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STEFAN ZAUNER: Fabelhaft
von rls

STEFAN ZAUNER: Fabelhaft   (DA Music)

Altersemanzipation jenseits der 60? Wir erinnern uns: "Zeitgefühl", das 2012 erschienene dritte Soloalbum von Stefan Zauner und sein erstes Tonzeugnis nach der Trennung von der Münchener Freiheit, war das beste MF-Album, auf dem nicht der Bandname MF zu lesen war. Nun liegt der "Zeitgefühl"-Nachfolger vor und weckt mit dem Titel "Fabelhaft" natürlich nicht gerade niedrige Erwartungen, die man am Ende aber in eine ganz andere Richtung gelenkt sieht: "Fabelhaft" tritt etwas stärker aus dem übermächtigen Schatten der Ex-Band heraus - und das kann man je nach Herangehensweise als Vor- wie als Nachteil interpretieren. Klar, die Leadstimme ist immer noch die gleiche, aber man bemerkt auf "Fabelhaft" viel stärker, daß es sich um ein Soloprojekt handelt, bei dem einerseits der Komponist keine Rücksicht auf Mitmusiker nehmen mußte, andererseits aber auch deren Korrektiv fehlt. Erstgenannter Aspekt ermöglicht es, auch ungewöhnliche Songs auf einem Album unterzubringen, in diesem Falle sogar ohne eine eventuelle Liveumsetzung im Hinterkopf, da kaum anzunehmen ist, daß Zauner nochmal eine Band zusammentrommeln und mit dieser die Bühnen Deutschlands rocken wird. Genau diese Möglichkeit hatte Zauner auf dem vielfältigen "Zeitgefühl" genutzt - und genau diese Möglichkeit nutzt er auf dem insgesamt viel austauschbareren "Fabelhaft" in deutlich geringerem Maße. Dabei beginnt das Album richtig hochklassig: "Der Morgen" scheint zunächst der Theorie, Zauner rücke etwas vom MF-Sound ab, zu widersprechen, denn in Melodik und Orchesterarrangement finden sich deutliche Anklänge an "In der Mitte dieser Nacht" vom "Purpurmond"-Album, und in der Gesamtbetrachtung weiß auch die Kombination aus Bombast- und zurückgenommenen Parts zu überzeugen. "Nur mit ihr (geht die Sonne auf)" packt mit einem frischen Rockaspekt den Stier bei den Hörnern, und "Fang an" führt einen alten Bekannten in den Zauner-Kosmos zurück: Armand Volker, in den 80ern für die bekanntesten MF-Alben als Produzent verantwortlich, ist hier Co-Produzent - allerdings fragt man sich, ob nicht gerade er hier hätte bemerken müssen, daß sich die Stimmen von Zauner und Petra Manuela im Refrainarrangement gegenseitig behindern, anstatt sich zu ergänzen, was diesen an und für sich ebenfalls richtig guten Song (Stil: tanzbarer Achtziger-Pop) nicht zu seiner vollen Entfaltung kommen läßt. Tja, und damit ist es auch schon vorbei mit der Herrlichkeit. Gute Teile der weiteren 14 (!) Nummern (das Outro "Der Abend", eine instrumentale Abwandlung von "Der Morgen", ausgeklammert) lassen sich leider unter "netter, aber unauffälliger Pop, den nur Zauners Stimme und einige hübsche Melodien vor der Bedeutungslosigkeit retten" zusammenfassen. Die beiden Songs, die das Blut des Rezensenten nochmal am stärksten in Wallung bringen, sind welche, bei denen man deutlich merkt, daß das Bandkorrektiv gefehlt hat, das diese Peinlichkeiten sicher nicht unreflektiert hätte durchgehen lassen, wobei es sich in beiden Fällen um textliche Dinge handelt. Da wäre zunächst "Dummes Ding", eine Co-Komposition mit Joachim Horn-Bernges (was nicht mal die Theorie des fehlenden Korrektivs als Entschuldigung ermöglicht), die derart unglücklich vielschichtige Beziehungslyrik mit den an Plumpheit nicht zu übertreffenden Titelworten koppelt, daß man nur noch kopfschüttelnd vor den Boxen sitzt. Noch problematischer ist aber "Bleibt wo ihr seid": So sehr Zauners Engagement gegen Halbbildung (die, das wußte schon Lenin, die gefährlichste Form der Bildung ist) und Kleingeistigkeit auch zu loben ist, so verkennt die Refrainzeile "Dumm geboren und seitdem nichts dazugelernt" im gegebenen Kontext, daß es sich bei dieser Kombination eben nicht um einen Automatismus handelt (und merke: Niemand wird als Nazi geboren, auch wenn die Gutmenschenfraktion gern so zu argumentieren versucht). So entsteht aus einem gut gemeinten Versuch eine Peinlichkeit, die gerade dadurch noch problematischer wird, daß sie trotz des sehr künstlichen Drummings musikalisch zu den besseren Songs des Albums gehört und der Refrain (man achte mal genau auf die Fanfaren im Hintergrund!) eine gewisse Einprägsamkeit aufweist, eine viel stärkere jedenfalls als viele andere Albumtracks, die in dieser Sparte überwiegend unauffällig, partiell auch austauschbar ausgefallen sind und selbst nach etlichen Durchläufen nicht im Ohr des Hörers hängenbleiben wollen, was gerade für eine Popscheibe natürlich alles andere als das Nonplusultra darstellt. Irgendwie ertappt man sich beim Hören dabei, die Songs zu analysieren und nach wenigstens interesseweckenden Bestandteilen zu sezieren, und genau das sollte man bei einer Popscheibe eigentlich nicht machen. Trotzdem sollen die Ergebnisse hier nicht unerwähnt bleiben: "Schimmerlos" weist hier und da ein wenig in Zauners krautrockige Vergangenheit, und wenn der Drumcomputer ein wenig stärker seine Herkunft hätte verbergen können, dann wäre "Alles relativ" ein richtig knackiger Rocksong geworden, den man sich auch problemlos auf einem MF-Album hätte vorstellen können, selbst wenn auch ihm der richtig einprägsame Chorus abgeht. Den gibt's dann in "Die Odyssee geht weiter", unterlegt mit den knackigsten Gitarren des Albums (der Härtegrad von "Wenn du mich suchst" bleibt allerdings unerreicht), aber irgendwie in den Song eingeklebt wirkend und als Gesamtbild nicht restlos überzeugend, zumal das schöne, leicht angeblueste Hauptsolo sein Potential nicht voll entfalten kann. Zu "Es bleibt nichts wie es ist" (ein wenig an "Ein Tag wie jeder Tag" vom "Liebe auf den ersten Blick"-Album erinnernd) erinnernd) und dem mit seinem Akkordeon und dem tanzbaren Intro in eine völlig andere als die letztlich im Hauptteil eingeschlagene Richtung weisenden "Wo kein Regen fällt" ist die Meinungsbildung des Rezensenten zum Zeitpunkt der Niederschrift der Rezension noch nicht abgeschlossen. Tja, und der Rest, besonders der Mittelteil des Albums? Business as usual, natürlich nicht schlecht (Zauner ist schließlich ein erfahrener alter Hase), aber alles andere als unverzichtbar. Zauners unverzichtbare Gefährtin Petra Manuela ist diesmal in fünf Songs dabei, wobei sie die Rosenstolz-Coverversion "Die Zigarette danach" im Alleingang singt und dort stärker überzeugt als in diversen Duetten mit Zauner, da das Phänomen, daß sich die Stimmen gegenseitig behindern, nicht nur in "Fang an", sondern auch noch an anderen Stellen des Albums vorkommt. So kommt man irgendwann am Ende der 63 Minuten an, schüttelt den Kopf und wundert sich, warum das Album so lang ausgefallen ist. Zwei Drittel der Songs hätten locker genügt und die Möglichkeit geboten, sich auf die stärkeren Beiträge zu konzentrieren. Und ein richtig großer Song wie "Tick Tack" oder "Wenn du mich suchst" vom "Zeitgefühl"-Album, an den man sich auch dann erinnert, wenn man nachts geweckt wird und einem der Albumtitel zugerufen wird, scheint auf "Fabelhaft" leider komplett abwesend zu sein, auch wenn der test of time des Albums natürlich noch aussteht und sich beim Rezensenten durchaus interessante Entwicklungen zeigten (beim ersten Durchlauf rauschte die Scheibe noch völlig durch, bevor zumindest einige Songs bei den weiteren Durchläufen ihre Qualitäten zu offenbaren begannen). Trotzdem: Wer sich ins Zaunersche Soloschaffen vorarbeiten will, sollte im Zweifel mit "Zeitgefühl" beginnen.
Kontakt: www.da-music.de, www.crocodile-music.de

Tracklist:
Der Morgen
Nur mit ihr (geht die Sonne auf)
Fang an
Dummes Ding
Das, was man am meisten will
Wir werden sehn
Schimmerlos
Kopf hoch
Das Kompliment
Wenn der Tag beginnt
Die Zigarette danach
Alles relativ
Gib mir den Traum zurück
Bleibt wo ihr seid
Die Odyssee geht weiter
Es bleibt nichts wie es ist
Wo kein Regen fällt
Der Abend



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