www.Crossover-agm.de WARRANT: Ready To Command 2010
von rls

WARRANT: Ready To Command 2010   (Pure Steel Records)

Zu den deutschen Metalbands, denen man in den Achtzigern den großen Durchbruch zugetraut hätte, zählten ohne Zweifel die Rheinländer Warrant: Immerhin hatte das Trio bzw. Quartett anno 1985 in kurzen Abständen eine starke Mini-LP namens "First Strike" und eine nicht minder starke LP namens "The Enforcer" vorgelegt und stand zudem bei Noise Records, einer damals hochwichtigen Talenteschmiede, unter Vertrag. Aber es sollte alles anders kommen: Der Noise-Deal erwies sich eher als Bürde denn als Vorteil, das leidige Personalproblem des Drummers konnte nicht gelöst werden (beide Scheiben spielte Thomas Franke, der später u.a. bei U.D.O. auftauchen sollte und in grauer Vorzeit mal bei Warlock bzw. deren Vorläufern getrommelt hatte, für den etatmäßigen Drummer Lothar Wieners ein), und interne musikalische Differenzen machten der Band schließlich den Garaus, wonach sie erstaunlich schnell aus dem Szenegedächtnis verschwand und eine amerikanische Haarsprayband unter dem gleichen Namen populär wurde. Nur ein paar Enthusiasten blieben hartnäckig und zerrten die Band schließlich wieder ans Tageslicht - die Story gibt's im Booklet von "Ready To Command 2010" nachzulesen.
Un was enthält "Ready To Command 2010" nun? Der Albumtitel ist, streicht man die Jahreszahl, ja einer der alten Songs von der "First Strike"-Scheibe, und so liegt es nahe, hier eine Archivveröffentlichung zu vermuten. Das stellt sich auch schnell als richtig heraus: "Ready To Command 2010" enthält fast das gesamte Schaffen Warrants, das bis 2010 konserviert worden war - nur "fast", weil zwei Songs fehlen. Die beiden Achtziger-Scheiben sind zunächst komplett drauf, wenngleich nicht in chronologischer Reihenfolge - das macht allerdings nichts, denn der rauhe, dennoch nicht unmelodische Power/Speed Metal läßt in den gerade mal drei Monaten, die zwischen den Aufnahmen lagen, keine bahnbrechende Weiterentwicklung erkennen, wenngleich sich die zwischenzeitliche Hinzunahme des zweiten Gitarristen Oliver May zumindest latent in einer leicht verspielteren Gitarrenarbeit auf "The Enforcer" widerspiegelt (markante Unterschiede gibt es darüber hinaus im Drumsound). Diese insgesamt 15 Songs wurden im frühen 21. Jahrhundert schon mal auf einer CD wiederveröffentlicht, damals mit "Flame Of The Show" und "When The Sirens Call" als Bonustracks, die von einem nach der Wiederbelebung der Band 1999 eingespielten Demo stammten, allerdings bereits 1986 geschrieben worden waren und damals eigentlich fürs nächste Album bestimmt gewesen waren, zu dem es dann aber nicht mehr kam. "Ready To Command 2010" enthält diese beiden Tracks auch (wenngleich das Backcover zweiteren in "When The Siren's Call" umbenennt) - allerdings hatte das 1999er Demo vier Tracks, und die Gelegenheit, auch "Proud To Be Loud" und "It's Up To You" wiederzuveröffentlichen und "Ready To Command 2010" damit editorisch komplett zu machen, wurde wie schon beim ersten Re-Release wieder nicht genutzt. Vielleicht hat diese Maßnahme Hintergründe - vorstellbar wären z.B. eine stilistisch experimentellere Ausrichtung oder auch simple technische oder rechtliche Gründe. Leider erfährt man im sonst recht informativen Booklet genau zu dieser Sache nichts. An der CD-Kapazität kann's jedenfalls nicht gelegen haben - wenn die in der Encyclopedia Metallum angegebenen Spielzeiten stimmen, hätten die beiden fehlenden Songs noch Platz gehabt. Statt dessen wurde der Platz noch mit zwei Liveaufnahmen vom Keep It True VIII gefüllt - natürlich auch keine schlechte Lösung, aber im Sinne der editorischen Komplettheit eben nicht die ideale, da "Nuns Have No Fun" (kein Mercyful-Fate-Cover übrigens) und "The Rack" (dessen Titel sich später Asphyx "ausleihen" sollten) in den Studioversionen auf "The Enforcer" stehen, also sowieso auf der CD vorhanden sind. Allerdings treten Warrant damit immerhin den Beweis an, ihr Material auch als Trio live umsetzen zu können, ohne daß es wegen des fehlenden zweiten Gitarristen zu größeren Fehlstellen kommt (interessanterweise liegt schon unter Teilen des Hauptsolos der Studioversion von "Ready To Command" keine Rhythmusgitarre - damals war noch Thomas Klein einziger Gitarrist), und zudem scheint die Stimmung auch ziemlich gut gewesen zu sein - eine sinnvolle Bereicherung also.
Rein stilistisch betrachtet paßten Warrant perfekt in die deutsche Mittachtziger-Metalwelt (auch textlich übrigens - da schimmert doch manch Klischee durch ...), hatten allerdings das Problem, daß noch zur Zeit ihrer Existenz die Spaltung der Szene in Härtner und Geschliffene begann. Mit Bands wie Kreator konnten und wollten Warrant härtetechnisch nicht mithalten, aber trotz der geringfügig kontrollierteren Herangehensweise auf "The Enforcer" gingen sie auch nicht den Weg von Helloween, einen technisch besseren, aber auch massenkompatibleren Sänger einzustellen. Bassist Jörg Juraschek, der auch am Frontmikro steht, hat eine relativ rauhe, wenngleich durchaus melodiehaltefähige Stimme, die aber genau im erwähnten Spannungsfeld steht: für die Thrasher viel zu melodisch, für die "Poser" viel zu rauh. So kamen letztlich zahlreiche Faktoren zusammen, die dafür sorgten, daß aus Warrant trotz einer ganzen Reihe großartiger Songs damals nichts Größeres wurde. Neben geradlinigen Speedies wie "The Enforcer" weiß auch ein eher ungewöhnlich strukturierter Song wie "Betrayer" mit seinen fürs Jahr 1985 geradezu progressiv zu nennenden Tempowechseln auch aus heutiger Sicht noch zu überzeugen. So bleibt zu hoffen, daß Jörg Juraschek seine Songwritingqualitäten auch heutzutage noch nicht verlernt hat (er ist aktuell das einzige noch aktive Mitglied der Achtziger-Besetzung, nachdem Oliver May, der seit der Wiederbelebung ebenfalls wieder mit an Bord war, nach dem 2011er Wacken-Gig das Handtuch geworfen hat) und das in Arbeit befindliche neue Album an die alten Scheiben anknüpfen kann. Bis die neuen Tonzeugnisse fertig sind, kann, nein, sollte jeder Traditionsmetalanhänger, der das Material noch nicht besitzt, diese Sammlungslücke schließen, wobei die beiden Livesongs allerdings kein Grund sind, sich "Ready To Command 2010" zu kaufen, wenn man den ersten Re-Release schon besitzt.
Kontakt: www.warrant-germany.de, www.puresteel-records.com

Tracklist:
Intro
The Rack
Ordeal Of Death
Nuns Have No Fun
Send Ya' To Hell
The Enforcer
Betrayer
Die Young
Torture In The Tower
Cowards Or Martyr
Satan
Ready To Command
Condemned Forever
Scavenger's Daughter
Bang That Head
Flame Of The Show
When The Sirens Call
Nuns Have No Fun (Live)
The Rack (Live)



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