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TRANCEMISSION: Paranoia
von rls

TRANCEMISSION: Paranoia   (Pure Rock Records)

Zu den dienstältesten deutschen Metalbands zählen Trance, deren Wurzeln in die Mittsiebziger zurückreichen. Für das 1989er Album "Back In Trance" aus rechtlichen Gründen in Trancemission umbenannt, erfolgte schon mit dem Folgealbum "Rockers" die Rückbenennung in Trance, die dann bis zum vorläufigen Ende der Band 1997/98 Bestand hatte. Die Neugründung im neuen Jahrtausend erfolgte dann wiederum als Trancemission, und unter dieser Bezeichnung sind Lothar Antoni als letztes verbliebenes Gründungsmitglied der Siebziger-Urformation und seine Mitstreiter auch noch heute aktiv. Das aktuelle Album hört auf den Namen "Paranoia" und überrascht zunächst mit Klassik-Metal in Reinkultur: Das Intro bildet eine Sprachszene aus Mozarts Oper "Die Zauberflöte" nach, und die geht nahtlos in den Opener "Queen Of The Night" über, der Motive aus genannter Oper verarbeitet, an zentraler Stelle die bekannte Rachearie, die das derzeitige Kinopublikum vielleicht am ehesten aus dem Film über Florence Foster Jenkins kennt, welche eine kultig-gruselige Fassung dieser Arie eingesungen hatte. Im vorliegenden Fall ist mit Sabine Deutsch ein Profisopran am Start, und so verwundert es nicht, daß hier jeder Ton an seinem ihm zugedachten Platz sitzt und sich eine richtig gute Klassik-Metal-Melange entwickeln kann. Die findet in den Folgesongs dann allerdings keine Fortsetzung, wohingegen sich diverse andere Einflüsse entdecken lassen. Zunächst hört man deutlich, daß Antoni in den Siebzigern musiksozialisiert worden ist - die Mischung aus Hardrock und Traditionsmetal, die wir auf "Paranoia" geboten bekommen, weist nicht selten Siebziger-Einflüsse auf, wobei Trancemission allerdings ohne festen Keyboarder und mit nur punktuellem Einsatz dieses Instruments arbeiten, als Ankerpunkt demzufolge nicht Deep Purple & Co. dienen, sondern eher die Scorpions der späten Uli-Roth-Phase, die auch schon im Frühwerk von Trance die eine oder andere Spur hinterlassen hatten. Aber die Einflüsse reichen durchaus noch weiter zurück: Die A-cappella-Zeile in "Killer" stellt eine typische Struktur des uralten Blues nach, und nachdem Trance schon 1992 Percy Sledges "When A Man Loves A Woman" gecovert hatten, graben Trancemission für das neue Album nun "Rockin' Is Ma Business" aus, eine Komposition von The Four Horsemen, die original eigentlich viel älter anmutet als "nur" ein Vierteljahrhundert. "Lone Wolf" wiederum überrascht mit einem knochentrockenen Tanzrhythmus, der trotz diverser Wendungen auch über das ganze Stück hinweg durchgehalten wird, wobei man hinter dem Refrain gelegentlich Flöten im Jethro-Tull-Stil zu hören vermeint, was aber auch Keyboards oder gar klangverfremdete Gitarren sein könnten. In diesem Fall fügt sich alles prima zusammen, während beispielsweise der nur Gesang und Drums auffahrende Part in "Hey There Gypsies" ein wenig bemüht wirkt und man sich auch an diverse Wechsel in "Jesus Christ" erst gewöhnen muß (das plötzlich losbrechende Hauptsolo ist allerdings richtig klasse). Der Text scheint übrigens nicht ironisch gemeint zu sein und somit an eher unvermuteter Stelle eine Nummer entstanden zu sein, die sich auch für ganz andere Verwendungszwecke anbieten würden. Freilich sind Trancemission nun nicht plötzlich ins tiefreligiöse Lager abgewandert, denn dort hätten sie für den Text des musikalisch ein bißchen an UFOs "Doctor Doctor" erinnernden "Legal Highs" sicher Schelte bezogen - aber die Konstellation ist schon interessant. Das Hauptproblem von "Paranoia" indes liegt woanders: Antoni klingt in den zurückhaltenden Passagen noch ziemlich wohl, aber wenn er zu kreischen versucht, dann klingt das wie ein erkälteter uralter Brian Johnson, und man fühlt sich beim Zuhören quasi automatisch unbehaglich, selbst wenn mit der Zeit über das 55minütige Album hinweg zumindest eine Art Gewöhnungseffekt eintritt. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, daß Trancemission mit der Verpflichtung eines anderen Sängers ihre nach wie vor ansprechenden Kompositionen auf ein höheres Niveau heben könnten - vielleicht findet sich ja sogar bandintern eine Lösung, denn Zweitgitarrist Andreas Meyer, Bassist/Co-Songwriter Joe J. Hagl und Drummer Alex Franken sind an den Backingvocals beteiligt, also gesanglich zumindest nicht ganz unerfahren. Die Zukunft wird zeigen, wie es in dieser Hinsicht bei dem süddeutschen Quartett weitergeht. Die Neueinspielung von "Power Of The Heart" (original auf dem ersten als Trancemission veröffentlichten Album und noch vom Urgitarristen Markus Berger mitkomponiert), die "Paranoia" in hymnischer Form und mit Kinderchorunterstützung abschließt, ist als Bonustrack gekennzeichnet, aber ohne nähere Infos, welche Fassung dieses insgesamt hörenswerten Albums denn ohne selbigen auskommen muß.
Kontakt: www.trancemission-music.com, www.purerock-records.com

Tracklist:
Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen
Queen Of The Night
Killer
Make My Day
Watch Out!
Paranoia
Hey There Gipsies
Lone Wolf
Jesus Christ
The Soil Of A Man's Heart
Legal Highs
Rockin' Is Ma Business
Diamond Pretty
Power Of The Heart
 




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