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TURBO: The Fifth Element
von rls

TURBO: The Fifth Element   (Metal Mind Productions)

Die 1979 gegründeten Turbo dürften trotz dreijähriger Auszeit in den 90ern mittlerweile Polens dienstälteste Metalband sein, und alle paar Jahre darf man sich auch mal über ein neues Album von ihnen freuen. In ihrer ersten Schaffensperiode hatten sie schrittweise den Härtegrad ihrer Musik immer weiter gesteigert und waren vom Siebziger-Hardrock über den klassischen Metal und den Thrash schließlich an der Grenze zum Death Metal gelandet, merkten allerdings, daß sie damit in eine Sackgasse geraten waren (so hieß kurioserweise auch ihr 1990er Album: "Dead End"), und stellten ab 1992 für drei Jahre ihre Aktivitäten ein, bevor sie mal mit, mal ohne Grzegorz Kupczyk, der die klassischen Turbo-Alben der Achtziger eingesungen und sich dann C.E.T.I. gewidmet hatte, wieder zu spielen begannen und wie erwähnt auch ab und zu mal neue Alben herausbrachten. Seit 2007 ist die Ära Kupczyk wohl endgültig Geschichte bei Turbo, und seither singt Tomasz Struszczyk, den Insider von einer Progmetalband namens Pathology kennen könnten. "The Fifth Element" ist sein zweites bzw. drittes Album für Turbo, je nachdem ob man die bereits zuvor erschienene Version dieser Scheibe mit polnischem Gesang namens "Piaty zywiol" als eigenständiges Album zählt oder nicht (die instrumentale Komponente dürfte sich nicht unterscheiden, der englischsprachige Digipack enthält mit einer Akustikfassung von "Smash The Wall" allerdings noch einen Zusatztrack). In den Danksagungen schreibt der Sänger, daß sich durch seine Zusammenarbeit mit der Gesangspädagogin Marta Sokolowska seine Art zu singen erheblich verändert habe - der Rezensent kennt sein früheres Schaffen nicht, aber eine starke Leistung bringt der mit einer Mittellagen-Stimme ausgestattete Tomasz auf "The Fifth Element" auf jeden Fall, egal ob im angerauhten Fach oder in zurückgenommenen Passagen wie im Rahmenteil des epischen siebenminütigen Titeltracks, der zugleich stilistisch weit in die Turbo-Vergangenheit zurückverweist: Schon auf dem 1982er Album "Dorosle Dziechi" befanden sich einige Songs mit gewissen Anklängen an das Schaffen Iron Maidens, und ebensolche finden sich nun auch hier im Titeltrack. Der nur knapp dreiminütige Opener "Think And Fight" steht zwar auf der Kippe zwischen Power und Thrash Metal, aber in den Folgesongs dominiert der Power Metal dann eindeutig, temposeitig durchaus variabel, intelligent arrangiert und mit starker Gitarrenarbeit von Bandoberhaupt Wojciech Hoffmann (kein Gründungsmitglied der von Bassist Henryk Tomczak ins Leben gerufenen Band, aber nur kurz nach der Gründung dazugestoßen und seither zentrale Figur des Turbo-Schaffens, im Booklet witzigerweise ein bißchen wie Maidens Dave Murray aussehend) und seinem Sidekick Dominik Jokiel, für den "The Fifth Element" nach knapp anderthalb Dekaden Bandzugehörigkeit allerdings das Abschiedsalbum geworden ist. Und wenn man in "Handful Of Sand" mal genau hinhört, wird man außer einigen verschleppten Drums von Mariusz Bobkowski (als so ziemlich einziger kleiner Fingerzeig in Richtung modernerer Elemente) auch einige Baßläufe von Bogusz Rutkiewicz (dem anderen Alten, seit 1982 dabei) entdecken, die an die Manier erinnern, mit der ein gewisser Steve Harris sein Instrument bedient. Zu den starken Nummern des Albums zählen weiterhin das Instrumental "Amalgam", das seine mitreißenden Außenteile durch einen wunderbaren zurückgenommenen Mitteilteil verbindet, und die Halbballade "Relentless", während das wieder mal etwas maidenlastige "Light Up The Night" wohl aufgrund des markanten "Ahaha"-Refrains einen festen Platz im Liverepertoire ergattern wird. Bei den ersten Durchläufen noch unter "gewöhnungsbedürftig" fällt dagegen "This War Machine", und das liegt hier am Gesang. Wie erwähnt entdeckt Struszczyk auf diesem Album neue Welten, und nachdem man schon am Ende von "Smash The Wall" über die hohen Backings gestutzt hatte, gibt es hier plötzlich im ganzen Song hohes powermetallisches Gekreisch irgendwo auf halbem Wege zwischen Rob Halford und Tim "Ripper" Owens. Von dieser Überraschung muß man sich erstmal erholen, und die gesangliche Leistung hier stellt sicherlich noch nicht den Endpunkt von Struszczyks diesbezüglicher Entwicklung dar (man höre mal genau, wie er am Ende der zweiten Strophe "abklappt"), auch wenn das Ganze zweifellos nicht schlecht ist und eher aufgrund des ungewohnten Charakters aus dem Rahmen fällt, zumal man anhand des zurückgenommenen Intros mit schönen zweistimmigen Gitarrenläufen etwas anderes erwartet hatte als die Speedstrophe, die nach einer Minute relativ unvorbereitet über den Hörer hereinbricht. Und mit jedem Hören wächst dieser Song auch und fügt sich besser ins Gesamtbild ein. Die Theorie, hier sei gar nicht Struszczyk, sondern ein Gastsänger am Werk, wird zumindest durch das Booklet nicht gestützt - das vermerkt nur einen einzigen Gastmusiker, und zwar Produzent Przemyslaw "Perla" Weimann, der im Opener "Think And Fight" mit zur Gitarre gegriffen hat. Eine Überraschung stellt "This War Machine" in jedem Fall dar, und es bleibt gespannt abzuwarten, ob künftige Turbo-Werke in dieser Richtung weiterarbeiten. Auch das seltsam betitelte Epos "Blues Measured By The Clock Ticking", das den regulären Teil des Albums abschließt, fällt etwas aus dem gewohnten Turbo-Schaffen heraus - das zweieinhalbminütige Intro und das Outro bestreitet Struszczyk hier im Alleingang zu seiner Akustikgitarre, und auch hier treibt er seine Stimme ein gutes Stück nach oben, wenngleich nicht ganz in solche Extreme wie in "This War Machine". Nach dem Intro entwickelt sich bandtypischer treibender Power Metal, allerdings durchwirkt mit verharrenden Passagen und abermals so geschickt arrangiert, daß man einerseits einiges zu entdecken hat (etwa die spanisch beeinflußten Gitarren um Minute 5), andererseits aber nicht von vornherein wegen übergroßer Komplexität abgeschreckt wird. So legen Turbo mit "The Fifth Element" ein starkes Power-Metal-Album vor, das mit seiner Partiallackierung im Inneren des Digipacks und auf der Bookletaußenseite auch optisch besticht (und das etwas einfallslose Frontcover vergessen macht) und 58 Minuten lang deutlich macht, daß die alten polnischen Helden auch heute noch zu Großtaten fähig sind.
Kontakt: www.metalmind.com.pl, www.turbo.art.pl

Tracklist:
Think And Fight
Taste Of Forever
Heart On The Pyre
The Fifth Element
Smash The Wall
Handful Of Sand
Relentless
Amalgam
Light Up The Night
This War Machine
Blues Measured By The Clock Ticking
Smash The Wall (Acoustic)
 




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