www.Crossover-agm.de THOUGHTSPHERE: Vague Horizons
von rls

THOUGHTSPHERE: Vague Horizons   (B. Mind Records)

Nein, ein Mensch, der einfach mal behauptet, es sei bewiesen, daß Jesus ein Dieb gewesen ist und er gekreuzigt wurde, weil er gestohlen hat, wonach dann auch noch seine Leiche geklaut wurde und alle Welt dachte, er sei auferstanden, ohne mir aber zu sagen, wer diesen Beweis geführt hat und auf welche Weise und wo das Ganze nachzulesen respektive nachzuprüfen ist, ist mir nicht sonderlich sympathisch. Nicht weil ich jetzt im religiösen Sinne beleidigt wäre (jeder hat das Recht auf 'ne eigene Meinung und darf diese natürlich auch äußern), sondern weil derjenige damit genau die gleiche "Verdunkelungspolitik" betreibt, die er den Christen vorhält (teilweise nicht zu Unrecht übrigens), und damit lediglich populistische Gerüchte verbreitet, die nichts, aber auch gar nichts zur Situationserhellung beitragen. Doppelt schade ist es dann, wenn der gleiche Mensch im gleichen Interview intelligente Statements zur derzeitigen Weltlage und der Verantwortung jedes Einzelnen für unsere Umwelt abgibt und damit unter Beweis stellt, daß er seinen Kopf keineswegs nur zum Haareschneiden hat. (Wer den Interview-O-Ton nachlesen will: Es handelt sich um das Interview mit Lost Century-Sänger Andreas Lohse in RockHard 3/95.)
Besagter Andreas Lohse hat mittlerweile eine neue Band namens Thoughtsphere um sich geschart und nach zwei Eigenproduktionen nun den ersten offiziellen Silberling "Vague Horizons" herausgebracht. So undeutlich, wie der Titel uns weismachen will, sind die Horizonte dabei gar nicht. Herr Lohse unterläßt es netterweise, verbal-lyrisch auf Religionen aller Art rumzuprügeln, verarbeitet aber dennoch reichlich düstere Szenarien, die sich passend zum Bandnamen indes eher in der Gedanken- und nicht in der realen Welt, sei es am Arbeitsplatz oder im Ghetto nebenan, abspielen. So düster, wie man das aufgrund der lyrischen Ausrichtung vermuten könnte, gehen Thoughtsphere musikalisch aber ganz und gar nicht zu Werke. Vielmehr bieten die reichlich 50 Minuten hymnischen Progressive Metal, der ein paar Parallelen zu den Labelkollegen re-Vision aufweist und auch nicht verhehlen kann, bisweilen eine Portion Fates Warning-Staub eingeatmet zu haben. Eindeutige Stärken von Thoughtsphere sind allerdings zum einen ihre prächtigen choralen Refrains, die aller ringsherum plazierten Uneingängigkeit trotzen (Paradebeispiel: "Like An Angels' Choir"), und zum anderen ihr musikalischer Einfallsreichtum, der in einigen nur mit dem Terminus "genial" zu titulierenden Saxophonpassagen respektive -soli gipfelt, die so in die Songs (u.a. das relaxte Instrumental "A New Beginning") eingelötet wurden, daß sie zu organischen Bestandteilen werden, deren Entfernung riesige Narben hinterlassen würde. Zwar können Thoughtsphere das insgesamt sehr hohe Niveau nicht komplett durchhalten (speziell "Shadowweaver's Realm" und die gleich dahinter plazierte Coverversion "Tragic Kingdom" - von No Doubt, wenn ich mich recht erinnere - animieren eher zum Gähnen), aber spätestens die 2000er Version der Bandhymne "Thoughtsphere" versöhnt wieder (genießt die Gitarrenmelodien!) und schließt dieses musikalisch ausgesprochen wertvolle Album ansprechend ab (das Outro "... withdrawal" vergessen wir mal schnell wieder). Über die außermusikalischen Komponenten mache sich jeder seine eigenen Gedanken.
Zu beziehen, wenn nicht im Laden, sicher auch über B. Mind Records, Naugarder Straße 43, 10409 Berlin.



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