, einem großen Backdrop und ihrem Logo, drei ineinander verhakten Shuriken (oder so ähnlich ...), das im Maxi-Format über der Bühne hing und sich sogar drehte, impulsiv ein und die Menge bangte und tobte. Super Stimmung, also dass die Band nun eine solche Macht live ist, war eine positive Überraschung. Perfekt eingespielt, als hätten sie wochenlanges Touren hinter sich, präsentierte sich die Gruppe um den 2-Meter-Mann Tobias Althammer mit seinem mächtigem Wahnsinns-Organ. Von Beruf ist jener übrigens erfolgreicher Multi-Media-Designer, was man auf www.thelanfear.com in beindruckender Weise nachvollziehen kann, nicht ohne Grund trägt er den Spitznamen Neo!

Lanfear
Tracks wie der Kracher "Stigmatized" oder der Hit "Fortune Lies Within", beide vom letzten Album "The Art Effect", wurden grandios dargeboten, Gitarrist Markus Ullrich brillierte, Bassist und ANVIL-Fan Kai Schindelar stand im linken Bühnenteil, trug zu einem älteren Song einen gebellten Gesangspart bei und Keyboarder Richie Seibel bangte hinten wie ein Berserker, wenn er nicht gerade die Tasten bearbeitete. Und Drummer Jürgen Schrank lieferte das solide Fundament zu all den Songs, darunter auch Songs vom Vorgänger-Album "Zero Poems" sowie als Abschluss eine Cover-Version von CONCEPTION, nämlich "Roll The Fire" vom zweiten Album "Parallel Minds". Begründung: Wenn man von CONCEPTION schon den Festival-Name übernahm ("Building A Force" stammt von deren Platte "The Last Sunset" von 1991) kann man auch gleich einen Song von ihnen spielen! :-) Cool! Mehrere Shirts wurden von der Band ins Publikum geworfen, so funktioniert Eigenwerbung! Auch sie spielten mit "In Silence" und "The Unrestrained" zwei noch unveröffentlichte Songs.
Ab LANFEAR wurde live mitgeschnitten für mögliche DVD-Veröffentlichungen übrigens mit handgehaltenen Kameras ohne Stativ. Vernünftigerweise planen LANFEAR dies nicht als eigene DVD, sondern als Bonus-Material ihrer nächsten CD und da darf man jetzt schon gespannt sein.
Markus Ullrich

Bei BALANCE OF POWER, die eigens für den Gig aus England angereist waren, war die Stimmung vor der Bühne ebenfalls sehr gut (obwohl hinterher erzählt wurde, dass bereits während deren Show viele die Halle verließen).

Nein, nicht Chris Barnes ...
Sie stiegen mit dem Titelstück ihres Killeralbums "Heathen Machine" ein und der Sänger, der sich nur John K. nennt, konnte durch Agilität und ein ebenfalls sehr voluminöses Organ überzeugen. "Chemical Imbalance", auch vom neuen Album, wurde nachgelegt und Gitarrist (und Chris Impelliteri-Lookalike) Pete Southern sorgte bei seinem Solo - dem einzigen Gitarrensolo des Tages - für heruntergeklappte Kinnladen (Mitglieder von ETERNAL REIGN wurden in der ersten Reihe gesichtet ...). Live operierte die Band noch mit einem Keyboarder, der wohl aber kein festes Mitglied ist. Bassist Tony Ritchie, der sich entschloss mit einer Art Fellschuhe aufzutreten, steuerte den Ablauf, den der Sänger zumindest von der Reihenfolge nicht ganz im Griff hatte. Tony hat von Lance King eben ein schweres Erbe übernommen, aber "Walking On Top Of The World" vom Album "The Book Of Secrets" phrasierte er absolut fehlerfrei. Für den Schreiberling dieser Zeilen sind BALANCE OF POWER die ungekrönten Nachfolger von QUEENSRYCHE, auf Platte und live sehr stark. Es ist ein bitterer Wermutstropfen, dass Gitarrist Pete zwar glücklich aber auch leicht entmutigt nach der Show mitteilen muss: "Nobody would book us" in Bezug auf eine komplette Tour durch Deutschland ...
Balance Of Power

Dass die Headliner-Rolle nicht immer die beste Wahl ist, mussten die Österreicher EDENBRIDGE erfahren. Gegen Ende ihres Sets um ca. 1:25 h (!) waren nur noch in etwa so viele Personen anwesend wie zu Beginn des Festivals, also vielleicht noch 160 Leutchen (2 Stunden zuvor waren ca. 350-400 Menschen in der Halle). Zwei Riesenstellwände mit den gespiegelten E-Logos und ein Riesen-Backdrop wurden aufgebaut und der Anfang viel zu lange herausgezögert - denn hier wurde eine vollständige DVD gefilmt - mit (unglücklichen) Begleitumständen: Die Begrüßung - "Hello Germany" - und sämtliche Zwischenkommentare wurden von Sängerin Sabine Edelsbacher in Englisch ausgeführt, leider auch ziemlich unsicher wirkend. Nun ist der interessierte Mensch ja unterrichtet, dass die Band um Mainman und Gitarrist Lanvall große Erfolge in Südkorea feiert und ihre CD auch in asiatischen Ländern wie Thailand und Malaysia etc. veröffentlichte, es ist insofern (bedingt) verständlich, dass sie eine Live-DVD, die dann in Asien verkauft werden wird mit englischen Ansagen filmen wollen. Nur verstehen das um Mitternacht nach 7 Stunden Musik und ggf. einigen Bierchen die wenigsten, wütende Zwischenrufe wie "Sprichst Du Deutsch, oder was!" waren zu hören und über mehr als Höflichkeitsapplaus kam es nicht heraus.

Edenbridge
Damit Ihr mich nicht falsch versteht: Die Musik von EDENBRIDGE mag ich sehr gerne, speziell ihre letzte CD "Aphelion", von der auch das tolle "Undiscovered Land" oder die Ballade "The Final Curtain" dargeboten wurden. Nur wirkte die Band an diesem Abend steril und hatte Null Interaktion mit dem Publikum, das ganze wirkte steif und immer wieder sah Sabine verunsichert nach hinten, wo wohl der Produktion-Manager stand. Die gesangliche Leistung der ausgebildeten Opernsängerin war hervorragend, nur stand offensichtlich die DVD mehr im Vordergrund als die Leute zu unterhalten, und darunter litt die Vorstellung. Als Tiefpunkt gelang es dann noch einem Besoffenen auf den vorgelagerten Podest vor der Bühne zu klettern, es war auch so schnell keine Security da, die ihn stoppte, vielleicht gibt's diesen peinlichen Aussetzer ja als "Easter-Egg", also hidden feature auf der DVD.

Edenbridge
Was die fünf Veranstalter um Markus Ullrich und Martin Stampfer hier fertiggebracht haben, verdient größtes Lob. Bei einem konkurrenzlos niedrigen Kartenpreis von nur 15 Euro bekam man acht interessante Gruppen mit fantastischer Musik geboten. Alle Bediensteten am Getränkeausschank, Merchandise oder die Security waren freundlich und zuvorkommend, kurzum ein voller Erfolg. Es besteht berechtigte Hoffnung, dass es 2005 eine Neuauflage dieser Veranstaltung geben wird, so dass die eigens dafür eingerichtete Homepage ggf. weiterhin aufrecht erhalten wird: http://www.buildingaforce.de

Fotos: Klaus "Skew Siskin Road Dog" Weis



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