www.Crossover-agm.de V.A.: Neue Holländische Welle 2.0
von rls

V.A.: Neue Holländische Welle 2.0   (musicXport.nl)

Auch im Vorfeld der Popkomm 2005 gibt's wieder einen stilübergreifenden Holland-Sampler, nachdem dessen Erstversion ja zur Popkomm 2004 erschienen war. Man hat drei Bands auf beide Scheiben gepackt, was nicht als ein Zeichen etwaigen Ideen- oder gar Bandmangels gedeutet werden sollte, sondern im positiven Sinne als Zeichen der Kontinuität - und zu entdecken gibt es unter den diesmal 20 Bands sicherlich wieder auch für fast jeden Hörer die eine oder andere. Daß der Sampler auch kostenlos dem Visions-Magazin beigefügt war, sollte allerdings schon eine gewisse inhaltliche Ausrichtung implizieren, die dann tatsächlich eintritt - daß man die vier vertretenen Metalbands ganz am Ende versteckt hat, damit sie die Yuppie-Leserschaft nicht verstören, spricht bei der Zielgruppenanalyse vermutlich Bände.
Was fördert die Durchschau zutage? Los geht's mit Voicst, die in "Whatever You Want From Life" indielastigen Schrammelrock mit leicht lärmlastigen Gitarren gebunkert haben - nicht schlecht zwar, aber trotzdem siedeln Krezip mit ihrem entspannten Poprock in "Out Of My Bed" mindestens eine Klasse höher, wozu Jacqueline Govaerts Stimme allerdings schon die halbe Miete beiträgt. (Die Frau ist nicht umsonst schon mal von Arjen Lucassen mit einer Einladung zur Mitwirkung bei Ayreon geadelt worden.) Pete Philly & Perquisite covern mit "Paranoid" nicht etwa Black Sabbath, sondern bieten eine Art Loungepop mit rein elektronischem Rhythmusfundament. Ideenreiche Wendungen und gepflegte Langeweile geben sich hier die Klinke in die Hand. Ganz skurril wird's mit C-Mon & Kypski, die in "Shitty Bum" unterhaltsamen Elektro mit Einsprengseln aus jiddischer Folklore (!) und bierzeltkompatibler Blasmusik (!!) erzeugen; lediglich der vokalen Einwürfe hätte es eigentlich gar nicht mehr bedurft. Gerockt werden darf dann wieder mit Gem, die in "Rise And Fall" eine klassische Punkharmoniestruktur in rocklastigen Britpop einbetten und noch ein von der Spieltechnik her fast mandolinenartiges Gitarrensolo dazupacken - vermutlich live ein Tanzflächenfeger. Auch Green Lizards "Yesterday" ist kein Cover eines bekannteren gleichnamigen Titels, sondern eine Art Stonerrock on speed (die Doppeldeutigkeit dieser Aussage ist gewollt), der zwar noch des einen oder anderen Breaks hätte entbehren können, aber in der Totalbetrachtung durchaus Spaß macht. Face Tomorrow waren schon auf dem Erstling dabei, hier steht nun "My World Within", ein zunächst eher ruhigerer Track (wenn man vom hektischen Drumming absieht), der sich dann aber doch noch zum straighten und nach wie vor nicht so richtig einschubladisierbaren Nurocker wandelt. Sind eigentlich schon mal jemandem die gewissen HIM-Parallelen im Gesang aufgefallen? Keine Kopie, aber durchaus ähnlich. "Cold Rolled Steel" von T-99 ist kein Metal, obwohl man das von der Titelgebung her durchaus erwarten könnte, sondern irgendwelche unzuordenbare Easy Listening-Mucke irgendwo zwischen Pop, Jazz, elektronischen Zutaten und was-weiß-ich-noch-was. Einfacher machen es Relax dem "Mr. Review", denn der kann da eine moderne Form des Reggae feststellen, auch hier wieder mit Kunstrhythmus. Stuurbaard Bakkebaard dagegen beschäftigen ohrenscheinlich einen echten Trommler. "Sippin' On Your Tea" hätte möglicherweise vor 15 Jahren zu SubPop gepaßt, die Gitarren stehen allerdings sehr weit im Hintergrund. Dafür geht das Gepfeife als origineller Einfall durch. "Right Now" von The Sheer startet mit einer Procul Harum-verdächtigen Orgel, geht aber bald in Britpop über, dem jedoch die im Genre verbreitete Nöligkeit fehlt - dafür geben einige Gitarrenelemente, die sehr ausgeprägte Beckenarbeit des Drummers sowie die weiterhin omnipräsente Orgel dem Song einen kleinen Touch in Richtung Classic Rock. Guter Stoff, für den die stark indielastigen und zumindest in "We Like To Go On" mit fast hilflos wirkender Monotonie noch nicht so richtig überzeugen könnenden Alamo Race Track noch keine ebenbürtigen Gegner darstellen, obwohl beispielsweise mit dem Übergang ins Gitarrensolo schon gute Ideen Einzug gehalten haben. Coparck starten "The World Of Tomorrow" mit dreimal "Yeah" und setzen dieses Element auch im weiteren Verlaufe als Gliederungspassage ein. Der Song klingt nach gemäßigtem Sixties-Poprock (das verdumpfte Klavier spricht Bände), nur der etwas zu nölige Gesang fällt ab. Taxi To The Ocean haben in "Flag On The Moon" nicht ganz so viel Pink Floyd intus, wie man das vom Charakter des Bandnamens und des Songtitels vermuten könnte, aber im Bereich des Sixties-Psychedelic bleiben sie trotzdem irgendwie haften, und daran sind nicht nur die Keyboards mit ihren gelegentlichen spacigen Effekten und ihrer sonstigen Konzentration auf Sixties-Georgel schuld. Blues Brother Castro hat in "Dress" weder was mit Blues noch mit kubanischer Musik zu tun, statt dessen bewegen wir uns hier wieder mal im typischen Britpop - nicht schlecht, aber höhepunktarm. Ein analoges Verdikt geht an The Apers mit "I'm That Guy", die außer dickeren Gitarren eigentlich nichts an Bord haben, was Herr Castro gerade eben nicht auch schon hatte. Danach kommen wie erwähnt die vier Metalbands en bloc (wohl im Sinne der Bedienungsfreundlichkeit; die Visions-Leserschaft wirft die CD hier also aus dem Player ...), eröffnet durch After Forever, die auch schon beim ersten Streich von der Partie waren. "Being Everyone" kombiniert klassische schwelgerische Passagen mit einem markanten Orchestermetalpart und kommt ohne männliche Vocals aus, überläßt der zumindest in diesem Song ebenfalls recht zurückhaltend singenden Floor Jansen also allein das Feld. "Quietus" von Epica stellt dagegen Simone Simons' klassischen Sopran ins arrangementseitige Zentrum des Orchestermetals, verzichtet im Gegensatz zum letztjährigen Beitrag aber auf ausgefeiltere Chorarrangements und hat statt dessen im Mittelteil ein wenig mittelalterlichen Folk eingewoben. Für die Grunzvocals sorgen diesmal Autumn in "Whispering Secrets", die sich im Dreieck aus Gothic, Melodic und Symphonic Metal eingenistet haben und mit den akkordeonartigen Keyboards noch einen weiteren originellen Faktor am Start haben. Die den Sampler abschließenden Asrai parken ihren Wohnwagen namens "In Front Of Me" in stilistischer Sichtweite zu Autumn, verzichten aber ebenfalls auf männliche Vocals, erinnern vom zwischenstrophigen Riffing her ein wenig an den Theatre Of Tragedy-Hit "Der Tanz der Schatten", hätten aber noch einer geringfügig klareren Produktion bedurft, obwohl auch das derzeitige Klangbild mit seiner eher flächenhaften Ausrichtung nicht schlecht ist.
Kontakt: www.neuehollandischewelle.de

Tracklist:
Voicst: Whatever You Want From Life
Krezip: Out Of My Bed
Pete Philly & Perquisite: Paranoid
C-Mon & Kypski: Shitty Bum
Gem: Rise & Fall
Green Lizard: Yesterday
Face Tomorrow: My World Within
T-99: Cold Rolled Steel
Relax: Mr. Review
Stuurbaard Bakkebaard: Sippin' On Your Tea
The Sheer: Right Now
Alamo Race Track: We Like To Go On
Coparck: The World Of Tomorrow
Taxi To The Ocean: Flag On The Moon
Blues Brother Castro: Dress
The Apers: I'm That Guy
After Forever: Being Everyone
Epica: Quietus
Autumn: Whispering Secrets
Asrai: In Front Of Me
 




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