www.Crossover-agm.de WOSLOM: Time To Rise
von rls

WOSLOM: Time To Rise   (Punishment 18 Records)

Wie bereits im Review zum Woslom-Zweitling "Evolustruction" erwähnt, haben Punishment 18 Records nicht nur selbigen auch den europäischen Metalfans zugänglich gemacht, sondern im gleichen Zuge auch das Albumdebüt "Time To Rise" wiederveröffentlicht, wobei die Songs dem originalen Release zu entsprechen scheinen und lediglich der Videoclip zum Titeltrack hinzugefügt wurde, was allerdings dem Besitzer der originalen Pressung keine schlaflosen Nächte samt anschließendem Neukaufzwang bescheren sollte - der Clip ist auch auf Youtube problemlos auffindbar und zudem filmkünstlerisch nun nicht so überragend, daß man ihn zwingend gesehen haben muß. Die neun Songs selbst sollten allerdings auch niemandem, der die Band erst mit "Evolustruction" kennengelernt hat, große Seelenpein bereiten - ganz im Gegenteil: Einerseits sind sie klar als Woslom-Werke zu erkennen (mit Gitarrist Rafael Iak ist ja auch der gleiche Hauptsongwriter am Werk), andererseits könnten sie manchem Hörer, der "Evolustruction" vielleicht als einen Tick zu geordnet und kontrolliert ansieht, sogar besser gefallen als die jüngeren Werke. Das soll freilich nicht bedeuten, hier herrsche jetzt das pure Thrash-Chaos - aber die Anzahl der Songs, die grundsätzlich im Speedtempo angelegt sind, ist schon etwas größer als auf dem Zweitling, wenngleich Fernando Oster auch hier keine wilden Blastspeedparts spielt, sondern auch die schnelleren Werke in einem kontrollierteren Bereich läßt. Die These der durchschnittlich deutlich höheren Geschwindigkeit stellt der Hörer allerdings spätestens dann auf, wenn auch "Power & Misery" an dritter Stelle nach dem noch alle Möglichkeiten offenlassenden Intro loszuflitzen beginnt - und man stellt fest, daß es sich um einen der beiden Longtracks handelt. Freilich bleibt dieser nicht in diesem Tempo, sondern wird von Iak relativ vielschichtig angelegt, so daß hier auch Midtempopassagen eine Rolle zu spielen beginnen und die achteinhalb Minuten der Langeweile, die man bei ewig langem Riffgeschiebe immer zu befürchten hat, ein gekonntes Schnippchen schlagen. Dazu kommt der Aspekt, daß Silvano Aguilera auch schon auf "Time To Rise" gelegentlich an James Hetfield erinnert, womit wir wieder bei den theoretischen Überlegungen wären, wie man dieses Album ins Schaffen von Metallica einordnen könnte. Das ist hier deutlich schwieriger als bei "Evolustruction", und wir müssen zu Hilfskonstruktionen greifen, etwa der Feststellung, daß "Time To Rise" die Geschwindigkeit von "Kill 'Em All" mit der Spielkultur von "Master Of Puppets" verbindet. Hinzu tritt allerdings noch Iaks Vorliebe für Gitarrenheldensoli, deren eines er gleich im Opener und Titeltrack untergebracht hat, nachdem der verschleppte Part, der zum Solo hinführt, erstmal eine ganz andere Richtung, nämlich die des modernen Thrashs, angetäuscht hat. Aber wie er hier, nachdem eine typische Schlußwendung schon das Ende des Solos vermuten läßt, doch nochmal eins draufsetzt, das verrät die Freude am Schaffen und bereitet auch dem traditionsmetallisch orientierten Hörer ebensolche. Wie es bei Debütalben nicht selten der Fall ist, enthält auch "Time To Rise" Material aus einer relativ langen Schaffensperiode, und so sind mit "The Deep Null" und "Downfall" auch zwei Songs vertreten, an denen der ehemalige Gitarrist und Sänger Tiago Bechera noch mitgearbeitet hat. Erstgenanntes stellt eine Gemeinschaftskomposition mit Iak dar, schaltet momentweise geschickt auf Akustikgitarre um (ein Stilmittel, das Iak dann auf "Evolustruction" in "Purgatory" weiter perfektioniert hat) und baut einen psychotischen Mittelteil ein, wie er ansonsten im Schaffen der Band singulär geblieben ist. "Downfall" wiederum hat Bechera im Alleingang geschrieben, und hier fällt ein Hang zu kleinteiligen Motivwechseln im Instrumentalbereich auf, den Iak dann erst auf "Evolustruction" partiell übernehmen sollte. Auffällig ist des weiteren ein gewisser Soundunterschied, besonders deutlich gleich zu Beginn im Übergang vom Titeltrack zu "Soulless (S.O.T.D.)", der vermuten läßt, daß die neun Songs nicht alle ein und derselben Aufnahmesession entspringen - und das Booklet bestätigt die Vermutung, denn da steht folgender Satz: "Recorded, mixed and mastered at Acustica Studios, Sao Caetano between sometime to May 2010". Freilich fällt dieser Aspekt zumindest in qualitativer Hinsicht nicht negativ ins Gewicht, auch wenn in einigen Songs, z.B. eben "Soulless (S.O.T.D.)" oder auch dem neunminütigen "Checkmate", manche Beckenschläge etwas zu schepprig ausgefallen sind. Besagtes "Checkmate" ist trotz seines Longtrackstatus ebenfalls reichlich mit Speedpassagen ausgestattet, und spätestens jetzt sollte der Thrash-Metal-Anhänger, für den die Grundgeschwindigkeit ausschlaggebend für die Albumeinschätzung ist, wissen, welchem der beiden Alben er den Vorzug geben sollte. Wem freilich intelligentes Songwriting und ein spielkulturell hohes Niveau wichtiger sind, der findet in beiden Alben ausreichend Gründe zum Erwerb, auch wenn Woslom für die Zukunft noch ein geringfügig besseres Händchen für eingängige Passagen, speziell die Refrains, zu wünschen ist. Gerade alte Metallica-Anhänger, die seit der schwarzen Scheibe vor sich hin darben, sollten sich Woslom aber schon jetzt mit großem Interesse nähern und vielleicht auch mal ihre Fühler ausstrecken, ob sie noch an die Metallica-Cover-EP, die die Brasilianer kurz nach der Jahrtausendwende veröffentlicht haben (wobei Sänger Aguilera, auf dessen Konto ein nicht geringer Teil der aktuellen Metallica-Parallelen des Quartetts geht, damals noch gar nicht zur Band gehörte), herankommen. Wenn nicht, lohnen die 47 Minuten von "Time To Rise" aber den Erwerb genauso wie die reichlich 50 von "Evolustruction".
Kontakt: www.woslom.com, www.punishment18records.com

Tracklist:
Time To Rise
Soulless (S.O.T.D.)
Power & Misery
The Deep Null
Mortal Effect
Despise Your Pain
Downfall
Checkmate
Beyond Inferno
 



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