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Cäsar
von kb anno 1999

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Fünfzig Jahre ist er soeben geworden, und immer noch kein bissel erwachsen. Wenn man unter „erwachsen“ versteht, daß einer sich in die Gegebenheiten fügt, sich in seiner Job- und Sofanische gemütlich eingerichtet und angeblich längst alles ausprobiert hat, was auszuprobieren ist. Nicht so dieser Typ, der einst als der Rockgitarrist der DDR galt und sich auf diesen Lorbeeren gut hätte ausruhen, einrichten und nach oben buckeln können. Genau das tat er nicht. Deshalb hat er massenhaft Ärger gehabt, schlechte Zeiten durchgemacht, sein Brot mit Taxifahren verdient ... Und vielleicht deshalb kann man ihn heute noch auf der Bühne erleben, mit kleinen Liedern und widerborstigen Stücken und immer wieder mit neuen Ideen was man - was er - noch alles ausprobieren könnte. Er hat es immer noch nicht gelernt, als Frontmann zu posen und sich lautstark oder wenigstens aktionsreich zu verkaufen (wir vermuten: er wird es auch in den nächsten 50 Jahren nicht lernen - wollen). Und man kann mit ihm immer noch bei einer Tasse Kaffee gemütlich über Gott, die Welt und Cäsar schwatzen, als wär’s der Musikerkollege von nebenan und nicht der große Cäsar selbst. Schließlich hat er irgendwann mal ganz klein mit einer Flöte angefangen, und das hat er, scheint’s, nie vergessen.

Peter 'Cäsar' Gläser

Erzähl doch mal, wie es bei Dir anfing. Du hattest Unterricht an der Musikschule ...

Ja, Volksmusikschule und später drei Jahre an der Hochschule, bis sie mich rausschmissen wegen schlechter Studiendisziplin. Wir waren ja die ersten Studenten an der Musikhochschule, die lange Haare hatten. Na gut, das war noch kein Grund - andere hatten auch lange Haare und sind nicht geflogen. Aber ich war einfach nicht allzu oft da, es war gerade die Renft-Zeit und ... ich war eben auch etwas widerborstig.

An der Musikschule hast Du alle möglichen Instrumente gelernt: Blockflöte, Klarinette, Fagott, Klavier - war da schon klar, welche Richtung Du einschlagen würdest?

Ach wo! Es war einfach so: Meine Mutter hat mich immer zum Einkaufen mitgenommen ins Centrum-Warenhaus, das heutige Karstadt. Da gab’s in der Musikabteilung eine Blockflöte für drei Mark fünfzig, die wollte ich unbedingt haben. Also hat sie sie mir gekauft, und ich hab mich damit beschäftigt, einfach mal ausprobiert, wie man eine Tonleiter spielt und so weiter. Und daraufhin wurde ich dann bei der Musikschule angemeldet. Normalerweise gibt’s da ein Vorschuljahr, aber die haben mich gleich ins erste Jahr reingenommen. Wir hatten an der Schule einen sehr guten Musiklehrer, deshalb konnte ich schon vorher Noten. Jedenfalls, an der Musikschule war noch gar nichts klar, das war nur so eine Neigung. Da kam dann erst später, so mit den Stones und Beatles ...

Da hast Du dann angefangen, Gitarre zu lernen ...

Ich hatte einen Freund, der inzwischen leider schon verstorben ist, der konnte noch’n bissel besser spielen als ich und hat mir die ersten Griffe gezeigt. Er hatte auch einen Onkel, der konnte richtig Gitarre spielen, Onkel Peter. Der kommt heute ab und zu noch, wenn wir mal in Leipzig spielen. Da ruf ich ihn an und er kriegt Freikarten. Ist schon ziemlich alt, Ende 60 wird der sein ...

Und findet der das gut, was Du heute so machst?

Der findet das gut! Kommt immer an, ganz wacklig, mit’m Krückstock, und freut sich und ist ganz gerührt, naja klar, er hat ja auch meinem damaligen Mitschüler die ersten Akkorde beigebracht.

Zu Renft bist Du dann sozusagen auf der Parkbank gekommen, so steht’s hier im Info.

Ich hab in verschiedenen Kellerbands gespielt, das war halt so. Jeder konnte irgendwas und jeder hat beim anderen was abgeguckt. Dann war ich innerhalb von ‘nem halben Jahr bestimmt so in zehn verschiedenen Bands - hab da mit geprobt, aber Auftritte gab’s vielleicht so zwei oder drei. Jedenfalls muß sich das wohl schon irgendwie ‘rumgesprochen haben, so daß der Herr Jentzsch - alias Renft - auf mich aufmerksam gemacht wurde. Irgendwann waren wir dann mal zusammen in der Kneipe, und auf dem Heimweg stand da ‘ne Bank - heute steht da ‘ne richtige Geldbank, aber damals war es eine Parkbank. Und da hab ich ihm ein Lied vorgespielt, „Monday Monday“ von den Mamas & Papas. Das konnte ich ganz gut, durch diese ganzen Kellersessions, und da sagte er: „Haste nicht Lust ...?“ Und so war ich dann dabei.

Mit Sicherheit hast Du damals auch irgendwelche Vorbilder gehabt?

Das ist so ‘ne schwierige Sache mit Vorbildern ... erstmal war es ganz allgemein diese Musikrichtung, und dann kamen später Leute wie Jimi Hendrix oder Clapton; da haben wir natürlich ganz schön hingeschielt. Aber - das hab ich ja teilweise gar nicht spielen können, und es hat sich dann so etwas wie ein eigener Stil entwickelt, natürlich mit Einflüssen daraus. Auch von irgendwelchen Bluesleuten, von denen ich heute schon gar keine Namen mehr weiß. Aber ein einziges richtiges Vorbild gab es eigentlich nicht.

Und heute, orientierst Du Dich auch an irgendwelchen moderneren Bands oder Musikern?

Klar hört man sich das an, aber vielleicht bin ich schon zu alt dafür. Und auch zu eigenständig, zu sehr auf mich selbst bezogen. In meinem Alter lernt man sowieso nichts mehr dazu, zumindest rein technisch kaum; man kann nur versuchen, daß man das, was man drauf hat, immer weiter ausreifen läßt. Und vor allem beschäftige ich mich ja auch eher mit dem Schreiben von Songs.

Du schreibst ja auch Texte, aber kaum für Deine eigenen Stücke?

Ich habe lange keine Texte mehr geschrieben. Auf der ersten Platte sind ein paar drauf. Heute schreibt Sascha Anderson die Texte, jedenfalls auf der aktuellen CD sind die meisten von ihm. Abgesehen vom Titelsong „Wandersmann“, das ist ja noch ein alter Renft-Titel.

Wie ist es zu der Zusammenarbeit mit Anderson gekommen?

Wir kennen uns schon länger, seit Cäsar’s Rockband eigentlich. Er hat dafür auch schon Texte geschrieben, zum Beispiel „Im Bauch des Riesen“. Ich hab ihn dann wiedergetroffen und suchte grad jemanden, der kompetente Texte macht. Die sind zwar nun ein bißchen schwierig ausgefallen, aber mir gefällt halt, wie er schreibt. Man muß oft den Kopf anstrengen, er hat ja auch viele sprachliche Bilder drin - das zwingt den Gedanken nicht unbedingt in eine bestimmte Richtung, jedenfalls bei manchen Liedern. Da bleibt vieles offen, so daß man sich selbst noch viel hineindenken kann. Die meisten Leute sind das aber einfach nicht gewohnt, die wollen nach dem Punkt eine fertige Aussage haben, und die kriegen sie hier eben meist nicht. Anderson ist Lyriker, und ich finde das sehr schön, sehr anspruchsvoll.

Wie entsteht dann ein Song daraus?

In diesem Fall waren sämtliche Musiken eher da - was ja eigentlich die Regel ist, aber natürlich gibt es auch Ausnahmen. Ich schreibe die Musik, habe dann meistens auch eine bestimmte Vorstellung davon, was im Text passieren könnte, und dann setzen wir unszusammen und unterhalten uns darüber. Manchmal hab ich auch noch keine Idee, dann erzählt er, wie es auf ihn wirkt, und dann sprechen wir auch darüber, ob das so geht und so weiter.

Wie wird dann an den Ideen innerhalb der Band gearbeitet?

Ich komme mit meinen Vorstellungen an, aber von vornherein auch mit der Option, diese Ideen völlig zu brechen. Da gibt’s dann auch gelegentlich Meinungsverschiedenheiten und heiße Diskussionen, und am Ende setzt sich irgendetwas durch. Für mich ist das produktiver Streit. Ich strebe das bewußt an, denn meine Philosophie ist, daß die Leute, die mitspielen, daran auch selber Gefallen haben sollen. Ich will nicht unbedingt irgendwas durchdrücken, sondern es passiert am besten, wenn die anderen sich mit einbringen können. In ihrer Art zu spielen sowieso, aber eben auch mit ihren Vorstellungen, wie man ein Stück arrangieren könnte. Manchmal geht’s wirklich um so lapidare Dinge wie das Tempo eines Stückes. So simpel ist das mitunter, aber man kann sich doch ganz schön fetzen an solchen Stellen!

Du hattest nach Renft verschiedene Bands, wie hat sich das jeweils gefunden?

Tjaa - wie findet sich denn sowas ... Bei Renft ist das ja klar: Da war’s die Parkbank. Dann wurde das Ganze verboten, die Hälfte der Band ging in den Westen; das hatte ich aber nicht vor, ich sah hier noch einige Chancen, trotz dieses harten Einschnitts. Naja, und dann kennt man sich halt untereinander ... es gab da eine Band, die hat uns ganz gut gefallen, die suchten auch noch jemanden. Das war Karussell - die hießen aber damals noch Fusion, glaube ich. Die hat Jochen Hohl, der Trommler von Renft, entdeckt. Sie machten eine Art Musik, die uns gefiel, so ein bißchen wie Renft, auch wenn sie damals noch keine eigenen Songs hatten. Wir sind da also eingestiegen, aber irgendwann hatte ich keinen Bock mehr. Die Band war ursprünglich mal angetreten, um sozusagen das Renft-Erbe fortzuführen. Nicht in dem Sinne, Renft-Titel zu spielen, sondern von der Auffassung her: Keine Selbstzensur anzulegen, frisch von der Leber weg anspruchsvolle Texte zu machen. Dann ging’s den Musikern aber immer besser und dieser ursprüngliche Gedanke hat sich verflüchtigt. Jedenfalls war aus meiner Sicht nicht mehr viel davon übrig geblieben, und deshalb hab ich bei Karussell aufgehört und versucht, was Eigenes zu machen. Da gab’s eine Band namens „Schwarzer Pfeffer“, Bandleiter war Bernd Herchenbach, aber was ich nicht wußte: Die Bands, die er hatte, hielten meist nicht sehr lange ... Ich hab mich mit ihm zusammengetan, und daraus ist dann Cäsar’s Rockband entstanden, mit Wolfram Dix am Schlagzeug, jedenfalls in der ersten Besetzung. Jazzer und Rocker gemischt, das fand ich interessant - da treffen ja teilweise auch Welten aufeinander! Aber das Konfliktpotential hatte ich so nicht vorausgesehen: Daß es eben wirklich zwei Welten sind, die ganz schlecht zusammenkommen. Jedenfalls ging’s nicht mit diesen Leuten. Ich dachte, daß es rein musikalisch vielleicht ganz spannend sein könnte, aber die Leute haben’s einfach nicht vertragen. Es war so ein gewisses Elitedenken da bei den Jazzern, und das haben die Rocker nicht so richtig verstanden, und ich stand da so in der Mitte ... Nach einem halben Jahr gab’s die Band nicht mehr. Nun hatte Karussell nach meinem Weggang einen neuen Sänger gesucht. Der neue Sänger kam von Passion, so daß die jetzt keinen Sänger mehr hatten. Eigentlich wollte ich damals schon meinen Ausreiseantrag stellen, aber dann haben die mich bekniet, daß ich’s doch nochmal versuchen sollte. Also habe ich dann mit den Passionsleuten sozusagen eine zweite Besetzung gegründet. Die Leute waren viel verträglicher, das ging alles wunderbar und wir haben drei Jahre miteinander gespielt, aber dann gab’s wieder so verschiedene politische Schwierigkeiten. Ich wollte mir nicht alles gefallen lassen, vor allem kulturpolitisch, wollte direkt, geradeaus sein. Und das hat man mir übelgenommen. Aber es hingen Familien dran, und irgendwann hab ich gesagt, ehe die uns hier völlig den Hahn zudrehen, lösen wir ganz ordentlich die Band auf, dann kriegt ihr keine Schwierigkeiten und ich stelle meinen Ausreiseantrag. Naja, und auf den habe ich dann drei Jahre gewartet ... und auch so schlechte Zeiten hinter mich gebracht ...

Was hast Du in der Zeit gemacht?

Gesoffen.

Und musikalisch völlig abstinent gelebt?

Naja, nicht ganz. Ich hab mich schon hingesetzt und versucht, zu schreiben, Texte zu machen. Aber ich bin nicht nach draußen gegangen.

Irgendwie hab ich dann aber die Zeit des Trinkens abgeschlossen, und eines Tages kam mein Sohn an - der war damals 17 - und sagte, „Alter, du mußt spielen! Ich hab ‘ne Band, und ...“ Und ich dachte, die spinnen wohl, irgendwelche Amateure, und dazu noch so jung ... aber irgendwie hat er mich dann überzeugt, und ich dachte mir, was solls, bevor ich hier rumsitze im stillen Kämmerchen, kann ich auch raus und was machen. Er meinte, sie hätten auch ein Programm und ich bräuchte da nur mitzuspielen. Als ich zur Probe kam, hatten die drei Lieder - und das war’s! Tja, und da mußte ich natürlich ... es sind zu der Zeit viele Songs entstanden, auch erstmals mit eigenen Texten. Ich war ja bis dahin trotz aller Widerspenstigkeit doch noch kompromißbereit gewesen. Ich hatte immer so eine Devise: Wenn sich einer völlig den Kopf einrennt - was will der dann noch machen? Aber an der Stelle war mir das völlig egal, ich wollte ja sowieso raus. Ich sagte mir, jetzt gibt’s hier überhaupt keine Kompromisse und was mir auf der Zunge liegt, wird ausgesprochen. So entstand dann ein Programm mit der Band, die hieß Cäsar und die Spieler. Der Obrigkeit hat’s natürlich nicht gepaßt, daß ich wieder aktiv geworden bin, und Ostern ’89 kriegte ich dann die Ausreise.

Mit der neuen CD hab ich mich nun wieder an den Namen erinnert. Ich dachte, der paßt vielleicht ganz gut durch seine Mehrdeutigkeit: Mit der Musik spielen, auf Instrumenten spielen, überhaupt Spielen als etwas, was von vornherein nicht so festgelegt ist. Als Trio hatten wir schon zwei CDs gemacht, und das kam mir inzwischen etwas einseitig vor, obwohl wir gerade bei der ersten auch die Bierfiedler als Gäste dabei hatten. Die erfüllten allerdings damals eher die Funktion des Synthesizers, während die Lieder im Prinzip feststanden. Bei der neuen CD handelt es sich um Solisten, die viel Spielfreude mit einbringen und die Lieder von Anfang an mit entwickeln. Das Konzept beinhaltet auch, daß wir in dieser Besetzung auf Tour gehen. Dadurch können wir Lieder spielen, die in der Triobesetzung nicht funktionieren, und außerdem ist die Bühne nicht so leer, wenn nicht nur drei Leute oben stehen, sondern sechs, und außerdem noch eine Frau dabei ... Ich bin sowieso nicht der geborene Showtyp, und da ist eine größere Besetzung vielleicht ganz günstig, um eine bessere Wirkung zu erzielen. Das soll nicht heißen, daß es mit dem Trio nicht läuft - es ist einfach mal etwas anderes.

Du hast ja auch noch etwas ganz anderes probiert - beim Tanz- und Folkfest in Rudolstadt hattest Du eine Besetzung mit Musikern aus einer Mittelalterband.

Sagen wir mal so, daher kam der Urgedanke für die jetzigen „Spieler“. Wir haben damals gemerkt, daß es mit dieser Besetzung nicht funktionierte. Das Konzept war auch noch nicht so ausgereift. Diese Geschichte hatten wir speziell für Rudolstadt vorbereitet, es gab da auch noch keine neuen Titel, vielleicht  höchstens ein oder zwei. Es war so ähnlich wie bei der ersten CD: Wir haben versucht, die Titel, die wir im Trio nicht spielen konnten, mit den Mittelalterleuten umzusetzen. Mich hat es gereizt, sowas mal auszuprobieren: Blues mit Schalmei und so, das klingt eigentlich, als wär’s unmöglich, wobei ich bestimmt nicht der erste bin, der das probiert hat. Es klang auch interessant! Aber durch die personellen Veränderungen ist mit der Zeit auch ein anderes Instrumentarium zusammengekommen: Sax, Geige ... Einzig der „Wandersmann“ klingt noch etwas nach Mittelalter, da ist auch direkt ein musikalisches Mittelalterthema eingebaut. Überhaupt hat uns der „Wandersmann“ erst auf die Idee gebracht, sowas mal zu versuchen. Dann haben wir aber doch eher Abstand davon genommen, daß es so vordergründig nach Mittelalter klingt. Es klingt heute wieder mehr nach Rock, und wenn dann mal so ein Instrument mitspielt, ist das OK, aber es soll in erster Linie Rockmusik bleiben.

Die Lieder auf der CD sind nun sehr unterschiedlich... auch ein paar richtig schöne, einfache Liedchen sind dabei. Die darf man gar nicht so groß machen, die müssen schlicht und klein bleiben. Es gibt Stücke, die haben ihren eigenen Charme und die muß man dann auch so lassen.

Wie kommt Euer Programm bei Konzerten an?

Dieses Programm ist völlig neu, wir haben es live noch gar nicht gespielt, das geht jetzt erst los! Wir spielen also verschiedene Programme: Es wird das Trio geben, und dann eben das Spieler-Programm.

Deine Musik liegt ja nun nicht eben im Trend, und Leute, die Dich vielleicht von früher kennen - die ewigen „Apfelträumer“ - sind vielleicht nicht so von Deinen neueren Sachen begeistert, weil die ja zum Teil doch sehr anders sind ...

... aber nur zum Teil!!

... inwieweit hast Du das Publikum im Kopf und versuchst, die Stücke doch noch „gefällig“ zu machen, damit sie beim Publikum ankommen?

Ein bißchen schon, aber nicht auf Teufel-komm-raus. Ich versuche, die Substanz eines Stückes herauszubringen. Dazu gehört auch das einfache Lied, das einfach bleibt, aber wenn mehr da ist, dann versuche ich, damit zu arbeiten. Und möglicherweise gefällt das nicht jedem. Es gefällt sowieso nicht jedem alles, das geht einfach nicht. Und das hier bin eben ich, und wer sich damit beschäftigt, der wird das auch zumindest akzeptieren.

Hat sich Dein Publikum im Laufe der Jahre geändert, oder kommen hauptsächlich Leute, die Dich noch aus Renft-Zeiten kennen?

Das ist völlig gemischt. Natürlich kommen auch noch diese Leute, so in meinem Alter etwa. Wir sind ja eine relativ alte Band, jedenfalls, wenn man nach meinem Alter geht. Die beiden anderen Kollegen sind dann jeweils gestaffelt zehn Jahre jünger, und die Spieler sind auch so zehn bis zwanzig Jahre jünger. Aber das ist ja egal! Jedenfalls: Zu jungen Bands kommen wahrscheinlich eher nur Jugendliche, und zu uns kommen die Alten, aber auch die Jugendlichen. Die Eltern bringen eben ihre Kinder mit, da sind dann die jüngsten fünf ... bei Open Airs oder so. Es sind also wirklich nicht nur die, die mich von Renft oder Karussell her kennen - da sind sozusagen schon Generationen nachgewachsen.

Dein Kollege Volkmar Große wird als neugieriger Musiker bezeichnet - würdest Du Dir das Prädikat selbst auch verleihen?

Ja - experimentierfreudig, würde ich vielleicht sagen. Ich probiere gern unterschiedliche Sachen aus, und ich versuche auch, daß nicht ein Lied wie das andere klingt. Natürlich ähneln sie sich dann durch die Art, wie ich singe oder spiele, aber was ich mir ausdenke, ist ja trotzdem sehr unterschiedlich. Das war auch schon bei Renft oder Karussell so.

Und dann wollen wir mal nicht vergessen, daß Du auch noch völlig andere Dinge getan hast, zum Beispiel beim Theater ...

Ja, ich war Theatermusiker an der Freien Volksbühne Berlin. Es gab da ein englisches Theaterstück, „Moll Flanders“, das stark auf Gesang, auf Liedern basierte. Deshalb bekamen meine alten Kollegen Christian Kunert und Gerulf Pannach den Auftrag, die Texte ins Deutsche zu übertragen, und es entstanden auch neue Stücke. Dann brauchte man jemanden, der das auch spielen konnte. Und da ich nun alles mögliche spiele - Klavier, Flöte, und bissel Schlagzeug auch noch - war ich dort Theatermusiker. Irgendwann wurde auch bei den „Jedermann Festspielen“ in Berlin ein Flötenspieler gesucht. Ich mußte zwar in der Szene nichts sagen, aber ich war sozusagen Schauspieler. Aber das war in dem Sinne keine kreative Arbeit. Mit kreativer Arbeit hat dann eher die Fontane-Edition zu tun.

Und diese heiß diskutierte Geschichte mit „Mein Kampf“. Was hat Dich dazu geführt, Dich dort einzubringen?

Das hängt mit dem Fontane zusammen. Es wird seit 1995 eine 24-teilige Edition der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ produziert, zu der ich die Musik schreibe. Das ist mir auch ziemlich gut gelungen, wie man mir bescheinigte - und dann hatte das Produktionsteam Unterlauf/Zschiedrich auch noch dieses Projekt „Mein Kampf“ mit Ekkehard Schall. Tja, das ist jetzt ziemlich schwierig zu erklären ... den Stoff kennt ja kaum jemand, nicht jeder hat das Buch zu Hause liegen und es ist auch nicht so einfach zugänglich - vielleicht jetzt über’s Internet. Unser Anliegen war nun, den Leuten näherzubringen, was dort für eine Intelligenz und gleichzeitig Dummheit drinsteckt, und daß das zum Teil eben auch ganz gefährlicher Stoff ist, wenn man den in die falsche Kehle kriegt. Im Prinzip sind wir angetreten, um das von einer anderen Seite den Leuten nahezubringen - nahebringen nicht in dem Sinne, wie es damals quasi Programm wurde für die Faschisten in Deutschland.

Diese Doppel-CD ist aber dann verboten worden, weil die Rechte beim Freistaat Bayern liegen, irgendwo beim Finanzministerium ... Es sollte auch gar nicht so ein kommerzielles Ding draus werden, nur eine limitierte Auflage des Eulenspiegel-Verlags; der Verlag ist aber inzwischen zurückgetreten, weil er sich gegen Bayern nicht durchsetzen konnte. Nun liegt es erst mal wieder brach und man muß sehen, ob man es irgendwie wieder freibekommt - es ist ja gesperrt worden mit einstweiliger Verfügung.

Ich hatte am Anfang auch einige Berührungsängste, fand das Ganze ziemlich schwer. Es fängt so harmlos an, ganz lapidar, wie ein Hörspiel, geht immer tiefer und wird dann zum Ende ziemlich bedrohlich, so ist also von Anfang bis Ende eine kontinuierliche Steigerung drin. Allerdings kenne ich auch nicht das gesamte Buch, sondern nur diese Auszüge - insgesamt soll es stinklangweilig sein! Hier sind aber die ganzen interessanten Stellen herausgegriffen, wo man sich fragt: Wie kann ein Mensch so dumm sein? Und auf der anderen Seite: Wie kann eine ganze Nation auf Grund dieses Stoffes diese Richtung einschlagen? Mich hat es auch interessiert wegen meiner Familie. Mein Onkel ist gefallen und mein Vater hat viel vom Krieg erzählt, was da so los war und wie sinnlos ... Ich selbst bin zwischen Trümmerhaufen groß geworden, ich weiß noch, wie das damals ausgesehen hat nach dem Krieg. Da kommen einem natürlich Fragen, die noch nicht beantwortet sind, oder die man vielleicht auch gar nicht so einfach beantworten kann. Wie ein Krieg entsteht, zum Beispiel: Das ist nicht allein mit finanziellen Interessen zu beantworten; dazu gehören immer auch Menschen, die dazu bereit sind, entweder aus Angst, oder weil sie’s gut finden. Also psychologische Gründe. Insofern hat es mich auch gereizt, mich mit dem Thema zu beschäftigen.

Sind für Dich die Gründe dadurch deutlicher geworden?

Ja und nein. Es ist für mich deutlicher geworden, was damals passiert ist, aber nicht eindeutig, warum, also die eher tiefenpsychologischen Hintergründe. Mit Sicherheit ist das auch nicht zu ergründen, aber man muß trotzdem versuchen - falls es die CD dann mal im Laden geben sollte - die Leute anzuregen, darüber nachzudenken. Auch mit Blick darauf, daß sowas einfach nochmal passiert.

Könnten diese Aufnahmen aber vielleicht auch in die entgegengesetzte Richtung losgehen?

Du meinst, daß sich die rechte Ecke dafür interessiert? Glaub ich nicht. Möglich, daß sie sich dafür interessieren, aber sie werden sich durch die Art der Interpretation eher beleidigt fühlen, denke ich.

Noch ein thematischer Sprung. Du hast mit Kai Niemann eine CD produziert. Erzähl doch mal, wie es zu der Zusammenarbeit kam.

Kai Niemann hatte sich mal hier bei Loewenzahn (Leipziger Verlag - d. A.) und ProCon (Agentur unter einem Dach mit Loewenzahn - d.A.) vorgestellt. Er hatte eine CD eingespielt, die er bei einem Verlag unterbringen wollte. Drei Lieder sollten dann nochmal neu produziert werden. Dafür wollte man ihm jemanden zur Seite stellen, der das schon öfter gemacht hat, und da hat man mich gefragt. Ich hab gesagt, klar, wir können das versuchen. Die drei Lieder wurden nochmal produziert und klingen jetzt anders als vorher. Ob nun besser oder nicht ... ist vielleicht auch gar nicht die Frage. Mit Kai Niemann war nämlich nicht so einfach zu spaßen! Manchmal hatte ich das Gefühl, das hätte auch ich sein können. Er hatte ziemlich klare Vorstellungen von dem, was er machen wollte. Insofern war die Arbeit nicht ganz einfach, aber trotzdem recht fruchtbar. Wir mußten uns erst aneinander gewöhnen, er ist ja 25 Jahre jünger, halb so alt wie ich, da liegen Welten dazwischen! Auf der anderen Seite wirkt er so ein bißchen liedermachermäßig - das hört er zwar nicht gerne und ich mag solche Schubladen eigentlich auch nicht - aber insofern waren da vielleicht doch die richtigen Leute zusammen. Das war ein Versuch, wir haben uns dabei ein bißchen angefreundet und mehr ist dazu erst mal nicht zu sagen.

Würdest Du sowas nochmal machen, und müßte das dann möglichst jemand sein, der so etwa aus der gleichen Ecke kommt?

Das muß nicht unbedingt so sein. Es ist ja auch interessant, wenn zwei Auffassungen aufeinanderstoßen, möglicherweise kommt man dann zu einer gemeinsamen dritten und hat dabei was gelernt. Kann natürlich auch schiefgehen, das weiß man vorher nicht. Aber interessant ist es allemal.

Was würdest Du jungen Leuten raten, die Musik machen und damit ein bißchen vorwärts kommen wollen?

(nach langer Pause) Schwer zu sagen! Aus meiner Sicht - ich hab viele Leute kennengelernt und einfach durch’s „Machen“ eine Menge gelernt. Musiklehrer würden natürlich sagen: Du mußt üben! Naja, das ist schon erst mal nicht schlecht, aber ... wenn einer richtig davon besessen ist, dann wird’s entweder - oder auch nicht. Man muß bloß vorher wissen, daß man viel, viel einstecken muß. Daß man kein Geld hat; daß man möglicherweise richtig gut ist und das aber überhaupt gar keinen interessiert. Es gibt zwar noch den anderen Spruch: Qualität setzt sich durch, aber ob das stimmt ... ich glaub’s fast nicht. Jedenfalls, die Qualität allein ist es nicht. Du brauchst die richtigen Verbindungen, Leute, die sich auskennen, die richtigen Partner. Ganz allein schafft es keiner.

Was für Partner konkret?

Wenn’s eine Band sein soll, dann die passenden Musiker. Und dann eine Agentur oder so was: Leute, die sich mit dem beschäftigen, was über die Musik hinaus wichtig ist, um jemanden bekannt zu machen; die die Ahnung und die Zeit haben. Dash würde ja vielleicht auch keiner kaufen, wenn man’s nicht aus dem Fernsehen kennen würde. Man muß ins Gespräch kommen, sonst bleibt man im Wohnzimmer sitzen mit seinem Können. Man hat nun mal als Musiker meist keine Ahnung, wie man Klinken putzt, und man ist vielleicht auch zu stolz. Dafür gibt es aber andere Leute, die sich das zur Aufgabe machen und das auch können, und wenn die engagiert sind, dann kann sich da schon einiges bewegen! Naja, so ‘nen richtigen Geheimtip hab ich leider auch nicht. Sonst wär ich ja auch schon viel weiter.

Wohin willst Du denn noch?

Tjaa ... ich würde gern mal Filmmusiken schreiben. Das wäre mal wieder was völlig Neues, und ich würde es gern ausprobieren. Und dann ... wär’s schon nicht schlecht, wenn sich das alles mal’n bissel lohnen würde. Ich kann zwar davon leben, aber so, wie’s reinkommt, ist es auch ganz schnell wieder draußen. Und wenn ich mal in Rente gehe - na, da ist nicht viel mit Rente!

Und wann gehst Du in Rente?

Zu meinem Fünfzigsten hieß es ja, auf die nächsten 50 Jahre! Im Moment bin ich gesund und bei Kräften, von daher könnte es noch ewig gehen. Aber das weiß man ja vorher nicht. Ich hoffe, es geht noch lange. Macht ja auch Spaß, live spielen und so. Ermüdungserscheinungen gibt’s bisher noch nicht.

Kannst Du Dir’s überhaupt vorstellen - so ganz ohne Musik?

Nee. Eigentlich nicht.

Ehrlich gesagt, ich auch nicht. Kaum hatte ich den offiziellen Teil beendet, fand ein weiteres Interview mit vertauschten Rollen statt (es war noch Kaffee da). Unvorsichtigerweise erwähnte ich, daß ich mir kein Karussell-Konzert (der Kenner betont Karussell übrigens auf der zweiten Silbe) in der Schkeuditzer „Sonne“ entgehen ließ, und warst du ...? - na klar! - ich war auch dabei, als der Dicke, Claus Winter, beim Baßsolo mit dem Tisch zusammenbrach. Wo ist die Zeit hin, das ist nun so ungefähr 20 Jahre her, und damals gab’s Szenenapplaus, wenn die Textzeile, die auf der Platte (die man ohnehin nur durch Beziehungen bekam) in zensierter Form zu hören war, im Konzert immer noch im Original gesungen wurde. Schon eine Art Heldentat, da ja bekanntermaßen auch noch andere im Saal angespannt auf sowas lauschten und Meldung erstatteten. Heute interessiert es kaum jemanden, ob jemand ein guter Musiker ist und dazu noch was zu sagen hat. Aber die paar, die es doch noch interessiert - für die lohnt sich’s wahrscheinlich, auf der Bühne zu stehen. Auch wenn es sich, bei grellem Tageslicht und unter Berücksichtigung der künftigen Rentenzahlungen betrachtet, „nicht rechnet“. Aber wir wissen ja längst: Geld ist nicht wichtig, aber schön muß es sein. Schön ist es wahrscheinlich auch nicht immer. Aber in den nächsten 50 Jahren bleibt noch einiges auszuprobieren, und sicherlich auch viel Schönes dabei. Herzlichen Glückwunsch, Cäsar, und auf die nächsten 50 Jahre.







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