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Frühlingsfest mit Gideon, Slaves Of Music, zwischenFall, Wolfgang Vallentin & Thomas Bachmann, Peregrina   10.05.2003    Holzhausen, Kirche Zuckelhausen
von rls

Hm, eine Rock- und Liedernacht ist nicht unbedingt zwingender Bestandteil jedes Kirchgemeindefestes, aber in Holzhausen hatte man trotzdem eine solche integriert, nachdem am Nachmittag u.a. ein heiteres Orgelkonzert stattgefunden hatte, ansonsten kräftig gefuttert wurde, jede Menge für den Nachwuchs vorbereitet war und man zugunsten der Kirchensanierung nicht nur Bücher, sondern auch exotische Gewächse wie Topinambur erstehen konnte. Abends wurde dann noch ein Lagerfeuer entzündet. Nachteil dieser Vorgehensweise für die Rock- und Liedernacht war erstens, daß sich eher das durchschnittliche Gemeindepublikum versammelte und kein spezielles Konzertpublikum, zweitens, daß Migrationsströme des Publikums an der Tagesordnung waren, was drittens mit fortschreitender Zeit zu einer spürbaren Leerung der Kirche führte.
Peregrina begannen schon mit etwas Verspätung, weil draußen erst noch das Ende einer Modenschau abgewartet werden sollte. Torsten und Kathrin wichen erwartungsgemäß keinen Millimeter von ihrer Linie ab, Mörike-Gedichten den in den Augen respektive Ohren der beiden Interpreten passenden musikalischen Mantel umzuhängen. In den letzten anderthalb Jahren - so lange liegt der letzte Peregrina-Auftritt, den ich miterlebte, schon zurück - hatte sich das Repertoire logischerweise um einige Piecen erweitert, was wiederum Folgen für Kathrin hatte: Sie muß jetzt neben einem umfangreichen Katalog an Blas- und Schlaginstrumenten auch noch ein Cello mitschleppen. Selbiges kam bei zwei Songs zum Einsatz, erwies sich allerdings als von den Frequenzen her mit Torstens Gesang als zu kompatibel, was zu einer gewissen soundlichen Überlagerung führte (der Rest des Sets bestach durch einen kristallklaren Sound), den grundsätzlichen Interessantheitscharakter dieser weiteren Kombination aber nur unwesentlich beeinträchtigte. Einige Stockfehler machten das Duo nur noch sympathischer, und in puncto emotionaler Intelligenz wußte der Großteil der Umsetzungen reiche Ernte einzufahren (was für Glockenspielsoli!), die Torsten noch um diverse Fakten aus Mörikes Lebenslauf aufstockte.
Die erste Hälfte des folgenden Sets bestritt Wolfgang Vallentin quasi als Alleinunterhalter, unterstützt nur durch sein Keyboard, dem er wahlweise sparsame Pianobegleitung oder auch einen fast kompletten Deutschrocksound entlockte. Letztere Stücke klangen in meinen Ohren dann allerdings zu künstlich, während Vallentin als pianountermalter Barde, der reihenweise gesellschaftliche Probleme aufgriff (so etwa die Integrationsproblematik der Sorben), eine gute Figur machte. Sein Gesang lag stilistisch irgendwo in der Grönemeyer-Ecke, und daß er optisch eher irgendwie zu den Flippers gepaßt hätte, übte dankenswerterweise keinen Einfluß auf sein musikalisches Schaffen aus, auch nicht auf dasjenige gemeinsam mit Thomas Bachmann, der, hätte er allein agiert, sicherlich als Liedermacher-Prototyp durchgegangen wäre, sich im Verbund mit Vallentin aber einige spieltechnische Kabinettstückchen gönnte (zumal einige der Lieder in bisher ungewohnten Geschwindigkeiten ausgepackt wurden). Leider fehlte einigen Texten die Durchschlagskraft - zu metaphorisch und symbolbehaftet kam das Ganze rüber, so daß man irgendwann mal nicht mehr wußte, wofür oder wogegen sich der Dichter aussprach. Diese kleine Schwäche zog sich aber nur durch einige der gemeinsamen Tracks und nicht durch den gesamten, insgesamt recht unterhaltsamen Set.
zwischenFalls neues Programm "Heimatskizzen" hatte ich ausschnittweise schon gesehen - diesmal gab's aus Zeitgründen von vornherein nur eine gekürzte Variante. Bezüglich der poetischen Qualitäten (auch der neu eingebastelten Tracks) mache ich es mir einfach und verweise auf mein Review des Zedtlitz-Gigs vom November 2002. Musikstilistisch war die Vielfalt erneut erhöht worden, denn die Formation hat nach der Integration von Drummer Carsten Drescher noch ein weiteres Mal Zuwachs bekommen: Tobias Ossyra kümmert sich um verschiedene Gitarren und Bässe. Damit ist der andere Tobias, nämlich Petzold, etwas entlastet und kann sich besser auf das Textdeklamieren konzentrieren. Gut, Rocker werden zwischenFall nicht werden, aber wer das Experiment der Bandwerdung von Liedermachern schon bei Reiprich&Pötsch wohlwollend verfolgt hat, sollte auch an der energischeren Ausrichtung zwischenFalls Gefallen finden können. Leichte Soundprobleme gab's bei Tobias' Flöte, so daß "Anja Müller hat Geburtstag" ein wenig an Effekt einbüßte. Selbiger Track stand im Schlußteil des Sets, wo sich auch noch andere Mini-Hits wie das an diesem Abend versägte "Anna" tummelten. Aber auch ein Track wie "Egal" (coole Vokalwanderung!) straft seinen Namen zweifellos Lügen.
Mit Slaves To Music kletterte danach eine ganz junge Band auf die nicht vorhandene Bühne. Das Quartett spielte recht gefälligen Alternative Rock, dem allerdings noch etwas die Eigenständigkeit und die richtig coolen Einfälle abgingen. Auch Sänger/Gitarrist Christian könnte noch mehr aus sich herausgehen. Da der hauptamtliche Keyboarder abgesagt hatte, mußte die Band mit Daniel einen Ersatzmann einarbeiten, der lediglich einmal mit den anderen Mitgliedern proben konnte und deshalb nicht durchgängig agierte und auch (allerdings wohl unbeabsichtigt) soundlich etwas in den Hintergrund gestellt worden war, generell seine Sache aber nicht schlecht machte. Ungewöhnlich an der Brandiser Band war zum einen die paritätische Besetzung (die Rhythmusgruppe wurde komplett vom weiblichen Geschlecht gestellt) und zum anderen die Tatsache, daß Schlagzeugerin Drea die Ansagen übernahm. Bester Song war die gegen Kindesmißbrauch appellierende Ballade "Cathy", die Bassistin Susi nicht nur geschrieben hatte, sondern auch gleich noch selbst sang. Ihre Harmony-Vocals in einigen der anderen Tracks waren übrigens auch nicht von schlechten Eltern.
Gideon hatten das Pech, als letzte auf die Bühne zu müssen und zeitbedingt vor fast leeren Bankreihen zu spielen (einzelne am Gigbeginn noch Anwesende mögen auch durch die kernig-laute Intonation vertrieben worden sein). Die Dorfchemnitzer hatten gleich mehrere Überraschungen im Gepäck. Mit fast metalkompatiblen bombastischen Intros haben sie in der jüngeren Vergangenheit jedenfalls recht selten gearbeitet, und generell hat ihr Sound ein paar Pfunde zugelegt, ohne jedoch traditionsrockige Gefilde zu verlassen. Neu-Trommler Sven (sozusagen "Stadtchemnitzer") sorgte jedenfalls für eine Riesenportion Druck von hinten (man hört ihm eben seine Metalvergangenheit an ...), und auch Heiko schien wieder bedeutend mehr Spaß am feisten Abrocken gefunden zu haben. Optisches Zeichen dafür war nicht zuletzt seine neue Flying V. Auch in kreativer Hinsicht war die Band in jüngster Vergangenheit ohrenscheinlich alles andere als untätig gewesen. Das neue Programm "Gegenwind", an diesem Abend seine Live-Feuertaufe erlebend, fuhr mehrere "aufgemöbelte" Versionen von Uralttracks auf (u.a. "Zeichen der Zeit", "Die Botschaft vom Kreuz"), beinhaltete aber auch gutklassige neue Kompositionen (etwa das vielschichtige "Flieg" oder "Nimm mich mit") und wurde mit Klassikern älteren ("Jesus On The Main Line") oder jüngeren Datums ("Maskenball" - nach wie vor die songgewordene Fragilität) abgerundet. Da der Verkündigungsaspekt in der neuen Besetzung wieder etwas stärker in den Mittelpunkt gestellt werden soll, steuerte Sven ein sehr persönliches, soziologisch allerdings angreifbares und in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit durchaus kompaktisierbares religiöses Statement bei. Leidtragender der Soundverhältnisse war Keyboarder Markus - der hörte sich selbst im Monitorsound nicht, und im Gesamtsound kam er ebenfalls reichlich kurz weg. Auf die im Programm verankerte Zugabe "Swing Low, Sweet Chariot" verzichteten Gideon schlußendlich, da die Geisterstunde schon weit vorüber war und sich die Kopfzahl des Publikums derjenigen der Band zu nähern begann. Trotz einiger Haken und Ösen machte der Gig aber eindrucksvoll deutlich, daß Gideon ihren Biß und damit auch ihre Bedeutung noch lange nicht verloren haben, sondern im Gegenteil durchaus den Sprung aufs nächsthöhere Level schaffen können.



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