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WE ARE LEGEND: Rise Of The Legend
von rls

WE ARE LEGEND: Rise Of The Legend   (Pure Legend Records)

Mit einem solchen Bandnamen erzeugt man als Newcomerband natürlich gewisse Erwartungshaltungen (böse Zungen mögen es auch als Größenwahn bezeichnen), allerdings stecken hinter We Are Legend keine blutigen Anfänger, sondern Menschen, die bereits Erfahrungen u.a. bei Coronatus oder Abraxas gesammelt haben. Und diese Menschen nehmen We Are Legend ernst, so ernst sogar, daß sie nicht nur ein Konzeptalbum erschaffen haben, sondern der eine der Gitarristen extra eine Schrift designt hat, die für die grafische Gestaltung des Digipacks und des Booklets als Auszeichnungsschrift verwendet wird (und folgerichtig Wearelegend.ttf heißt). Die CD stoppt bei exakt 44:44 Minuten, und angesichts von so viel Detailverliebtheit erscheint es nur folgerichtig, daß We Are Legend im Rahmen der Pure-Steel-Labelfamilie unter Pure Legend Records veröffentlicht werden, obwohl sie dort eigentlich inhaltlich nicht ganz hinpassen. Dafür konnten sie schon in einem ganz anderen Rahmen reüssieren: Sie haben anno 2012 beim Deutschen Rock und Pop Preis gleich vier Kategorien gewonnen, nämlich außer u.a. der für die beste Metalband auch noch die für den besten Metalsänger. Und dieser Selin Schönbeck stellt in der Tat einen der Haupttrümpfe der Band dar: Nicht nur, daß er im Verbund mit Gitarrist Dirk Baur das komplette Material schreibt und für die Pianoparts verantwortlich zeichnet, er darf auch mit Fug und Recht als einer der fähigsten Traditionsmetalvokalisten Deutschlands bezeichnet werden und erinnert in den Höhenlagen bisweilen an einen anderen Könner dieser Sparte, nämlich Andi Sommer von Scene X Dream. Außerdem schimmern gelegentlich die Vokalisten von kurioserweise gleich zwei der großen französischen Metalbands der Achtziger durch, nämlich ADX und Sortilége. Daß hier und da noch ein wenig die gestaltungstechnischen Pferde mit dem jungen Schwaben durchgehen, etwa in "Enemy Within", wo die rauhen Einwürfe bisweilen einen Deut zu gequält wirken, wird sich mit zunehmender Erfahrung sicherlich noch legen. Allerdings sind We Are Legend sowieso Spezialisten für den Einbau auf den ersten bis fünften Hör merkwürdig wirkender Elemente, wozu schon das Klavierintro des zweiten Tracks "This Holy Dark" oder der operettenhafte Einwurf im Mittelteil dieses Songs zählen - in letzterem hören wir allerdings möglicherweise nicht Schönbeck selbst, sondern Andy Kuntz von Vanden Plas, der im Booklet als Narrator angegeben und in dieser Rolle dann eindeutig im reichlich einminütigen Orchesterzwischenspiel "Birth Of The Legend" identifizierbar ist, aber durchaus auch den genannten Einwurf in "This Holy Dark" beigesteuert haben könnte (die anderen drei Gastsänger sind weiblich, wobei Ada Flechtner von Coronatus in "March Of The Living" auch leadsingend in Erscheinung tritt). Generell spielen We Are Legend Power Metal, und gäbe es die diversen Pianoeinschübe und sonstigen ungewöhnlichen Elemente nicht, so wäre dieser zwar immer noch von der rhythmustechnisch relativ abwechslungsreichen Sorte (was meist gut funktioniert, mit der temposeitigen Verschachtelung im ansonsten starken Opener "Hungry Mirrors" aber bisweilen auch etwas bemüht wirkt), aber sonst nicht weiter auffällig. Die von Schönbeck geprägten Breaks bilden also das Salz in der legendären Suppe, und selbiges fällt manchmal etwas plötzlich in den Topf (heißt praktisch: Nicht jeder dieser Parts erfährt eine songwriterische Vorbereitung), was einem aber nach einer gewissen Eingewöhnungszeit durchaus zu schmecken beginnt, zumal man dann irgendwann auch die meisten der mehrstimmigen Gesangsarrangements verstanden hat. Und wie Schönbeck und Baur aus dem balladesken Gestus in "God Is Dreaming" in einen leichtfüßigen Tanzbodenfeger umschwenken, das stellt ihnen songwriterisch ein exzellentes Zeugnis aus. In "Only Time Can Tell" machen sie Ähnliches dann gleich nochmal, weil's ihnen so gut gefallen hat, dort allerdings am Übergang vom Intro in den Hauptteil. Das kurze Mozart-Zitat im Finale von "Hungry Mirrors" könnte durchaus kein Zufall gewesen sein, auch wenn sich We Are Legend sonst eher nicht in der Klassik bedienen, wenn sie die Vielschichtigkeit ihrer Songs erhöhen wollen (und man achte mal auf die Verhackstückung des Refrains von "John Brown's Body" in "March Of The Living"!). Noch gewöhnungsbedürftiger als diverse andere Ideen fällt "Out" als Ganzes aus - kann sich jemand vorstellen, wie Savatage als Nu-Metal-Band klingen würden? Hier gibt's die Antwort, und im Mittelteil von "Only Time Can Tell" ist nochmal so eine Merkwürdigkeit versteckt. Wem das zuviel des Guten ist, der kann sich ja immer noch im Rest des Albums umtun, aber vor Überraschungen ist man prinzipiell nirgendwo gefeit, und ein Faible für unkonventionelle Harmonik sollte man schon mitbringen, um "Rise Of The Legend" als Ganzes gut finden zu können, wobei die Kunst, einprägsame Refrains schreiben zu können, We Are Legend vermutlich noch den einen oder anderen Hörer bescheren wird, der sich auf diese Weise ins Material einarbeiten kann. Für Freunde des stromlinienförmigen Metals ist das hier jedenfalls nix, aber wer von ebenjenem gelangweilt ist, indes nicht gleich alle klassischen Songwritingprinzipien über Bord werfen möchte, der könnte so manche interessante Entdeckung machen.
Kontakt: www.wearelegend.de, www.purelegend-records.com

Tracklist:
Hungry Mirrors
This Holy Dark
Enemy Within
Birth Of The Legend
Rise Of The Legend
God Is Dreaming
Out
Only Time Can Tell
March Of The Living
 




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