www.Crossover-agm.de WILD SHADOW: Bound To Be Free - Demos Anthology 86-92
von rls

WILD SHADOW: Bound To Be Free - Demos Anthology 86-92   (Metal Soldiers Records/Blood And Iron Records/Non Nobis Productions)

Auf eine eher seltsame Bandkarriere blicken Wild Shadow aus Lissabon zurück. Gegründet 1985 als Trio von Rhythmusgitarrist Aquiles "Quinto" Dias, Drummer Paulo "Grande" und Sänger José "Zé Purgatorio" Gomes und im Folgejahr durch Bassist Joao Paulo ergänzt, hatte man mit dem Einstieg von Leadgitarrist Lafayette anno 1987 oder 1988 (die Quellen differieren) endlich eine stabile Besetzung gefunden. Bereits 1986 war allerdings ein Drei-Track-Demo entstanden, dem man in der neuen Besetzung 1988 ein Vier-Track-Demo folgen ließ. Beide Tapes wurden allerdings nie offiziell veröffentlicht und nicht mal an irgendwelche Magazine geschickt, sondern verblieben im allerengsten Freundeskreis, und mit zwei, drei Exemplaren bewarb sich die Band bei Labels, blieb allerdings erfolglos. Für den lokalen Fanverkauf brauchte man zunächst allerdings auch keine Produkte, denn irgendwie müssen es Wild Shadow per Mundpropaganda zwar zu einer gewissen szeneinternen Popularität geschafft haben, brachte es aber fertig, in den ersten Jahren ihrer Existenz nicht ein einziges Mal live aufzutreten. Als dann für den 12. oder 18.2.1990 (auch hier differieren die Quellen, wobei die größere Wahrscheinlichkeit auf letztgenanntem Datum liegt) endlich der erste Gig bestätigt war, nämlich im heimischen Lissabon als Support für Alkateya, verkündete Zé Purgatorio einen Monat zuvor seinen Ausstieg, organisierte allerdings zumindest noch eine Vertretung in Gestalt des STS-Paranoid-Sängers Joao Henrique. Der bewältigte den Gig trotz gerade drei oder vier Proben in achtbarer Manier, stand allerdings nicht als dauerhafter Ersatz zur Verfügung. Einen solchen fand die Band später im Jahr mit Gabriel aka Gabi, auch ein neuer Bassist stieß mit Fernando dazu, und Wild Shadow begannen mit den Aufnahmen für ein drittes Demo, das Ende 1991/Anfang 1992 entstand. Die Quellen differieren ein weiteres Mal, ob Lafayette noch vor den Aufnahmen durch Joao Carlos ersetzt wurde oder erst danach, wer also in den vier Songs als Leadgitarrist zu hören ist. Erfolg hatte die Band allerdings auch mit diesem Tape nicht, sie spielte noch einen Bandwettbewerb mit, bei dem sie allerdings wegen ungebührlichen Betragens disqualifiziert wurde, und letztlich wurde Ende 1993 ein Schlußstrich unter die Bandkarriere gezogen.
Als Teil 3 der CD-Serie "Lusitanian Metal Classix" liegt nun das Gesamtwerk Wild Shadows in versilberter Form vor und demonstriert, daß die Truppe durchaus das Zeug zu mehr gehabt hätte, wenn die Rahmenbedingungen andere gewesen wären. Der Silberling enthält die elf Demosongs in umgekehrt chronologischer Reihenfolge, beginnt also mit dem dritten Tape, das immerhin schon auf 24 Spuren aufgenommen wurde und den mit Abstand besten Sound aller Aufnahmen hat. Die vier Songs zeigen eine Band, die den etwas rauheren, aber stets melodisch bleibenden Metal der früheren Zeiten zwar etwas abgeschliffen hat, aber gerade dadurch ihre Stärken umso heller funkeln lassen kann. Daß "Victim Of Society" mal kurz an eine metallisierte Variante von "Born To Be Wild" erinnert, dürfte Zufall sein, die gekonnte Einbindung von Akustikelementen in "Winds Of Freedom" aber weist in die US-Richtung Marke "frühe Fates Warning, etwas weniger virtuos" und macht damit die grundsätzliche Richtung klar, die noch eine andere Band vielleicht besser angibt: Leatherwolf fallen einem immer wieder ein. Das ältere, leicht rauhere Material dagegen läßt Zweite-oder-Dritte-Reihe-Helden wie Savage Grace oder Cerebus im geistigen Ohr auferstehen, wenngleich "Bound To Be Free" keine Savage-Grace-Coverversion darstellt, wohl aber eine Art Signaturlied von Wild Shadow dargestellt haben dürfte, denn es steht auf dem zweiten Demo und wurde für das dritte dann nochmal eingespielt, so daß der Hörer die Entwicklung in den dazwischenliegenden vier Jahren prima nachvollziehen kann, den markanten Refrain außerdem doppelt so oft hört wie die anderen und daher diesen Song als ersten im Langzeitgedächtnis abspeichert. Daß die Portugiesen schon 1988 keine Haudraufklöppler waren, sondern auf strukturelle Vielfalt setzten, unterstreicht beispielsweise das siebeneinhalbminütige Songdoppel "The Hope/Sweet Desire", deren ersterer ein Akustikintro darstellt, aber auch der zweite ist recht vielschichtig aufgebaut. Und man höre mal genau auf das plötzlich hervorschießende Speedsolo in "New Order Merchants"! Am Sound dieser Vierspuraufnahme muß man natürlich gewisse Abstriche machen, ebenso wie an der unter gleichen Bedingungen entstandenen Debütaufnahme, die allerdings deutlich machen, daß Wild Shadow es trotz der übersichtlichen portugiesischen Metalszene immer schafften, gute Sänger an Land zu ziehen: Nachdem man Gabis Fähigkeiten ja einleitend schon begutachten konnte, ist auf den ersten beiden Demos Zé Purgatorio am Werk, und der macht überwiegend einen guten Eindruck, wenngleich in "Before The End" die Abstimmung mit dem instrumentalen Unterbau noch nicht ganz durchgehend funktioniert. Mit dem vielschichtigen "Wild Shadow", dem midtempolastigen "Before The End" und dem überwiegend flotten "Fight For Your Life" stecken Wild Shadow schon in diesem frühen Stadium das Feld ab, in dem sie sich dann während der ganzen Zeit ihrer Bandexistenz bewegen werden, lediglich die eingeflochtenen Akustikelemente gibt es 1986 noch nicht, so daß wohl Lafayette diese Idee ins Gesamtkonzept eingebracht haben wird.
Für letztgenannte These sprechen auch die vier Livesongs, die die 71 Minuten der CD vervollständigen. Die wurden beim erwähnten ersten Gig der Band im Februar 1990 mitgeschnitten und zeigen, daß Joao Henrique bisweilen leicht rauher als Zé Purgatorio singt, aber auch eine große epische Klarstimme besitzt, die er z.B. in "Before The End" sehr zum Nutzen der Komposition zum Einsatz bringt. An dem Song fällt außerdem ein ruhiges Intro auf, das es in der Studiofassung noch nicht gab, das von der Melodieführung her ein wenig an Alice Coopers "Only Women Bleed", von der Instrumentierung her aber eher an die Lita-Ford-Version dieser Nummer (die freilich im Februar 1990 noch unbekannt war, da die "Stiletto"-LP erst im Juli 1990 erschien!) erinnert und das wohl eben Lafayette eingebracht haben dürfte. Und mit dem im Livemitschnitt deutlich besser als in der alten Demofassung abgemischten Gesang bekommt auch "Wild Shadow" refrainseitig den Hymnenfaktor, den man von einer nach der Band benannten Song erwartet. Schade, daß "Bound To Be Free" nicht mit verewigt wurde - ein paar Minuten Platz wären auf der CD ja noch gewesen, und es steht zu vermuten, daß die 21 Liveminuten nicht den kompletten Gig darstellen, zumal unter den vier Mitschnittsongs alle drei des ersten Demos sind, aber nur "New Order Merchants" vom weiland aktuellen zweiten Demo steht. Außerdem geht die Liveatmosphäre nicht durch, also ist dazwischen irgendwas rausgeschnitten worden. Aber auch in der vorliegenden Form demonstriert der Mitschnitt wie auch die ganze Scheibe das Können einer Band, die gemessen an ihren Fähigkeiten zu Unrecht tief im portugiesischen Untergrund steckengeblieben und nie überregional bekannt geworden ist. 300 Menschen haben jetzt die Gelegenheit, das Material dieser Truppe in Form der vorliegenden CD kennenzulernen, denn auf ebenjene Stückzahl ist die Scheibe limitiert. Das Booklet bietet alle Texte, diverse historische Fotos und eine leider nur in Portugiesisch verfaßte Bandhistorie, das Cover zeigt das etwas ungelenk gezeichnete Teufelsmaskenmonster, das sich auch auf den nicht minder ungelenk gezeichneten ersten beiden Democovern wiederfand (das dritte hingegen hatte mit der Tür, die ein Loch in Form eines Kriegers aufweist, deutlich mehr Charme), und die Lesbarkeit des Bandlogos sollte erst wieder im Neunziger-Black Metal unterboten werden, was aber prima ins nonperfekte Bild des Ganzen paßt.
Kontakt: www.metalsoldiersrecords.com, www.bloodandironrecords.com, www.nonnobisprod.com

Tracklist:
Shadow Of Death
Winds Of Freedom
Bound To Be Free
Victim Of Society
Restless Run
The Hope/Sweet Desire
New Order Merchants
Bound To Be Free
Wild Shadow
Before The End
Fight For Your Life
New Order Merchants (Live)
Before The End (Live)
Wild Shadow (Live)
Fight For Your Life (Live)
 




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