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The Ocean
von kk anno 2011

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The Ocean sind Ausnahmekünstler. Die deutsch-schweizerische Progressive-Metal-Band um Mastermind Robin Staps achtet wie nur wenige andere Bands, darauf, dem Hörer ein Gesamtkunstwerk vorzulegen: 2010 veröffentlichten The Ocean zwei Konzeptalben, "Heliocentric" und "Anthropocentric", eine fundamentale und philosophische Kritik am Christentum.
Die Art der Veröffentlichung ist liebevoll mit dem Konzept abgestimmt und treibt jedem Sammler Freudentränen in die Augen: In einer riesigen Box, limitiert auf 1.500 Stück, liegen vier farbige 180-Gramm-Schallplatten in zwei aufklappbaren Hüllen, auf denen Drehscheiben mit Sternzeichen und Planetenlaufbahnen befestigt sind.
The Ocean sind keine Mainstream-Künstler. Es stellt sich also die Frage, wie die Band solche Veröffentlichungen finanzieren kann. Beim Konzert im Leipziger Conne Island (zusammen mit Earthship, Red Fang und Intronaut) hat sich Staps die Zeit genommen, zuerst über die Anfänge der Band und das Entstehen von The-Ocean-Stücken zu sprechen. Der zweite Teil des Interviews widmet sich der organisatorischen und finanziellen Seite der Band, in dem Staps unter anderem erklärt, warum man 2011 noch eine Plattenfirma braucht und weshalb auch Saturn und Mediamarkt für The Ocean wichtig sind.


Robin Staps, Gitarrist und Mastermind von The Ocean

Es ist immer die Rede davon, dass zeitweise mehr als 40 Leute an der Band beteiligt waren. Jetzt seid ihr eine eher überschaubare Band. Kannst du zusammenfassen, wie The Ocean entstanden ist und wie sich die Band entwickelt hat?
Ich bin 2001 nach Berlin gezogen mit dem Vorhaben, eine Band zu gründen, und hatte eine ziemlich genaue Vorstellung, wohin das gehen sollte. Ich hab dann Leute gesucht und lange nicht gefunden. In einer Stadt wie Berlin, in der das Kulturprogramm sehr umfangreich ist, ist es schwierig, Leute zu finden, die es ernst meinen und Bock haben, Musik zu machen - nicht nur feierabendmäßig, zwei Mal die Woche proben, sondern richtig. Außerdem ist das Tour-Leben nicht für jedermann. Wir hatten viele, die zwei Jahre mitgemacht haben und dann anfingen, Familien zu gründen, Kinder zu kriegen und keinen Bock mehr hatten. Deshalb musste immer wieder jemand Neues ran. Am Anfang waren das deshalb ziemlich viele - insgesamt mehr als 40 Leute, das stimmt tatsächlich. Das hat sich hingezogen bis 2007, als der erste Schweizer in die Band kam: Jona. Unser vorheriger Gitarrist, Andreas Hillebrand, hatte sich zurückgezogen. Wir haben gemerkt, dass er nicht mehr so richtig Bock auf die Nummer hatte. Dann haben wir übers Internet jemanden gesucht. Jona hat sich gemeldet und uns ein Video geschickt, in dem er einen unserer Songs spielte. Das hat uns ziemlich beeindruckt. Wir haben viele Videos gekriegt: Meistens hat man nur das Griffbrett gesehen und die Leute haben halt gespielt. Jona hat sich in seinem Proberaum hingestellt, im Hintergrund war noch irgendein Poster, den Song gespielt und dazu abgerockt. Wir haben ihn zu einer Probe eingeladen und das war cool. So ist er dazu gekommen. Long story short: Das war dann nur der Anfang. Irgendwann ging unser Schlagzeuger und Jona sagte: "Ich kenn da einen aus unserem Kaff. Probiert den doch mal aus." Das war Luc. Genau dasselbe ist später mit Louis passiert. So hat sich die Schweizer Invasion vollstreckt. Die kommen alle aus einem kleinen Kaff an der französischen Grenze, La Chaux-De-Fonds, wo es sehr viele talentierte Musiker und Bands aus allen Genres gibt: von Jazz über Klassik bis hin zu Metal. Das ist ein bisschen das Peripheriephänomen. Man kennt das aus Umeå in Schweden, Ende der 90er Jahre, wo in einer Kleinstadt 30 Straight-Edge-Bands existiert haben. Das ist da ganz ähnlich. Seit dann Loïc dazugestoßen ist, ist das Line-Up fix und das wird hoffentlich eine Weile so bleiben. Das war wiederum das Resultat eines langen Suchprozesses. Loïc ist auch Schweizer, aber das ist Zufall.

An den Alben haben klassische Musiker mitgewirkt. Wendet ihr euch bei jedem Album an dieselben?
Wir haben jetzt zwei Leute, die fest zu dem Kollektiv gehören. Das sind unser Pianist mit dem schönen Namen Irakli Marikishvili und unsere Cellistin mit dem ebenfalls schönen Namen Dalai Theofilopoulou, die mit uns gerade in Athen gespielt haben. Beide sind fester Bestandteil des erweiterten Line-Ups und werden auch viele Sommerfestivals mit uns spielen. Sonst waren es immer unterschiedliche Musiker: Auf "Precambrian" haben andere klassische Musiker gespielt als auf "Heliocentric" und "Anthropocentric". Da haben wir Freunde von Freunden gefragt, die in zum Teil namhaften Orchestern gespielt haben, ob sie mal etwas Anderes machen wollen. Das war meistens ein relativ einmaliges Erlebnis. Mit Irakli und Dalai passt es jetzt super: Beide sind studierte, virtuose klassische Musiker, aber haben auch einen Metal-Background. Bei früheren Alben hatten wir viele Schwierigkeiten mit klassischen Pianisten, die es nicht gewohnt waren, zu einem geraden Rhythmus zu spielen, weil in der Klassik Tempi eher frei interpretiert werden, mit vielen Kurven, Rallentandos etc. Die sind's nicht gewohnt, nach Click zu spielen. Es ist schwierig, Leute zu finden, mit denen das funktioniert.

Wie organisiert ihr Proben, Tour und Albumproduktionen bei so vielen Beteiligten? Jeder hat schließlich ein eigenes Leben.
[lacht] Ja, das ist auf jeden Fall schwierig. Gerade auch, weil ein Teil der Band in der Schweiz wohnt und ich in Berlin. Das bedarf viel Vorausplanung, aber ist durchaus machbar: Flüge sind billig von Basel nach Berlin - kriegt man mit Easyjet für 40 Euro, wenn man's rechtzeitig bucht.
Wir proben zum Beispiel immer nur vor einer Tour. Wir sind jetzt fast drei Monate am Stück unterwegs, Anfang April bis Ende Juli. Wir haben Anfang April eine Woche vor der US-Tour geprobt und im Februar eine Woche vor der Museumsshow. Das geschieht immer am Block: acht, neun Stunden am Tag proben und nichts Anderes. Wir sind keine Band, die zweimal die Woche probt, sondern wir proben gezielt für Touren oder Aufnahmen.
Bei den Klassikern muss man sich danach richten, wann die Zeit haben. Aber meistens hat man ja ein Zeitfenster von drei bis vier Wochen, in denen man im Studio ist. Wenn man das rechtzeitig mit denen plant, kommen die dann irgendwann vorbei und dann klappt das schon.

Ihr habt zuletzt "Heliocentric" und "Anthropocentric" veröffentlicht. Um die Texte soll's jetzt gar nicht gehen. Die sind zwar komplex, aber selbsterklärend ...
... ja, finde ich auch ...

... sondern vielmehr darum, woraus sich dein Interesse für die Thematik "Religion" schöpft. Was hast du studiert?
Ich hab Philosophie studiert, weil ich ein Interesse für solche Belange habe. Nicht anders herum. Also ich mache keine Alben über etwas, das ich studiert hätte [lacht]. Ich habe mich da immer schon für interessiert. Als ich 16 war, habe ich in den USA gelebt; in einer streng baptistisch-kreationistischen Gastfamilie. Das war meine erste Konfrontation mit dem Thema. Ich musste mich täglich mit Leuten auseinandersetzen, die behauptet haben, es habe die Dinosaurier nie gegeben und die Erde sei 5000 Jahre alt. Seitdem hab ich viel gelesen, mich damit auseinandergesetzt und wollte schon seit langer Zeit einen dicken Brocken Konzeptalbum über Religion oder das Christentum zu machen.

Haben dich Christen bzw. Fundamentalisten auf die Alben angesprochen? Wie sind die Reaktionen ausgefallen?
Ja, zum Teil. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Pastor nach einem Gig in Berlin. Der hatte mich im Radio über Richard Dawkins reden gehört. Ein evangelischer Pastor, ein ziemlich aufgeschlossener Typ. Das war sehr interessant, mit dem habe ich mich lang unterhalten. Auch auf Tour kommen immer wieder zum Teil religiöse Fans, die Gespräche und Diskussionen suchen. Das finde ich sehr spannend.
Fundamentalisten - Gerade in den USA habe ich erwartet, dass Leute kommen, die Tomaten werfen. Das ist aber nicht passiert. Die Leute sind relativ zurückhaltend in der Verteidigung ihres Glaubens, was mich gewundert hat, weil wir keinen Hehl aus unserem Anliegen machen und auf der Bühne deutlich darüber sprechen; ich habe zu dem Thema jeden Abend eine Ansage gemacht. Aber Leute, die da auf ein Konzert gehen, wollen Entertainment. Das ist denen relativ egal, glaube ich, worüber man redet. Ein bisschen erschreckend, aber so habe ich es erfahren.

Vermutlich ist es der Teil ihres Glaubens, von dem sie am ehesten abrücken können.
Ja, vielleicht.

Wie entstehen The-Ocean-Stücke? Sitzt du stundenlang mit deiner Gitarre ...
[lacht] Ja, schon. Bis "Heliocentric" habe ich alles selber gemacht. Die Alben sind ganz unterschiedlich entstanden. "Precambrian" habe ich zum Teil in Australien geschrieben, wo ich eine Zeit lang gereist bin und eine etwas schwierige Zeit durchlebt hab. Da hatte ich viele Songideen, wenn ich ewig lange Strände entlang gelaufen bin. Abends habe ich dann versucht, alles auf einer viersaitigen Gitarre zu notieren. Das sind die Kernstücke der "Proterozoic" geworden. "Heliocentric" ist in einem relativ kurzen Zeitraum von drei Wochen entstanden. In Spanien, in einem wunderbaren Haus am Meer, meiner Rückzugsburg der letzten zehn Jahre, zu der ich immer wieder zurückkehre. Sobald ich da bin, sprudeln die Ideen und ich bin unheimlich inspiriert. 2008, nach einer dreimonatigen Tour, nach der ich eigentlich einfach nur chillen wollte, kam ich da an, hab mich nach vier Tagen gelangweilt und meine Freundin angerufen und gesagt: "Bring mir meine Gitarre mit, mein Pro Tools, meine Mbox, die und die Kabel, zwei Boxen." Dann kam sie und ich hab da "Heliocentric" geschrieben. Aber nie zu Hause, ich muss immer irgendwo unterwegs sein.

Auf "Anthropocentric" hat erstmals Jona Stücke geschrieben. Wie war das für euch?
Das ist ein sehr intimer Prozess für uns. Jona schreibt seine Songs, ich schreib meine. Dann spielen wir die uns vor, sagen "gut" oder "scheiße". Dann arrangiert man noch ein bisschen daran herum. Ich schreib auch mal eine zweite Gitarrenline für etwas, das Jona geschrieben hat oder umgekehrt. Aber im Prinzip sind das nie Songs, die im Proberaum entstehen, sondern jeder schreibt für sich.

Wenn du Stücke schreibst, hast du dann zu Beginn bereits ein Arrangement vor deinem inneren Auge?
Das ist ein Prozess und entsteht alles zusammen. Ein Gitarrenriff bedingt für mich immer auch einen Drumbeat und eine Basslinie. Der Gesang kommt meistens zum Schluss darüber und bedingt noch gewisse Veränderungen. Aber das ist meistens eher im kleinen Rahmen, also ob jetzt eine Strophe vier oder acht Mal kommt oder ob man ein Akkordschema leicht variiert.
Ich programmiere dann auch Drums. Bis "Precambrian" hat unser alter Schlagzeuger wirklich Fill für Fill alles so nachgespielt, wie ich das programmiert hab. Luc interpretiert das jetzt deutlich freier, was cool ist, weil er auch geile Ideen hat, auf die ich sonst nicht kommen würde.

"Heliocentric" und "Anthropocentric" hat der Schwede Svante Forsbäck produziert. Wie sehr lässt du dir vom Produzenten "reinreden"?
Der mastert nur. Den Mix haben wir selber gemacht und werden das auch auf den nächsten Alben tun. Unser fester Studiomensch ist seit "Heliocentric" Julien Fehlmann, der gehört im Prinzip zur Band. Er bringt natürlich auch noch ein gewisses kreatives Input rein, da geht's aber eher um die technische Umsetzung und um die Frage, mit welchen technischen Mitteln man einen Sound so hinbekommt, wie man ihn haben will. Nicht um Änderungen an Arrangements, da lasse ich mir eigentlich nicht gerne reinreden. Deshalb wollten wir auch nie mit einem großen Produzenten arbeiten, der dann anfängt, an unseren Songs herumzutüfteln. Das wird auch, glaube ich, nicht passieren. Dazu sind mir die Dinger zu heilig. [lacht]

Es scheint, als wärst du Perfektionist. Beschäftigst du dich lang mit Kleinigkeiten?
Ja, absolut! Meistens viel zu lang. Schwierig ist es, den Moment zu finden, in dem man sagt: "Das ist jetzt gut. Das bleibt jetzt so." Denn es gibt immer noch etwas zu verbessern und zu verändern. Gerade beim Mix ist es die Hölle. Julien und ich sitzen im selben Boot und arbeiten zusammen, aber wenn wir ein Album mixen, führen wir Krieg. Am Ende ist es gut, dass wir uns erst einmal vier Wochen nicht sehen, aber wir sind auch stolz auf das, was wir geschafft haben. Er ist genauso ein Perfektionist wie ich. Das sind elend lange 11-, 12-, 13-, 14-Stunden-Studiotage. Man dreht sich manchmal im Kreis und merkt, dass man nicht wirklich etwas verbessert hat im Vergleich zu dem, was man vor drei Tagen hatte. Das ist frustrierend, man muss es sich aber eingestehen.

Du bist Geschäftsführer bei Pelagic Records, leitest somit dein eigenes Label, bei dem The-Ocean-Alben erscheinen. Welche Rolle spielen Metal Blade bei der Veröffentlichung eurer Alben?
Metal Blade ist die Plattenfirma, die The Ocean auf CD rausbringt. Von denen bekommen wir ein Recording Budget, einen Vorschuss für das Album, das letztendlich mit dem tatsächlichen Royaltys verrechnet wird, die uns durch Verkäufe zustehen. Mit diesem Vorschuss müssen wir mehr oder weniger hinkommen. Oder selber draufzahlen, wenn wir wollen. Meistens reicht das einigermaßen, um das Studio zu bezahlen.
Vinyl macht Pelagic. Metal Blade wollten von Anfang an kein Vinyl machen. Die haben nicht so richtig den Wert darin gesehen, was mich wundert, weil wir tatsächlich ziemlich viel Vinyl verkaufen.

Woran, glaubst du, liegt das?
Es ist meiner Meinung nach in der Art von Musik, die wir machen, eine heiß begehrte Sache. Die Tendenz geht weg vom physikalischen Tonträger und hin zum Download. Und wenn die Leute tatsächlich noch einen physikalischen Tonträger kaufen, dann sind das ganz bestimmte Leute: Die sind meistens ein bisschen älter und schätzen die Platte oder CD als … man kann es eigentlich nur mit Marx als Fetisch bezeichnen. Außerdem sind es nicht nur bestimmte Leute, sondern es ist auch eine begrenzte Anzahl von Leuten, die das interessiert; Fans und Sammler. Davon gibt's aber doch noch einige und die wird's, glaube ich, auch immer geben.
Die Leute, die sich mit Musik ziemlich intensiv beschäftigen, was auf unsere Fans und Konzertbesucher zutrifft, sehen die Sonderpackagings gern; das, was wir mit unseren Boxen machen. Wer heute überhaupt noch Musik als physischen Tonträger kauft, möchte was Besonderes haben. Da bietet sich Vinyl einfach mehr an als das Medium CD: aufgrund der größeren Fläche fürs Artwork, aufgrund der größeren Möglichkeiten bei Material und Verpackung. Wir haben ziemlich viel ausprobiert in der Vergangenheit - mit unseren PVC-Drehscheiben, Goldfolienkaschierungen, Schrauben, den drei Cutholes bei "Precambrian". Das wird sehr positiv aufgenommen und wir kriegen immer wieder Feedback dahingehend, dass die Leute zum Teil tatsächlich über das Artwork auf unsere Platten gestoßen sind und aufmerksam geworden sind, was ich cool finde, weil das liegt uns eben doch sehr am Herzen.

Es gibt imposante Box-Sets von The Ocean. Wie finanzieren die sich?
Wenn man Vinyl veröffentlicht, braucht man verschiedene Dinge: Man braucht erst einmal den Glauben daran, dass die Kohle irgendwann wieder ran kommt. Dann braucht man die Kohle, denn so eine Box herzustellen, ist ziemlich teuer. Das kostet einen satten fünfstelligen Betrag, mit allem Drum und Dran, wenn man nur 1.500 Platten macht oder 2.000, wie wir von der Box. Wir verkaufen die für 60 Euro. Die haben schon einen recht hohen Kostenpreis. Wenn ich davon eine verschenke, verschenke ich locker 45 Euro Material- und Produktionskosten. Da man ja nie damit rechnen kann, am Ende tatsächlich alle zu verkaufen, muss man einen entsprechenden Preis ansetzen. Wir kalkulieren da sehr knapp: Die Boxen sind wirklich auch das wert, was die Leute dafür bezahlen.
Das ist natürlich erst einmal eine Investition, aber ich weiß mittlerweile, dass Vinyl bei uns funktioniert. Ich mach davon nicht 15.000 Stück und bleib dann auf 13.000 sitzen, sondern ich mach eben 2.000 Stück in richtig schickem Packaging und weiß, dass ich sie loswerde. Vinyl funktioniert gut, finanziert sich selbst und trägt sich - nach meinen Erfahrungen besser als CDs.

Verkaufst du über den Webshop die meisten Alben?
Bei Earthship und Abraham dachte ich, wir würden den Großteil direkt über den Webshop an die Leute verkaufen, die uns eh kennen. Wir haben über die Jahre einen recht soliden Fan- bzw. Kundenkreis aufgebaut, der bei uns immer wieder bestellt. Ich hatte erwartet, dass ich von den beiden Bands eben mehr direkt verkaufe, aber das ist nicht so. Ich würde mir nicht vorstellen, dass die Leute, die zu unseren Konzerten kommen, sich ihre CDs bei Saturn oder Mediamarkt kaufen. Aber es gibt viele, die das tun. Ich bin auch immer wieder überrascht. Da läuft immer noch mehr über große Plattenläden. Saturn und Mediamarkt verkaufen jede Menge Earthship- und Abraham-CDs, mehr als wir selbst. Ich hab mich neulich mit einem Kumpel, der auch Musiker ist, unterhalten, der meinte, man brauche heute kein Label mehr, das sei alles überflüssig … Weiß ich nicht. Man kann natürlich alles selber herstellen, aber man braucht zumindest Zugriff auf Vertrieb, weil man sich sonst seine eigenen Verkäufe halbiert.

Allein mit dem Pelagic-Records-Webshop würdest du demzufolge deutlich weniger Einnahmen erzielen?
Auf jeden Fall. Da reißen natürlich Metal Blade noch einiges mit ihren internationalen Kanälen und ihrer Position. Die haben super Beziehungen zu den großen Vertrieben. In Deutschland, England, Österreich und der Schweiz ist Sony der Vertrieb: ein Major. Das macht sich schon bemerkbar. Das merke ich auch im Vergleich zu Pelagic. Wir haben einen Indie-Distributor, der sehr gute Arbeit für uns leistet, der unsere Platten in die Läden bekommt, auch zu Saturn und Mediamarkt. Aber ein großes Label hat da einen ganz anderen Hebel. Die können zum Teil halt auch einfach sagen: "Stellt die Platte mal in eure Abhör-Sektion, wo's die Kopfhörer gibt!" Das passiert dann auch. Wenn ich das mit Pelagic sage, dann fassen die sich auf die Brust und lachen. Über große Firmen hat man die Möglichkeit, noch mehr Leute zu erreichen. Deshalb haben wir auch unseren Vertrag mit Metal Blade verlängert. Die machen gute Arbeit, die machen das seit Jahren, die haben die entsprechenden Beziehungen, die wissen einfach, was sie machen. Ich selbst mach das erst seit zwei Jahren mit Pelagic und hab da auch noch viel zu lernen.

Wie verteilt sich je das Geld, wenn sich jemand eine LP auf dem Konzert kauft oder eine CD im Handel?
Auf dem Konzert geht es an die Band bzw. an mich. Ich streck natürlich alles vor und finanziere. Ein entsprechender Teil fließt dann an mich bzw. die Band zurück.
Wenn du sie im Mediamarkt kaufst, kriegen wir von dem Verkauf Royaltys. Das sind üblicherweise zwischen 10 und 25 Prozent, je nachdem wie groß die Band ist. 10 bis 25 Prozent vom Abgabepreis an den Vertrieb - nicht den Händler - was bei einer CD durchschnittlich 5 bis 6 Euro sind. Das ist das, was man pro Verkauf tatsächlich bekommt: weniger als 1 Euro also.
Die meisten Labels haben in ihren Verträgen noch schöne alte Rudimente aus der Steinzeit der Plattenindustrie, etwa "New Technology Deduction" für die CD. Die ziehen dir dann einfach nochmal 20 Prozent ab. Das geht zurück in eine Zeit, in der die CD neu am Markt war, und man noch nicht wusste, ob sie sich tatsächlich etablieren wird. Da haben die Plattenfirmen gesagt: "Wie ihr wisst, ist das ein Risikogeschäft für uns, wir müssen von den Royaltys etwas abziehen." Viele Firmen halten so etwas auch heute noch in ihren Verträgen. Von den 10 bis 25 Prozent Royaltys, die man kriegt, werden also nochmal 20 Prozent abgezogen. Dann gibt's andere "Deductions" wie "Packaging Deductions" ... Also nach meinen Erfahrungen bekommt man, wenn's gut läuft, zwischen 40 und 80 Cent pro verkauftem Album. Das wird alles verrechnet mit dem Vorschuss, den du für das Album bekommen hast. Sprich: Du musst erst einmal eine gewisse Anzahl von Platten verkaufen, damit du überhaupt 1 Cent von deiner Plattenfirma siehst. Die Vorschüsse gehen meistens vollständig in die Produktion. Es ist ja nicht so, dass man sich davon Crack und Huren kauft, sondern das wird ja meistens für Studiokosten investiert. Das sieht immer schön aus: Man kriegt einen tollen fünfstelligen Vorschuss vom Label, denkt sich "Super!", aber letztendlich gibt man es für das Studio aus. Am Ende ist das deine eigene Kohle, denn das wird dir ja von den Royaltys einfach gnadenlos abgezogen. Die meisten Firmen ziehen das zu 100 Prozent ab.

Die größten Einnahmen erzielt ihr demzufolge auf Konzerten?
Ja, natürlich. Das sind direkte Kanäle: Da fällt der Einzelhändler raus, der seinen Teil rauszieht, da fällt der Vertrieb raus, der seinen Teil rauszieht. Insofern bleibt da mehr hängen, genauso wie bei Direktverkäufen über den Webshop. Aber man erreicht damit eben auch nur einen kleinen Kreis. Man kann nicht sagen, dass man nur das eine oder das andere macht - das würde keinen Sinn ergeben. Man muss darauf achten, die Direktverkäufe, so gut es geht, aufzubauen, und seine treuen Fans um sich scharen, die bei einem bestellen. Die wollen gern auch etwas Besonderes - dafür heben wir uns dann eben besondere Vinylfarben auf, die wir auch wirklich nur an direkte Bestellungen rausgeben und nicht an den Vertrieb. Aber das allein ist es eben nicht. Manche Leute kaufen ihre Platte immer noch im Plattenladen oder bei Mailordern wie Greenhell, weil's einfach ist und weil sie sich nicht nur die neue The-Ocean-Scheibe bestellen wollen, sondern noch zehn andere Platten. Manche gehen zu Saturn und hören dort. Beides ist wichtig. Ich kenne kein Label, das ernsthaft sagt, wir machen nur Direktverkauf.

Links
http://pelagic-records.com/
http://www.metalblade.com/de/artists/theocean/bio.php
http://www.theoceancollective.com/

Foto: Christian Bartsch









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