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RockOpen
L.E. 1998
von rls
(Zur Rezi des RockOpen L.E.
1999 geht's hier. Da gibt's auch noch ein paar
mehr Hintergründe über diese Veranstaltung.)
Nein, dies war kein normales
Open Air. Schon wegen der Hintergründe nicht. Eine bekannte Leipziger
Brauerei hatte nämlich den 1. Reudnitzer Rockförderpreis ausgeschrieben,
und um diesen (oder wenigstens einen der bis Platz 5 abgestuften Preise)
spielten am Freitag, 11.09., und Samstag, 12.09., insgesamt 15 Nachwuchsbands,
die meisten davon aus der Messestadt oder der näheren Umgebung. Da
unter den Präsentatoren auch CrossOver war, wurde beschlossen, einen
Redakteur in die Jury zu entsenden. Damit hatte ich ein "Buridans Esel"-Problem
(für alle, die diese alte russische Volksmär nicht kennen: Dem
hungrigen Esel Buridans wurden zwei absolut gleichwertige Bündel Heu
vorgeworfen. Angesichts der identischen Qualität konnte er sich indes
nicht für eines der Bündel entscheiden und verhungerte jämmerlich.),
allerdings mit drei "Heuballen": Mein Posaunenchor hatte just an diesem
Freitag Gartenfest, und außerdem spielten in Werdau auch noch Moonspell,
Therion und Darkside, die ich mir ebenfalls liebend gerne angesehen hätte.
Aber was tut der pflichtbewußte CrossOver-Redakteur? Er geht selbstverständlich
zum Open Air, wo sein gestrenges Urteil gefragt ist. Alle anderen Redakteure
waren schließlich komplett verhindert ...
Also los, am Freitag eröffneten
die Moondogs aus Weißenfels, die wie alle anderen Bands 30
Minuten Zeit hatten, die gestrenge Jury (der im weiteren noch Katja vom
"Fritz", Andre und Uwe von Radio Energy sowie Madeleine und Hagen vom gastgebenden
Geyserhaus e.V. angehörten) zu überzeugen. Angebluester Britpop
war das Metier dieses Quintetts - nicht schlecht zwar, aber durchaus noch
mit großen Steigerungsmöglichkeiten. Die Gitarrenleads wußten
zu überzeugen, der Bassist indes spielte mehr als einmal gegen den
Rest der Band anstatt mit ihr.
Ebenfalls aus Weißenfels
stammten Dead in Ohio, deren große Vorbilder wohl Die Skeptiker
sind. Jedenfalls erinnerte mich der Gesang stark an Eugen Balanskat, und
auch vom Musikalischen her lagen beide Bands nicht so weit auseinander,
auch wenn Dead in Ohio durch das gelegentliche Einstreuen atmosphärischer
Passagen ein wenig Eigenständigkeit gewannen. Vom Songwriting her
waren sowohl Durchhänger ("Manchmal im August") als auch Treffer ("Schöner
Schein") zu verzeichnen, und der Drummer gehörte zu den besseren seiner
Zunft.
Das Trio Landgraf muß
sich fragen lassen, warum sie ihren Set mit einem langweiligen Akustikstück
begannen, wo sie doch gute druckvolle Rocker wie "Stranded" in der Hinterhand
hatten. Ansonsten konnten die Mannen um Gitarrist/Sänger Enrico Landgraf
aber durchaus überzeugen. Ein Song wie "Last Way", mit dem man den
Set beschloß, erinnerte dabei mehr als einmal an Led Zeppelin.
Gleich noch ein Trio hinterher:
Amok spielten ziemlich harten Deutschrock und boten einen durch
und durch professionellen Auftritt. Songs wie "Zeit" oder "Sehnsucht" sind
ebenso eingängig wie instrumentell anspruchsvoll (sehr gute Gitarrenarbeit!),
mit "Mach die Augen zu" (kein Ärzte-Cover) hatte man eine wunderschöne
Halbballade im Gepäck, und engagierte Texte rundeten das sehr gute
Gesamtbild ab. So dachte außer mir auch der Rest der Jury, und damit
sahnten Amok den ersten Preis (ein verlängertes Wochenende im Röhrsdorfer
Studio) ab. Glückwunsch!
Superstition fielen
dagegen in allen Belangen ab. Allenfalls durchschnittliche Normalorocksongs,
ein Sänger, der nicht zu den stimmgewaltigsten seiner Zunft gehört,
ein Keyboarder völlig außer Form und ein Bassist und ein Gitarrist,
die bevorzugt gegeneinander spielen - nee, das war's diesmal noch nicht.
Mit All-Girl-Bands konnte
ich noch nie so viel anfangen (selbst Girlschool haben lediglich einen
soliden Eindruck bei mir hinterlassen). Dies hat sich an diesem Abend aber
geändert, und schuld daran waren Flash
aus Limbach-Oberfrohna. Steffi (dr), Anja (g), Conny (v, b) und Therese
(key) sehen nämlich nicht nur verdammt hübsch aus, sondern beherrschen
auch ihre Instrumente und schreiben richtig klasse Songs, die irgendwo
im Spektrum zwischen Blues und Deep Purple herumlungern und sich sofort
im Ohr des Konsumenten festsetzen. Phasenweise erinnerte mich die Keyboardarbeit
gar an The Gathering, und Conny sieht nicht nur ein bißchen aus wie
Doro Pesch (allerdings zehnmal besser), sondern singt auch ein bißchen
ähnlich (allerdings auch zehnmal besser). Die vier Mädels überzeugten
des weiteren mit einer Unbekümmertheit, wie man sie heute auch im
Newcomerbereich kaum noch findet, zeigten sich extrem spielfreudig und
genossen den "Auslauf", den sie auf der geräumigen Bühne hatten.
Und als Conny und Anja ihre Saiteninstrumente in bester Judas Priest-Manier
synchron schwangen, da war dies nur das i-Tüpfelchen auf den Gig einer
extrem hoffnungsvollen Band. Leider schätzten diverse Jurykollegen
Flash nicht ganz so hoch ein, so daß am Ende nur ein undankbarer
sechster Platz zu Buche stand, denkbar knapp hinter dem Fünftplazierten.
Trotzdem prognostiziere ich: Hier wächst Großes heran (und das
ist ausnahmsweise mal nicht sexistisch gemeint ...)! Die den Tag außer
Konkurenz beschließenden Fools 'N Town cancelte ich, um ein wenig
Schlaf nachzuholen.
Da es bis einschließlich
Samstag Spätnachmittag permanent regnete, fand Teil zwei des Open
Airs in der Closed Air des Geyserhauses statt. Diesmal eröffneten
die L.E. Hoschis, die anläßlich ihres ersten Liveauftrittes
überhaupt ihren gesamten Fanclub mitgebracht hatten, der dann auch
permanent für Stimmung sorgte. Das war auch bitter nötig, denn
technische Fuck-Ups in Gestalt von reißenden Gitarrensaiten und ausfallenden
Baßverstärkern machten es der Band sehr schwer. Die fünf
Songs, die das Auditorium dennoch zu hören bekam, verdeutlichten,
daß die L.E. Hoschis doch noch ein wenig auf die Weide (sprich: in
den Proberaum) müssen, um später mal richtig überzeugen
zu können. Außerdem sollte die Sängerin an ihrem Melodiehaltevermögen
feilen. Auch die beiden Eigenkompositionen unterstrichen noch einmal die
Notwendigkeit des Reifeprozesses dieser Band.
Promise waren die metallischste
Band der Konkurrenz. Ein bißchen Metallica Anfang der Neunziger,
eine Prise Grunge und eine Handvoll der Anfang der Neunziger als Alternative
Metal titulierten Mucke ergaben ein instrumentell durchaus wohlschmeckendes
Gebräu, und auch die Covers von "Paranoid" (Black Sabbath) und "Sweet
dream" (Eurythmics!) waren nicht schlecht umgesetzt. Schwachpunkt von Promise
war allerdings der Sänger, der klang, als ob er vorher mit ein paar
Litern Schwefelsäure gegurgelt hätte. Von daher überraschte
es mich etwas, daß die Band in der Endabrechnung auf dem zweiten
Platz landete.
Die unmittelbaren Konkurrenten
um den zweiten Platz waren The Jumblers, die sich letzten Endes
erst in der Zweitwertung geschlagen geben mußten. Das Trio bot einen
professionellen Auftritt, überzeugte mit seiner irgendwo zwischen
Hillybilly, Blues, Jazz und Rock angesiedelten Mucke und hatte mit einem
Kontrabaß einen echten Originalitätsfaktor zu bieten. Pure Spielfreude
sorgte auch für gute Stimmung im leider nicht allzu zahlreich erschienenen
Publikum.
Mindestens ebenso routiniert
und professionell setzten sich Passover Crisis in Szene. Ihr Metier
war mittelalterlich angehauchter Metal, der besonders durch die permanent
eingesetzte Mandoline gewann und phasenweise an In Extremo erinnerte. Warum
bei dieser hochgradig stimmungserzeugenden Mucke eben keine solche im Publikum
aufkam, war mir ein Rätsel.
Unter ferner liefen landeten
unerklärlicherweise auch Sponx, die urlaubsbedingt mit einer
"gemieteten" Rhythmsection antreten mußten. Das machte den dreckigen
Hardrock aber keinesfalls schlechter, der durch gelegentlichen Einsatz
von Mundharmonika und Cello gar noch etwas veredelt wurde. Daß das
Zusammenspiel hier und da ein wenig zu wünschen übrig ließ,
dürfte meine Jurykollegen wohl zu massiven Punktabzügen bewegt
haben.
Cosmic Pepper entführten
das Auditorium dann in die Siebziger, denn ihr mit kilometerlangen Instrumentalpassagen
gespickter Hardrock könnte genausogut jener Epoche entsprungen sein.
Als Anhaltspunkte ließen sich Lynyrd Skynyrd oder die Allman Brothers
festmachen, während einige Soli auch den Saiten von Black Sabbath-Gitarrist
Tony Iommi hätten entstammen können. Der Gesang hingegen erinnerte
mich streckenweise an Shane Southby von den Ende der 80er/Anfang der 90er
aktiven australischen Progressivmetallern Taramis. Da es Cosmic Pepper
verstanden, ihre überlangen Songs recht spannend zu inszenieren, eroberten
sie zu Recht den fünften Platz.
Die Eilenburger Headache
dürften bei zartbesaiteteren Zeitgenossen ebensolche hervorgerufen
haben: Hardcore im Stile der Suicidal Tendencies, sehr metallische Gitarrenarbeit,
gelegentliche Akustikeinschübe, trotz nicht allzuhohem Tempo jede
Menge Druck und je ein Brüller und Rapper am Mikro reichten für
einen verdienten vierten Platz.
Um einen nicht genannt werden
wollenden Besucher zu zitieren: Anima Lunatis aus Jena "verkörperten
alle die Klischees, die man den Frauenrockbands immer anzuhängen versucht".
Die drei Damen plus Quotenkerl hinterm Schlagzeug stellten unter Beweis,
daß sie a) ihre Instrumente allenfalls durchschnittlich beherrschen,
b) keine richtigen Songs schreiben können, sondern lediglich zusammenhanglose
Versatzstücke nacheinander spielen, c) mehrstimmiger schiefer Gesang
nervenzerfetzend wirken kann und d) die pseudofeministischen Texte unter
aller Sau sind. Ich habe wirklich keinen Spaß daran, Newcomerbands
runterzumachen, aber das, was Anima Lunatis hier boten, war echt schlecht,
und da meine Jurykollegen analog dachten, landeten die ThüringerInnen
abgeschlagen auf dem letzten Platz.
Holly B. sollten eigentlich
am Freitag eröffnen, konnten aber wegen eines Unfalls ihres Fahrers
nicht rechtzeitig in Leipzig sein. So durften sie als letzte Band des Samstages
noch ran, und es bleibt zu konstatieren, daß ohne diese Truppe echt
was gefehlt hätte. Ein punkig schmeckendes Konglomerat aus Oi und
den Ramones, angereichert mit Gitarrensoli, wie man sie im Punk selten
findet, dazu noch ein paar witzige Ansagen - fertig war eine halbe Stunde
Punkrock vom Feinsten, die übrigens mit dem Country-Klassiker "Ring
of fire" eröffnet wurde, der allerdings nur noch anhand des Textes
wiederzuerkennen war. Letzten Endes reichte es aber auch für Holly
B. nur zu einer Mittelfeldplazierung.
Nach der Siegerehrung war
eigentlich geplant, die Siegerband noch einmal ein paar Songs spielen zu
lassen. Da Amok indes am Samstag nicht komplett anwesend sein konnten,
wurde diese Aufgabe an die zweitplazierten Promise weitergegeben. Anschließend
kletterten außer Konkurrenz noch die Leipziger Hardrocker L.E.
Squealer auf die Bretter, die ich mir in Anbetracht der weit vorgerückten
Stunde aber schenkte.
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