www.Crossover-agm.de STEVE WALSH: Shadowman
von rls

STEVE WALSH: Shadowman   (Frontiers Records)

Im Schatten verlief die Karriere des Steve Walsh in den letzten 30 Jahren ja nun nicht gerade. 1974 trat er mit dem Debütalbum einer nach ihrem heimatlichen Bundesstaat der USA benannten Band ins internationale Rampenlicht (nein, es handelt sich nicht um Hawaii - die wurden erst einige Jahre später aktiv -, auch nicht um Alaska - dieses Bandprojekt u.a. unter Beteiligung von Bernie Marsden kennt heutzutage kaum noch jemand) und sorgte mit Songs wie "Dust In The Wind" für eine formidable Rentenversicherung. Die Rede ist, ganz klar, von Kansas, bei denen man natürlich nicht den Fehler machen sollte, ihr Schaffen auf das kuschelkompatible "Dust In The Wind" zu reduzieren, denn das würde den Folkproggies angehörs von Songs wie "Carry On Wayward Son" oder "Song For America" definitiv nicht gerecht. Und man sollte auch noch einen weiteren Fehler vermeiden: Man sollte auf "Shadowman" keine Klänge erwarten, die mehr mit Kansas gemeinsam haben als den Fakt, daß sie irgendwo im Proglager anzusiedeln wären. Ja, man sollte nicht einmal erwarten, daß man Steve Walsh sofort an seiner Stimme erkennt, denn der Mann verwandelt sich in den acht Songs in ein Mikrofonchamäleon, der sich mit "Davey, And The Stone That Rolled Away" gar in die Gefilde eines Messiah Marcolin (!!) begibt und mit dem folgenden "Keep On Knockin'" unter Beweis stellt, daß das keine Eintagsfliege war. Gut, mit Candlemass haben beide Songs nun ganz und gar nichts zu tun - zweiterer ist grooviger Rock mit eingestreuten Progpassagen und Orchestertürmen, erstgenannter stellt die Orchestertürme (für die übrigens Michael Romeo von Symphony X verantwortlich zeichnet) noch etwas weiter in den Vordergrund. Bis man dorthin vorgedrungen ist, hat man den an zweiter Stelle plazierten Titeltrack (guter Progrock mit bisweilen leichten Metalanflügen) und den Opener "Rise" bereits passiert. Letztgenannter stellt eine besonders mutige Wahl dar, denn es ist der sperrigste Song der ganzen CD und zugleich der, den man auf einem Soloalbum von Steve Walsh wohl am allerwenigsten erwartet hätte, so daß sicher der eine oder andere, der sich aufgrund der bekannten Vergangenheit des Sängers zum Reinhören entschlossen hat, gleich wieder aufgeben wird. Vergleichsweise kalt produziert, entspricht der musikalische Aufbau zunächst eher dem von Fates Warnings "One" (man höre sich das Riffing und den Rhythmus mal genau an), bevor sich ein alles andere als leicht zu verdauender Wechsel aus so gearteten Passagen, einigen Verharrungen und wilden Stakkatodrums irgendwo kurz vom Blastbeat entwickelt. Sehr seltsam und vermutlich auch nach dem xten Hördurchlauf noch nicht endgültig durchdringbar - aber interessant. Wer übrigens vermutet, daß die progfremde Vergangenheit des für Gitarren und Bässe verantwortlichen Menschen für die ungewohnten Stilistiken verantwortlich sein könnte, dürfte falsch liegen: Joel Kosche stammt zwar aus dem Camp von Collective Soul (Powells "Encyclopedia Of Contemporary Christian Music" nennt ihn in diesem Zusammenhang übrigens nicht, läßt aber bezüglich Collective Soul sowieso die Bandgeschichte gegenüber der Frage, ob es sich nun um eine christliche Band handele oder nicht, stark in den Hintergrund treten), aber gerade Grunge- oder Alternative-Einflüsse finden sich auf "Shadowman" nun überhaupt nicht. Statt dessen experimentiert "Hell Is Full Of Heroes" mit technoiden Beats und weiß mit diesem Stilmittel immer genau dann aufzuhören, wenn die Innovationsfähigkeit des Progtraditionalisten zu erschöpfen droht. Das scheint Walsh so gut gefallen zu haben, daß er im zehnminütigen "After" nach einem ausgedehnten bombastmetallischen Intro (dessen Auftaktakkord übrigens auch schon im Schaffen von Abba aufgetaucht ist) in den Strophen gleich nochmal mit elektronifizierten Drums zu spielen beginnt (und außerdem auch noch Stimmeffekte einsetzt), diese hier allerdings stärker in einen basischen Teppich einbindet und auch im Verlaufe des Songs viel Orchesterbombast einwirken läßt. Trotz David Ragsdales Beteiligung als Gastviolinist halten sich die Kansas-Parallelen dieses Songs also ebenfalls in Grenzen, und so bleibt das fünftplazierte "Pages Of Old" titelgemäß der einzige deutliche Kansas-Verweis, indem Walsh mit dem Percussionisten Matt Still hier erneut eine ruhige Komposition im Stile von "Dust In The Wind" erschafft. Das finale "The River" verweilt ebenfalls im relativ ruhigen Bereich, bekommt durch die Backings allerdings phasenweise einen fast gospelartigen Anstrich. Damit endet ein Album, das man in seiner Vielschichtigkeit von Steve Walsh vermutlich kaum erwartet haben dürfte und das bei einigen Altfans sicher verständnisloses Kopfschütteln hervorrufen wird (wie seine beiden ersten Soloalben "Schemer-Dreamer" und "Glossolalia" klangen, entzieht sich leider meiner Kenntnis), das aber für offene Geister die Beschäftigung mit ihm reichlich lohnt.
Kontakt: www.frontiers.it

Tracklist:
Rise
Shadowman
Davey, And The Stone That Rolled Away
Keep On Knockin'
Pages Of Old
Hell Is Full Of Heroes
After
The River
 




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