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Slidepulsedown, Thumbraiser, Imbued, Attic Mood   27.02.2004   Chemnitz, ZV-Bunker
von rls

Slidepulsedown hatten zur Release-Party ihres offiziellen Labeldebüts gerufen, und gut 160 Menschen ließen sich die Gelegenheit nicht nehmen, mit der Band einen gelungenen Abend im renovierten ZV-Bunker (der jetzt größer wirkt, aber durch die neue Deckenbeschichtung irgendwie ein klein wenig seines alten Flairs verloren hat) zu verbringen. Vor die Kür jedoch setzt der Herr die Pflicht, und so luden sich die Jubilare drei weitere hiesige Combos als Support ein.
Den Anfang machten Attic Mood, die überhaupt erst ihren dritten Gig absolvierten und den Rezensenten reichlich verwirrt hinterließen. Klang der erste Song noch eindeutig nach Bands wie den Moving Targets, die sich schon aufgelöst hatten, als die Attic Mood-Jungs noch in den Kindergarten gingen, boten die fünf anderen Songs ein eigenartiges Gebräu diverser Einflüsse aus Indierock und Hardcore, das die Band wohl zu recht als "experimentell" titulierte, zumal die Harmonik weniger durch diesen Begriff per se als vielmehr mit dem Attribut "dissonanzenreich" korrekt beschrieben wäre. Daß das System Of A Down-Cover "Toxicity" der mit Abstand straighteste Song des Sets war, dürfte diesbezüglich Bände sprechen. Vom Bühnenacting her passierte noch nicht allzuviel, lediglich der eine der Gitarristen fiel durch eigenartige waagerechte Kopfbewegungen auf. Wenn es der Combo aus der Rennstadt Hohenstein-Ernstthal gelingt, die Songs ohne Einbuße an Vielfalt noch etwas logischer zu gestalten und manche Dissonanz vielleicht doch durch eine etwas gängigere Harmonik zu ersetzen, sollten sie etliche Schritte nach oben kommen können. Eine Band der Kategorie "Im Auge zu behalten".
Imbued waren ja schon beim No Stars But Heroes IV anno 2003 positiv aufgefallen und konnten diesen Eindruck bestätigen, zumal sie zwischenzeitlich offensichtlich eine gute Portion mehr Routine gewonnen haben. Nur in einem Punkt fehlte diese noch, nämlich in der Kommunikation mit dem Publikum, welche der Sänger fast introvertiert und leise durchführte - ein völliger Kontrast zu dem wild umherspringenden und brüllenden Etwas, in das er sich während der Songs verwandelte. Nachdem bei Attic Mood vor der Bühne mehr Bewegung geherrscht hatte als auf selbiger, machten Imbued dies nun durch doppelten Einsatz wett, und ihr brachialer Metalcore war für Bewegungsaktivitäten auch mehr als geeignet, wenngleich er nur selten über eine imaginäre Grenze oberhalb des Midtempos hüpfte. Das Gesamtbild wirkte runder als noch von einem Jahr, weshalb vor dem geistigen Ohr manchmal durchaus eine damals noch Brainfag geheißene Truppe auferstand (zumindest was den instrumentellen Part betraf). Weiter so!
Thumbraiser stellen so eine Art All-Star-Projekt der hiesigen Szene dar, waren ursprünglich mal als Deuteronomium-Coverband (!) angedacht gewesen, bevor man sich doch zum Fabrizieren eigenen Materials entschloß. Und man sollte es nicht für möglich halten: Dieses Material lag irgendwo in der Schnittmenge zwischen den Stammbands der vier Herren, also Acid (Sänger Samuel), Pious Chaotz bzw. Strange Ahead (Hier-Bassist Martin) und Brain:FAQ (Gitarrist Rob und Drummer Axel). Diesen unspannenden Aspekt mal außen vor gelassen (man fragte sich mitunter, warum die eine oder andere musikalische Idee nicht ins Repertoire der jeweiligen Stammband integriert und durch was Ausgefalleneres ersetzt worden war), boten Thumbraiser jedoch eine gute halbe Stunde Unterhaltung, garniert dann doch noch mit einigen Passagen, die nicht so recht zu den erwähnten Bands gepaßt hätten. "Garbage Mafia" etwa stellte sich gleich zu Beginn als der vermutlich härteste Track heraus, den die kalifornischen Surfbands nie geschrieben haben, "Bring Me Back To Life" verwurstelte gar Aram Chatschaturjans guten alten Säbeltanz (was Accept und Skyclad auch schon gemacht haben, wenngleich auf andere Art und Weise), und "Blameless" enthielt das schrägste Solo des gesamten Abends. Ansonsten hätte "Eye Of The Beloved" beispielsweise auch auf Brain:FAQs "Nutze die Zeit"-Album eine gute Figur abgegeben, wenngleich es etwas einfacher strukturiert war und Thumbraiser schon aufgrund der Beschränkung auf eine Gitarre grundrifflastiger agierten (Robs vorab getätigte Äußerung bezüglich des Riffings war übrigens richtig: man fühlte sich phasenweise an Tony Iommi erinnert). Samuels Stärken lagen eindeutig im Gebrüll, wohingegen man die (seltenen) rappigen und die clean appellierenden Passagen auch hätte weglassen können - Rob und Axel sorgten mit ihren Beiträgen schon für genug Stimmvielfalt im brachialeren Bereich. Thumbraiser müssen auch aufpassen, daß man ihr überspitzt-posendes Bühnenacting nicht als Arroganz mißversteht - wer die Jungs kennt, weiß zwar, wie das zu verstehen ist, aber neue potentielle Fanschichten vermögen diese Hintergründe möglicherweise nicht so zu deuten. Für den Kenner also ein unterhaltsamer Gig.
Slidepulsedown konzentrierten sich in ihrem Set erwartungsgemäß auf die zu releasende Scheibe (ist ja auch logisch), vergaßen aber auch ältere, bisher nur in Demoform konservierte Tracks nicht und spielten dazu zwei brandneue Songs, die selbst auf der neuen CD noch nicht enthalten sind. Und einer von denen, nämlich "Denial", entpuppte sich prompt auch als der allerstärkste in ihrem Repertoire, sehr geschickt die Stimmungen zwischen zerbrechlich und wütend wechselnd. Die Gesamthaarlänge der Bandmitglieder war größer als die der Mitglieder aller drei Vorbands zusammen, dennoch schlug sich dies kaum im Sound nieder, denn der alternative Metalcore der Band legte das Hauptgewicht definitiv nicht auf den mittleren Terminus, wenn man mal von der vergleichsweise dominanten Doublebassarbeit absieht. Daß das gespielte Soulfly-Cover nicht nach oben aus dem Set herausragte, darf sich die Band als Kompliment anrechnen lassen. Mit "Dämmerung" hatte man auch einen deutschsprachigen Song am Start. Slidepulsedown waren übrigens nicht nur in Spiel-, sondern auch in Spendierlaune, denn sie warfen den ganzen Set hindurch permanent Bonbons und Maoam ins Publikum, welches sich auch als dankbar und bewegungsfreudig entpuppte. Einen kleinen Wermutstropfen warf lediglich die Tatsache ins Glas, daß es der letzte Gig für Bassist Max war, der sich aus zeitlichen und familiären Gründen aus der Band zurückzieht. Aber das störte die Feierlaune letztlich nicht, und Slidepulsedown konnten den Gig als einen Erfolg verbuchen, den sie mit der Zugabe "Still Alive" (bei übrigens bunkeruntypisch guten Soundverhältnissen, was für alle vier Bands galt) abschlossen.



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