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ALTERNATIVE ADVENTURE mit: N.N., Lament, Svart, Karboxyl, Bannkreis, Autumn Rain, M.I.B.    2./3.6.2000    Bad Lausick, Schmetterling
von rls

Besagtes Ereignis hatten die Macher des Kinder- und Jugendhauses Bad Lausick im Rahmen eines zweitägigen Kinder- und Jugendevents auf die Beine gestellt, um dem lokalen Bandnachwuchs ein Podium zu geben. Leider schien vielen Jugendlichen der Umgebung das Motto "Support Your Local Scene" kisuahelifremd vorzukommen, so daß sich die Besucherzahlen in überschaubaren Grenzen hielten. Chatten im Internet scheint mittlerweile wirklich als Freizeitbeschäftigung beliebter zu sein als das Bewegen seines eigenen Körpers zu wie auch immer gearteten Veranstaltungen.
Aus Zeitgründen konnte meinereiner am Freitagabend nicht anwesend sein und verpaßte dadurch den Gig der Lokalhelden, "Millennium Edition"-Titelcombo und The Cure-Anhänger Lament ebenso wie den Auftritt eines mir namentlich nicht bekannten Zweimannelektroprojektes, das Ohrenzeugen zufolge Project Pitchfork nachgeeifert haben soll. Hernach wurde der Abend mit der Filmvorführung "Bram Stoker's Dracula" beschlossen.
Der Samstagabend gehörte dann komplett der Livemusik. Als ich kurz vor halb sieben eintrudelte, waren M.I.B. schon voll im Gange (so daß sie tatsächlich halbwegs pünktlich um sechs angefangen haben müssen) und coverten gerade mein "Lieblingslied" "Knocking On Heaven's Door", allerdings in dreifacher Geschwindigkeit. Die Altenburger, die für ihre kurzfristig ausgefallenen Ortskollegen Dysentery eingesprungen waren, setzten auch in der zweiten Hälfte ihres Sets diverse Pop-Gassenhauer aus den 80ern in einem Stil um, der die Ausgelassenheit der frühen Toten Hosen mit dem spielkulturellen Niveau der Toten Hosen zu "Kreuzzug"-Zeiten verband, und besonders der Leadgitarrist hatte zudem einen Narren an Westcoastpunkgitarrenmelodien gefressen. Zwar müssen beide Gitarristen noch etwas an ihren Sangesfähigkeiten feilen (besonders der Leadgitarrist), aber Spielfreude und -witz waren weder in den Covers noch in den Eigenkompositionen zu verkennen. Eine der letztgenannten namens "Goodbye", die einem tödlich verunfallten Freund der Band gewidmet war und dementsprechend auch einige melancholische Züge aufwies, markierte sowohl den Closer des Sets als auch seinen Höhepunkt, denn ihre Abwechslung, Komplexität und Überlänge machten sie beinahe zu einer Art "Progressive Punk".
Autumn Rain waren mit Abstand die ruhigste Band im Billing, aber ihr angefolkter Poprock stieß selbst bei der Punkfraktion im Publikum auf Gegenliebe. Zwar muß das Quartett noch ein bißchen am Kreieren eines geschlossenen Sets üben (nach jedem Song zwei Minuten lang alle Saiteninstrumente umzustöpseln führt irgendwann mal zu Langeweile im Auditorium) und der Leadgitarrist ein paar Gesangsstunden nehmen, aber in puncto Arrangements, Spielfreude und -technik besaßen Autumn Rain ein hohes Niveau und hatten mit dem weiblichen Wesen an Baß, Akustikklampfe und Frontmikro einen echten Trumpf an Bord, denn die Dame flötete bisweilen wunderschöne, an Elbereth erinnernde Gesangslinien ins Mikro (die man so ab Song drei dann auch hörte). Noch ein paar Mundharmonikapassagen drauf - fertig war eine schöne, harmonische Stunde.
Von nun an ging's bergab, sprach ein weiser Mann schon vor langer Zeit. Eine Band namens Bannkreis müßte ja eigentlich Subway To Sally nacheifern, aber was taten Bannkreis? Sie kopierten In Extremo. Zwar haben die, wenn ich mich recht erinnere, noch kein Trumscheit eingesetzt, und in einigen Songs versuchten Bannkreis tatsächlich, sich von ihren großen Vorbildern zu lösen - aber explizit der letzte Song "Die Wand" machte deutlich, daß man auch damit Schiffbruch erleiden kann, denn Mittelaltermetal mit Californiapunk zu kreuzen ist zwar 'ne coole Idee, aber die Komponenten paßten in genanntem Song ungefähr so gut zusammen wie Erdbeeren und Sauerkraut. Da kann man hundertmal Walther von der Vogelweide ausbuddeln - Bannkreis blieben akut mittelmäßig, egal was sie anpackten. Sänger Johannes versuchte zudem, In Extremos Letztes Einhorn in puncto Gesangsrauheit zu übertreffen, scheiterte aber kläglich, und der Drummer glänzte mitunter durch arge Timingprobleme. Zwischen Anspruch und Realität klafft bei Bannkreis also noch ein weiter Spalt.
Der Spalt war bei Karboxyl allerdings noch ein großes Stück breiter, denn der Sechser (Durchschnittsalter 16) machte eindrucksvoll deutlich, daß solche Veranstaltungen noch drei Nummern zu groß für ihn sind - durchschnittliches Schülerbandniveau war das Gebotene, mehr nicht. Dabei stellten die drei Eigenkompositionen noch das Beste am Set dar, da sie gewisse positive Ansätze zum Vorschein brachten. Dafür zogen einem die verhackstückten Coverversionen aber die Schuhe aus. Wo M.I.B. mit Witz und Niveau zu Werke gegangen waren, regierten hier Plattheit, Kalkül und Indisponiertheit. Der Sänger sollte in Anbetracht seines Melodiehaltevermögens lieber bei 'ner Death Metal-Kapelle anheuern, wo er dasselbe nicht braucht, der ganzen Band ist zu raten, sich gelegentlich auf ein Tempo zu einigen, mit dem dann gespielt wird, und der Drummer benötigt dringend Nachhilfe, um dieses Tempo dann auch mal konstant über mehr als drei Sekunden halten zu können. Klar, ganz so schlecht wie die legendären Anima Lunatis waren Karboxyl nicht, aber das Gebotene reichte trotzdem, um sie dazu zu verurteilen, das nächste Jahr komplett im Proberaum zuzubringen. Tiefpunkte waren ganz klar mein "Lieblingslied" "K. O. H. D.", das zu allem Überfluß zweimal gespielt wurde (einmal zum Soundcheck, einmal im Set) und das selbst von den übermüdetsten Instrumentalisten beim 99er Weltrekord im Knockingdauersingen lebendiger rübergebracht wurde, sowie die Zugabe "Sailing", die Rod Stewart wohl selbst mit 3,9 Promille noch besser hinbekommen hätte und die einen mit Tränen in den Augen nachsinnen ließ, wie oberklasse doch Seventh Avenues Version dieses Songs ist. Karboxyl ernteten unterm Strich die differenziertesten Reaktionen des gesamten Gigs: Eine Traube offenbar "Ballermann"-erprobter Gestalten feierte vor der Bühne, und aus den hinteren Reihen drangen vehemente "Aufhören"-Rufe ...
Nach dem ersten Song von Svart konnte man konstatieren, daß der Drummer ausgesprochen fähig ist und der Sänger auch da war - mehr ließ sich leider nicht heraushören. Wundersamerweise wurde der Sound aber danach stetig besser, so daß der härtere Kern der Anwesenden den symphonischen Black Metal des Septetts in ordentlicher Qualität genießen konnte (obwohl die Drums bis zuletzt etwas zu vorlaut blieben). Rein spieltechnisch war Frauendorfs Antwort auf Dimmu Borgir ganz klar die beste Combo des Abends, lediglich der Sänger offenbarte gegen Setende einige Konditionsprobleme. Was er dem Auditorium mitteilen wollte, war naturgemäß bei dem extremen Gekreisch nicht zu verstehen, und sonderlich aussagekräftig kamen auch die Ansagen nicht rüber (eine tiefe Warriorstimme in sächsisch klingt übrigens eher unfreiwillig komisch als sonstirgendwie). Vom Songwriting her spielen Svart allerdings schon in einer recht hohen Liga, wie Exempel a la "Reckoned By Winter" oder die Bandhymne "Svart" bewiesen. Ihr "Mourning Palace" haben Svart mit Sicherheit noch nicht geschrieben, aber die Frauendorfer bezeugten ein Gespür für abwechslungsreiche Songs mit guter Atmosphäre und starken, bisweilen etwas folkangehauchten Melodien. Zudem versuchten sie, sich etwas von den allgegenwärtigen Vorbildern abzuheben, was blitzartig anmutende Einfälle wie die Reggae-Gitarren (!!!) in Song 2 unterstrichen, die sich perfekt in den Svart-Sound einfügten. Wenn man die Kerls mal mit 'nem ordentlichen Budget ins Studio schicken würde, käme bestimmt ein gutes Beispiel (musikalisch definierten) Melodic Black Metals heraus. Allerdings sollten Svart dem Gitarristen schleunigst das Mikro wegnehmen - dessen hardcoreartiges Backinggeshoute paßte nämlich überhaupt nicht zum Rest der Mucke. Ansonsten Daumen hoch.



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