www.Crossover-agm.de UNIFAUN: Unifaun
von ta

UNIFAUN: Unifaun   (Progress Records)

Es gibt mindestens zwei Sorten von Tributbands. Die einen, Coverbands, spielen Stücke einer anderen Band 1:1 nach; die anderen, Imitate, schreiben eigene Stücke, die den Stil einer anderen Band 1:1 nachahmen. Für das Prog Rock-Urgestein Genesis gibt es mit The Musical Box eine wohlgelungene Band aus der ersten Sparte, bis jetzt war mir mit den Italienern The Watch ein Projekt aus der zweiten Sparte allerdings nur namentlich bekannt. Doch mit Unifaun wird alles anders! Das Motto der zwei Schweden wird im Booklet zu "Unifaun" genannt: "Let's write the songs Genesis never did." Und was soll ich sagen? Operation gelungen! "Unifaun" ist eine 76minütige Prog-Traumreise, die den Stil, den Genesis von 1972 bis 1980 fuhren, imitieren möchte und zumindest den Post-"Lamb ..."-Stil mit beeindruckender Detailtreue imitiert.
Man kann das an verschiedenen Merkmalen illustrieren, ich wähle drei. Bis zur Perfektion getrieben wurde die Tastenkopie. Bergeweise Orgeln und Mellotron-Sounds, säuselnde Synthesizer, ein wenig Piano hier und da - alles ist dabei. Zweifler mögen sich die Synthie-/Orgeleinsätze in "Mr. Marmaduke And The Minister", min 2:42 oder "End-or-Fin", min 4:53 oder in "Swingers Party" gleich bei Songbeginn (höre auch diesen saucoolen Rutherford-Tribut-Bass!) reinpfeifen - originalgetreuer geht's nicht.
Zweitens. Die progressiven Tonartwechsel, die unerwarteten Auflösungen der Uralt-Genesis münden in brillanten Refrains wie dem des dynamischen Openers "Birth Of A Biggie" oder dem der tollen Semiballade "A Way Out". Das knapp achtminütige Instrumental "ReHacksis" bezaubert mit lockeren Dur/Moll-Spielereien, wie sie auch Hackett/Banks nicht schöner hinbekommen hätten. (In dem Song kann man auch schöne Phil Collins-Gedächtnis-Drumpatterns bewundern.) Gerade am Umgang mit Auflösungen erkennt man, wie tief das Genesis-Verständnis der beiden Komponisten dieser Musik geht, denn dieses Merkmal ist stilprägend für den Genesis-Prog gewesen. Da ist es gar nicht nötig, dass jeder einzelne Basslauf wie Rutherford und jeder Gitarrenton wie Hackett klingt. Solche Feinanalysen seien ohnehin Freaks überlassen, die ähnlich vernarrt in die hier kopierte Band sind wie die beiden Unifaun-Mitglieder, ich gehöre nicht zu diesen.
Drittens. Wie klingt der Gesang von Nad Sylvan? Erinnert er mehr an Peter Gabriel oder mehr an Phil Collins? Antwort: Ich erkenne in "Birth Of A Biggie" oder "Swingers Party" das typische kesse Timbre des frühen Phil Collins, wenn ich beim Hören an Collins denke, aber manche Höhen erinnern mich auch sehr an Peter Gabriel, wenn ich an Gabriel denke. Insgesamt höre ich aber mehr Collins. Dennoch musste ich bei einer hörspielartigen Passage wie bspw. der vierten Minute von "Mr. Marmaduke ..." an Marillions Fish denken, was ein sicheres Zeichen dafür ist, dass Sylvan auch Gabriel-Elemente in der Stimme hat, den Fish bekanntermaßen zum Vorbild hatte. Aber klingt es dennoch insgesamt nicht mehr nach Collins? Usw. usf. Kurz: Der Gesang klingt wie Genesis.
Am Ende hat jeder Track sein Besonderes, auch wenn nicht jeder gleichermaßen fesselt. Das dreizehnminütige "Quest For A Last Virtue" ist etwas zu langatmig und "Welcome To The Farm" ist zu gleichförmig geraten. Letztgenanntes Stück klingt ohnehin eher wie eine dieser vor sich hindösenden Longtracks, die Genesis fabriziert haben, als sie gerade begannen, mit Collins poppiger zu werden. Aber das sind Marginalien. Auch die alten Genesis haben manchmal gelangweilt, wenn ich das mal so sagen darf. Was ich mir noch gewünscht hätte, wäre ein flotterer, aggressiver Tack. Die einzige schnelle Nummer ist "End-Or-Fin", leider "nur" ein Instrumental, das - mir nicht ganz verständlich - ganz am Ende des Albums steht. So ist "Unifaun" recht weich und schmiegsam ausgefallen, ein wenig Altmännermusik sozusagen. Da passt auch die Ausrichtung auf Genesis nach "Lamb ...", denn so komplex und vielteilig wie die ganz alten Genesis-Songs tönt hier abgesehen von Passagen aus "Mr. Marmaduke And The Minister" nichts.
Schwamm drüber. Bei Unifaun sind mit Nad Sylvan und Bonamici zwei Typen am Werk, die man ruhigen Gewissens besessen nennen kann. "Unifaun" ist ein perfektes Denkmal, das permanent den Geist alter Genesis-Platten atmet. Das Unterfangen der stilistischen Genesis-Reanimation ist ergo absolut mustergültig gelungen. Unabhängig davon, was man von so einem Unterfangen generell hält, muss man diese Tatsache einfach anerkennen.
Kontakt: www.unifaun-music.com, www.progressrec.com

Tracklist:
1. Birth Of A Biggie
2. To The Green Faerie
3. Mr. Marmaduke And The Minister
4. Swingers Party
5. ReHacksis
6. Quest For The Last Virtue
7. A Way Out
8. Finistère
9. Welcome To The Farm
10. Maudlin Matter
11. Bon Apart
12. End-Or-Fin



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