www.Crossover-agm.de DEEP PURPLE: Live In Graz 1975
von rls

DEEP PURPLE: Live In Graz 1975   (Ear Music)

Der vorliegende Teil der "Official Deep Purple (Overseas) Live Series" ermöglicht erstmals sehr intensive Quervergleiche mit einem anderen Teil dieser Serie: "Live In Paris 1975" enthielt den Gig in der französischen Hauptstadt vom 7. April des genannten Jahres, und das war nicht nur der Tourabschluß, sondern zugleich der Abschluß der Ära Ritchie Blackmore in der ersten Aktivitätsperiode der Band, die dann ein Jahr später nach dem "Come Taste The Band"-Album endete. Neben dem Paris-Gig wurden auch die vorgelagerten in Saarbrücken (5. April) und Graz (3. und 4. April - beide Daten finden sich in der Literatur, und vielleicht erklären sie sich daraus, daß die Band an zwei Abenden nacheinander in Graz spielte) mitgeschnitten, und fünf Songs aus diesen drei Mitschnitten puzzelte man zu einem Livealbum namens "Made In Europe" zusammen, das 1976 erschien und noch ein wenig Profit aus der zu dieser Zeit praktisch schon toten Band ziehen sollte. "Live In Paris 1975" bot dann das komplette Material der finalen Show, und nun liegt auch der Graz-Gig vor - zum ersten Mal in Gänze, sagt das Backcover. Das kann freilich nur dann stimmen, falls die Band die am Ende des mit "Space Truckin'" abgeschlossenen Hauptsets lautstark erklingenden Zugabeforderungen ignoriert haben sollte: "Live In Graz 1975" besteht aus nur einer mit 79:58 Minuten randvollen Einzel-CD, während die Paris-Scheibe eine doppelte war und mit "Going Down" und "Highway Star" auch noch die beiden dortigen Zugaben enthielt. Sollte es solche auch in Graz gegeben haben (und es wäre wenig wahrscheinlich, daß dem nicht so war), handelt es sich bei diesem Release also in gewisser Hinsicht um eine Mogelpackung, wenngleich die komplette Verfügbarkeit wenigstens des Hauptsets wie eingangs erwähnt auch schon interessante Vergleiche mit der Paris-Scheibe ermöglicht. Fünf der acht Tracks finden sich schon auf der Doppel-CD "Mk. III: The Final Concerts" (die anderen dort enthaltenen sollen aus Paris stammen), während für "Made In Europe" hauptsächlich Saarbrücken-Material verwendet und mit diversen Overdubs versehen worden sein soll. Vielleicht kommt im Rahmen der "Official Deep Purple (Overseas) Live Series" ja auch die Saarbrücken-Show noch im Urzustand heraus. Bis dahin muß man sich entweder mit Vergleichen zur Paris-Show bescheiden, oder man nimmt die Graz-CD als Dokument, so wie sie eben ist, freut sich, daß David Coverdale hier besser bei Stimme ist als wenige Tage später in Paris (auch Sangespartner Glenn Hughes präsentiert sich in bestechender Form und nicht ganz so überdreht wie in Paris), und geht fleißig auf Suche nach den versteckten Zitaten, die diese spielfreudigen Heroen einzubasteln pflegten. Daß Blackmore im Intro von "Mistreated" eine Melodielinie aus "Still I'm Sad" und das Riff von "Man On The Silver Mountain" einschmuggelt (und das Riff des ersteren in "You Fool No One" gleich nochmal), läßt sich leicht erklären, denn wenige Wochen zuvor hatte er die erste Rainbow-Platte eingespielt, und die enthält bekanntlich ebenjene Nummern. "Gott erhalte Franz den Kaiser" findet sich in der Gitarrenarbeit gleichfalls, während Jon Lord in "You Fool No One" BWV 565 anspielt (also die berühmte d-Moll-Toccata, die wahrscheinlich gar nicht von Bach stammt) und dann "Oh, du lieber Augustin" folgen läßt, was das Publikum mit Heiterkeit quittiert. In "Space Truckin'" kommt dann auch noch Strauss' "Also sprach Zarathustra"-Intro zum Zuge, die Gitarrenpassage direkt vorm ersten Einsetzen des Hauptriffs erinnert an Debussys "Nachmittag eines Faun"-Hauptthema, und auch "Child In Time" wird später angespielt, aber nicht fortgeführt, und Lord baut ein Orgelthema aus diesem Klassiker zwischen Minute 11 und 12 dann sogar nochmal ein. Merkwürdig mutet hingegen eine andere Sache an: Coverdale verspricht für "You Fool No One" ein Gitarrensolo von Blackmore und ein Drumsolo von Ian Paice - letztgenanntes aber ist in den zwölf Minuten weit und breit nicht auszumachen (die paar Sekunden vorm Songende sollen es sicherlich nicht wirklich sein), und auch in der "Mk. III: The Final Concerts"-Fassung soll keins enthalten gewesen sein. Entweder hat Paice entgegen der Ankündigung also in Graz gar keins gespielt (in Paris gab's definitiv eins), oder es ist in irgendeinem Bearbeitungsstadium herausgeschnitten worden. Letzterer Fall würde den dokumentarischen Wert der CD natürlich schmälern, selbst wenn man den pekuniären Background verstünde, keine Doppel-CD herausbringen zu wollen - eine solche hätte dann aber die Möglichkeit geboten, auf CD 2 noch die eventuell vorhandenen Zugaben zu plazieren und bei Platzmangel "Space Truckin'" noch mit auf die zweite Scheibe zu schieben, also die Aufteilung der Paris-Doppel-CD zu übernehmen. Dafür überzeugt bei der Graz-Scheibe das Soundgewand aber noch stärker als bei der Paris-Version, so daß jeder, der einfach nur ein Livedokument dieser Phase besitzen möchte, mit der österreichischen Variante gar nicht schlecht bedient ist, während diese ansonsten Sammler und Komplettisten eher mit mehr als mit weniger grauen Haaren zurückläßt.
Kontakt: www.ear-music.net, www.deep-purple.com

Tracklist:
Burn
Stormbringer
The Gypsy
Lady Double Dealer
Mistreated
Smoke On The Water
You Fool No One
Space Truckin'
 




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